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Mahnwache für Israel vor dem Kanzleramt.

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Bundestag debattiert Gazakrieg und Antisemitismus: Friedenssuche - in Deutschland und der Welt

Viele fordern eine Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel. Aber kaum eine Macht drängt sich nach der Vermittlerrolle. Was macht die Aufgabe so schwierig?

Der Bundestag hat am Mittwoch über den Gazakrieg debattiert. Die EU, die USA und der UN-Sicherheitsrat beraten seit Tagen über Wege, die Kämpfe zwischen der radikalen palästinensischen Hamas und Israel zu beenden. Nun will Bundesaußenminister Heiko Maas Gespräche mit Israelis und Palästinensern führen. Warum ist Vermittlung so schwierig?

Die Debatte im Bundestag

Ein Grundproblem zeigte sich in der aktuellen Stunde im Bundestag. Keiner der Redner hatte einen Vorschlag, wie man die Hamas und Israel zur Waffenruhe zwingen könne. Es blieb bei Appellen, den Krieg zu beenden und die Zivilbevölkerung zu schützen. Vertreter aller Parteien, auch der Linken und der AfD, betonten Israels Existenzrecht sowie sein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Raketenangriffe.

Alle äußerten Sorge über die antisemitischen Parolen und Ausschreitungen bei Protesten in den vergangenen Tagen in Deutschland. Die Redner der AfD lösten harte Repliken der anderen Parteien aus. Norbert Röttgen (CDU) betonte, es sei unglaubwürdig, wenn die AfD den Antisemitismus beklage, aber ihrerseits muslimischen Einwanderern die Schuld daran gebe und sie als „Sündenböcke“ missbrauche.

Außenminister Heiko Maas (SPD) gab der Hamas die Schuld am Krieg und verurteilte ihren „Raketenterror“ gegen Israels Zivilbevölkerung. Er kritisierte Israels Siedlungsbau in den besetzten Gebieten und die Enteignung arabischer Häuser in Ostjerusalem. Sein Drei-Stufen-Plan – Waffenruhe, direkte Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern Verhandlungen auf Basis der Zwei-Staaten-Lösung – stieß auf Kritik anderer Redner. Für die Linke erwiderte Gregor Gysi, die Raketenangriffe der Hamas richteten sich willkürlich gegen Zivilisten und seien „nicht zu rechtfertigen“, aber sie „erfolgen nicht grundlos“.

Parallel zur Bundestagsdebatte gab es Demonstrationen für die Palästinenser in Berlin.
Parallel zur Bundestagsdebatte gab es Demonstrationen für die Palästinenser in Berlin.

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Johann Wadephul (CDU) und Alexander Lambsdorff (FDP) sprachen sich für die deutsche Rüstungskooperation mit Israel aus und wiesen die Forderung des SPD-Kovorsitzenden Norbert Walter-Borjans zurück, sie an ein Mitspracherecht in Israels Verteidigungspolitik zu knüpfen. Niemand dort warte auf Ratschläge aus Deutschland, dem Urheber des Holocaust, betonten weitere Redner.

Die Europäische Union und Ungarns Veto

Die EU kann sich nicht auf eine Resolution zum Gazakrieg und die Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe einigen. Ungarn legte sein Veto ein und begründete dies mit einer antiisraelischen Grundhaltung in der EU. Für deren Außenpolitik gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Ungarns Veto – in dieser Frage, aber auch gegen chinakritische Resolutionen – befeuert den Streit, ob die EU-Länder in solchen Fällen einen Mehrheitsbeschluss fassen und das Veto-Land öffentlich an den Pranger stellen sollen.

Ein nicht einstimmiger Beschluss wäre freilich nicht bindend. Die EU hat zudem nur Soft Power, darunter ihre milliardenschweren Aufbau- und Förderprogramme. An Hard Power fehlt es ihr. Die wäre nötig, um die Einhaltung der Bedingungen eines Waffenstillstands zu überwachen und durchzusetzen.

Die USA: Präsident Biden laviert

US-Präsident Joe Biden hat die einseitige Parteinahme seines Vorgängers Donald Trump für Israel korrigiert und die Hilfen für Palästinenser reaktiviert. Er spricht sich, anders als Trump, für die Zwei-Staaten-Lösung aus. Nun drängt er Israels Premier Netanjahu zu einer sofortigen „bedeutsamen Deeskalation“.

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Angesichts der vielen politischen Baustellen hat er jedoch wenig Interesse, Zeit und Energie in Vermittlung zu investieren. Er kann wenig gewinnen, riskiert aber eine Ablenkung von innenpolitischen Prioritäten. Zudem drohen ihm Angriffe von zwei Seiten. Die Republikaner werfen ihm vor, er lasse es an Verständnis für Israel fehlen. Vertreter des linken Flügels der Demokraten wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio Cortez ergreifen vehement Partei für die Palästinenser.

So laviert Biden, verhindert einerseits eine Resolution des UN-Sicherheitsrats und betont Israels Recht, sich zu verteidigen. Andererseits telefoniert er mit Benjamin Netanjahu, mahnt ihn, Zivilisten zu schützen und „unterstützt“ den Ruf nach einer Waffenruhe. Er verlangt sie aber nicht ausdrücklich, um Israel etwas Zeit zu lassen, die Raketenvorräte der Hamas, ihre Stellungen und ihr Tunnelsystem im Gazastreifen zu zerstören.

Die Vereinten Nationen: gelähmt

Im Sicherheitsrat der UN haben die USA eine Resolution, die zur sofortigen Waffenruhe auffordert, mit ihrem Veto blockiert. China wirft den USA vor, den Sicherheitsrat zu lähmen. Die USA betonten, sie hätten der Hamas und Israel Hilfe bei der Vermittlung einer Waffenruhe angeboten, sofern beide dies wünschen.

Auch die UN gelten als eine Organisation mit propalästinensischer Grundeinstellung. Zudem können sie Israel, das dort Mitglied ist, mit Sanktionen drohen, nicht aber der Hamas, geschweige denn Wohlverhalten der Hamas erzwingen.

Die Hamas und Israel

Die Hamas und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sind Nutznießer des Kriegs. Die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, will sich als einzige Organisation profilieren, die Israel kämpferisch entgegentritt – gegen die Fatah, die das Westjordanland regiert. Mahmud Abbas, Chef der Autonomiebehörde, hat die palästinensischen Wahlen gerade erneut verschoben aus Angst vor einem Sieg der Hamas. Zuletzt haben die Palästinenser vor 15 Jahren gewählt.

Netanjahu ist kürzlich mit der Regierungsbildung gescheitert. Die Opposition, die nun den Auftrag bekam, braucht dafür ein Bündnis mit Israels Arabern. Das ist angesichts der Eskalation kaum möglich. So rettet der Krieg Netanjahu vor dem drohenden Machtverlust.

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