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In den jüdischen Gemeinden - hier ein Bild aus der Neuen Synagoge in Erfurt - stellen Zuwanderer heute einen großen Teil der Mitglieder.

© Martin Schutt/dpa

Bundesregierung setzt Zusagen bisher nicht um: Keine Hilfe für jüdische Zuwanderer im Alter

Jüdischen Zuwanderern müsse ein „Lebensabend in Würde“ ermöglicht werden, fordert der Zentralrat der Juden. Doch auf Unterstützung warten Betroffene noch immer.

Ein „unermessliches Glück für unser Land“ – so bezeichnete der Bundespräsident das jüdische Leben in Deutschland. Dank der Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion sei es wieder neu aufgeblüht, sagte Frank-Walter Steinmeier in einer Rede Anfang des Jahres. Doch die Realität ist für viele der jüdischen Zuwanderer in Deutschland ernüchternd. Jeder Dritte ist im Alter von Armut bedroht. Die Bundesregierung rechnet nach Informationen des Tagesspiegels nicht mehr damit, dass vor Ende ihrer Amtszeit Abhilfe geschaffen werden kann.  

„Der Bundesregierung und den Bundesländern ist es auch in dieser Legislaturperiode leider nicht gelungen, für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion eine angemessene und würdige Altersversorgung zu finden“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, dem Tagesspiegel. Es sei ein „Armutszeugnis“, dass es bisher keine Lösung gebe.

Nach der Wahl müsse sich die neue Regierung dieses Themas schnell annehmen, forderte Schuster. Den Betroffenen müsse ein „Lebensabend in Würde“ ermöglicht werden.

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Ewa 220.000 jüdische „Kontingentflüchtlinge“ aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion kamen zwischen 1991 und 2005 nach Deutschland. Die meisten von ihnen kommen aus Ländern, mit denen Deutschland bisher kein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat. Berufsjahre in der alten Heimat werden deshalb auf ihre Rente nicht angerechnet. Selbst diejenigen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, mussten rentenrechtlich in Deutschland bei null anfangen.

Der Zentralrat der Juden geht davon aus, dass etwa 70.000 jüdische Zuwanderer im Alter auf Grundsicherung angewiesen sind, weil ihre Rente zum Leben nicht reicht.

Jüdische Zuwanderer schlechter gestellt als Spätaussiedler

Für Spätaussiedler, die aus denselben Ländern kommen wie die jüdischen Zuwanderer, hat der Gesetzgeber längst eine Lösung gefunden, ihre Berufsjahre werden angerechnet. Schon die vorige Bundesregierung lehnte es allerdings ab, die jüdischen Zuwanderer im Rentenrecht den Spätaussiedlern gleichzustellen.

Im Koalitionsvertrag verständigten sich Union und SPD vor dreieinhalb Jahren auf eine Fondslösung. Der Fonds war eigentlich für Härtefälle gedacht, die sich aus dem Verlust von in der DDR versprochenen Zusatzrenten ergeben. Nun wollte die Koalition diesen Fonds auch für Spätaussiedler und Kontingentflüchtlinge nutzen. Eine Milliarde Euro will der Bund für alle drei Gruppen bereitstellen, auch die Länder sollen in den Fonds einzahlen.  

Doch diesen Fonds gibt es bis heute nicht. Die Länder fordern offenbar einen größeren finanziellen Beitrag des Bundes. „Der Meinungsbildungsprozess bei den Ländern ist noch nicht abgeschlossen“, heißt es in einem Schreiben aus dem Bundesarbeitsministerium, das dem Tagesspiegel vorliegt. Es sei nicht mehr damit zu rechnen, dass die entsprechende Verwaltungsvereinbarung noch vor dem Ende der Legislaturperiode abgeschlossen werde.

„Scheitern mit Ansage“

„Das war ein Scheitern mit Ansage“, sagt der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck, der sich mit der Initiative „Zedek“ (Gerechtigkeit“) für die Betroffenen einsetzt. „Mit der Festlegung, dass die Länder die Hälfte der Kosten tragen, hat man sich politisch 16 Veto-Rechte eingekauft.“ Für die Grundsicherung im Alter sei aber der Bund zuständig. „So geht man nur vor, wenn der Wille zur Lösung unterausgeprägt ist“, kritisiert Beck, der in einer Anhörung im Bundestag zum Thema als Sachverständiger geladen war.

Fraglich ist auch noch die Höhe der geplanten Zahlung. Im März brachte das Bundesarbeitsministerium einen Betrag von rund 2500 Euro ins Gespräch. Auf eine Rentenbezugszeit von 20 Jahren gerechnet entspräche dies nur etwas mehr als zehn Euro pro Monat, rechnete der Zentralrat der Juden vor. Dies sei „nicht geeignet, von den Begünstigten als Anerkennung und Respekt vor ihrer Lebensleistung wahrgenommen zu werden“, schrieb er in einer Stellungnahme.

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