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"Das bürokratiegewordene Misstrauen ist unverhältnismäßig." Veronika Rücker ist die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). 

© Frank Rumpenhorst/dpa

Bundestag berät Transparenzregister: Vereine fühlen sich kriminalisiert

Die Verschärfung des umstrittenen Registers setzt gemeinnützige Organisationen in Sachen Geldwäsche mit Unternehmen gleich und schafft ein „Bürokratiemonster“

Der Ärger von Vereinen über das bundesweite Transparenzregister hat sich zu einem regelrechten Sturm der Empörung entwickelt. Vor allem, weil Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine weitere Verschärfung des Registers anstrebt, über die im Bundestag am 14. April verhandelt wird. Der Kern ist, dass Vereine beim Thema Geldwäsche wie normale Unternehmen eingestuft werden, was erhebliche bürokratische Auswirkungen hätte. Etliche große Verbände haben jetzt mit einem dem Tagesspiegel vorliegenden Protestbrief ihren Unmut ausgedrückt und vor einem „Bürokratiemonster“ gewarnt, das Vereine überfordert. Die Verbände, die zehntausende Vereine repräsentieren, verweisen in ihrem Schreiben an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf die sowieso erschwerten Arbeitsbedingungen und Mitgliederverluste in der Corona-Krise und warnen davor, die organisierte Zivilgesellschaft gerade jetzt zu schwächen.

Protestbrief der Verbände

Seit Jahresende 2020 werden Vereinen in ganz Deutschland Gebührenbescheide für die Führung des bis dahin weitgehend unbekannten Transparenzregisters zugestellt - mit Hinweis auf das Geldwäschegesetz wird von allen Vereinen die Entrichtung einer Gebühr rückwirkend für die letzten vier Jahre gefordert. „Die demotivierende Wirkung durch das Misstrauen und die unverhältnismäßige Bürokratisierung konterkarieren jegliche Bemühung um eine Anerkennungskultur für bürgerschaftliches Engagement“, schreiben die Vertreter*innen des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB, des deutschen Kulturrats, der Bundesarbeitsgemeinschaften der Freiwilligenagenturen oder des Deutschen Naturschutzrings DNR. Auch das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, der Deutsche Bundesjugendring und  die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sind unter den Unterzeichnern. „Für viele Engagierte ist das ein Affront“, schreiben die Verbände, indirekt in die Nähe einer möglichen Geldwäsche gerückt zu werden. „Gefühlt kommt der Vorgang daher einer Beweislastumkehr gleich.“ Im Protestbrief heißt es weiter, „das bürokratiegewordene Misstrauen ist unverhältnismäßig, wenn man in Betracht zieht, dass über die Hälfte der Vereine in Deutschland Jahreseinnahmen von weniger als 10.000 € haben und die meisten über keine hauptamtlich besetzte Geschäftsstelle verfügen.“ „Es besteht auf Ebene der Vereine und Verbände wenig Verständnis für die Regelungen des Transparenzregisters“, hat auch Jan Holze, Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, festgestellt: „Für sehr viele kamen die Gebührenbescheide vollkommend überraschend."

Handlungszwang durch EU-Vereinheitlichung?

Argumentiert wird im Bundesfinanzministerium beim Register und der geplanten Verschärfung mit einer notwendigen Übernahme von EU-Regelungen. Nach der EU-Geldwäscherichtlinie aus 2015 und der Finanzinformationsrichtlinie aus 2019 sind die Transparenzregister der EU-Mitgliedstaaten bis zum Sommer 2021 miteinander zu vernetzen. Voraussetzung der Vernetzung ist das Vorhandensein einheitliche Datensätze zu den wirtschaftlich Berechtigten bei den Transparenzregistern der EU-Mitgliedstaaten. Dieses einheitliche Datenformat soll mit der Gesetzesnovellierung erreicht werden, die kommenden Mittwoch zur ersten Lesung im Bundestag ansteht. Außer acht wird im Gesetz gelassen, dass Deutschland mit seinen rund 600.000 gemeinnützigen Vereinen ein mit anderen EU-Ländern nicht vergleichbarer Sonderfall ist. Auch die simple Gleichsetzung von gemeinnützigen Vereinen und Wirtschaftsunternehmen als „Kapitalgesellschaften“ mag für die Beamten des Ministeriums bequem sein, geht aber an der Sache vorbei. „Wir befürchten, dass die angestrebte Umwandlung in ein Vollregister mit Meldepflicht (inkl. Geldbußen, wenn die Eintragung schuldhaft versäumt wurde) viele Vereine überfordert und vor allem kriminalisiert“, sagen Vertreter von Verbänden.

Doppeltes Register, doppelte Arbeit

Wir das Gesetz verabschiedet, kommt auf die Vereine viel Arbeit zu. Neben dem Vereinsregister wird ein weiteres Vollregister geschaffen, wobei die Daten nicht aus dem Vereinsregister übernommen werden. Vereine müssen vielmehr in beiden Registern Eintragungen vornehmen und jeweils aktualisieren. „Und das alles, um bei Sportvereinen der Terrorismusfinanzierung entgegenzuwirken und obwohl Vereine bereits in einem öffentlichen Register aufgeführt sind“, empört sich ein Sportfunktionär. Außerdem werden jährliche Gebühren von etwa 18 Euro fällig.

Die geplanten zusätzlichen Meldepflichten erhöhen die bürokratische Mehrbelastung und „gehen an der Realität gemeinnütziger Vereine vorbei“, heißt es im Schreiben an Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Denn die Vereine sind mit ihren rechtlichen Vertreter*innen im Vereinsregister bereits eingetragen und die Einnahmen und Ausgaben werden mindestens alle drei Jahre vom Finanzamt geprüft. Gefordert wird von den Verbänden auch eine automatische Gebührenbefreiung für Vereine, deren Gemeinnützigkeit vom Finanzamt anerkannt wurde.

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