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Spritzen für eine "Selbsttötungsmaschine", mit der schwer kranke, sterbewillige Patienten sich selbst eine tödliche Dosis Betäubungsmittel verabreichen können.

© dpa/Kay Nietfeld

Bundestag debattiert über Sterbehilfe - Patientenschützer sind gegen eine neue Regelung: „Zwingend erforderlich ist eine zusätzliche gesetzliche Regelung nicht“

Im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die bis dahin geltende Regelung zur Sterbehilfe gekippt. Dadurch entstand eine Gesetzeslücke.

Wie selbstbestimmt darf das Leben enden? Und wie stark soll der Staat bei dieser Entscheidung mitreden können? Über diese elementare Frage wird am Freitag im Bundestag diskutiert. Im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die bis dahin geltende Regelung zur Sterbehilfe gekippt. Schwerkranke Patienten, Sterbehilfevereine und Ärzte hatten gegen das Verbot der „gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ geklagt – und Recht bekommen.

Die Abschaffung des Passus hinterließ eine Gesetzeslücke, die so schnell wie möglich gefüllt werden soll. Der Ansicht ist zumindest die Politik. Parteibücher spielen bei der Neuregelung keine Rolle: In drei fraktionsübergreifenden Gruppen wurden in den vergangenen Monaten Gesetzentwürfe erarbeitet.

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Der strengste der Entwürfe sieht vor, dass die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ in der Regel strafbar sein soll. Wie vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll es für geschäftsmäßige Sterbehilfe bis zu drei Jahre Haft geben.

Nicht rechtswidrig soll sie nur dann sein, wenn der suizidwillige Mensch „volljährig und einsichtsfähig“ ist, sich mindestens zweimal von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat untersuchen lassen und mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch absolviert hat.

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Außerdem muss eine Frist von drei Monaten eingehalten werden, um nachzuweisen, dass es einen selbstbestimmten Sterbewunsch gibt. Eine weitere Gruppe strebt eine Regelung außerhalb des Strafrechts an. Der von der FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr initiierte Vorschlag sieht vor, ein deutschlandweites Netz von Beratungsstellen zu schaffen, die sterbewillige Menschen auf ihrem Weg begleiten sollen.

Um sicherzustellen, dass der Entschluss autonom gefasst wurde, soll hier eine Frist von zehn Tagen nach dem Beratungsgespräch ausreichen. Eine Gruppe um Grünen-Politikerin Renate Künast will, dass differenziert wird, ob die Betroffenen ihren Tod wegen einer schweren Krankheit anstreben oder aus anderen Gründen.

Für Ersteres gilt, dass zwei Ärzte unabhängig voneinander klar bezeugen müssen, dass es einen nicht veränderlichen Sterbewillen gibt. Nach zwei Wochen dürfte die Person dann ein Betäubungsmittel erhalten. Den Zugang darüber möchte die Gruppe in einem eigenen Gesetz regeln.

Bei Menschen, die aus anderen Gründen den Wunsch äußern zu sterben, müsse es eine langfristige Dokumentation des Suizidwillens geben, fordern die Abgeordneten in ihrem Vorschlag. Außerhalb des Parlaments finden alle drei Entwürfe nur wenig Zuspruch, Patientenschützer lehnen die Vorschläge für eine Neuregelung ab.

„Suizidmittel und Angebote der Unterstützung sind vorhanden“

„Suizidmittel und Angebote der Unterstützung sind vorhanden“, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Deutscher Patientenschutz. „Zwingend erforderlich ist eine zusätzliche gesetzliche Regelung der Sterbehilfe in Deutschland nicht.“ Der Staat habe die Autonomie zu wahren. „Es verbietet sich, das Recht auf Hilfe zur Selbsttötung an Leidenskriterien zu knüpfen.“

Auch Heiner Melching, der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zeigte sich im Gespräch mit dem Tagesspiegel äußerst kritisch. „Wir haben die Entwürfe mit Ärzten durchgespielt und bei allen unendliche Bauchschmerzen. Sie sind nicht praxisnah.“ Ärzte seien nicht bloße Dienstleister.

Wichtiger als die Sterbehilfe zu reglementieren sei es, mehr Aufklärung zu betreiben, über die Möglichkeiten der Palliativmedizin und über Patientenrechte. „Wir können Schmerzen lindern, Menschen sedieren. Und auch jetzt darf ein Arzt beim Suizid helfen. Das berufsrechtliche Verbot für Ärzte beim Suizid zu helfen ist aufgehoben worden. Aber dafür bedarf es eines Vertrauensverhältnisses und nicht dem Gespräch mit einem Wildfremden.“

Es bedürfe mehr Aufklärung über Patientenrechte und Palliativmedizin

Robert Roßbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, lehnt eine Beratungspflicht im Allgemeinen ab. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom Februar 2020 ausdrücklich jedem Einzelnen das Recht auf einen freiverantwortlichen und selbstbestimmten Freitod und auch das Recht, dafür Hilfe in Anspruch zu nehmen, zuerkannt.

„Daher brauchen wir keine Beratungspflicht für die Betroffenen, sondern nur eine Aufklärungspflicht durch den Freitodbegleiter.“ Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband (DHPV) und die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) forderten am Donnerstag in Berlin, ein neues Gesetz, um die Suizidprävention zu stärken.

„Studien haben gezeigt, dass vor allem finanzielle Probleme, Einsamkeit und die Furcht davor, anderen zur Last zu fallen, zu Suiziden führen. Daran gilt es zu allererst zu arbeitenn nicht an einer staatlich geführten Suizidbeihilfe“, sagte der DHPV-Vorsitzende Winfried Hardinghaus.

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