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Eine Pflegerin schiebt eine ältere Dame im Rollstuhl über einen Flur in einem Seniorenpflegeheim.

© dpa/Holger Hollemann

„Bundesregierung hat den Sommer verschlafen“: Politiker warnen vor Isolation von Heimbewohnern

Politiker von Union und Linken fordern bessere Konzepte für Alten- und Pflegeheime. Ein eingeschränkter Besuchsbetrieb müsse möglich sein.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hat eindringlich vor einer Isolierung von Heimbewohnern in der Phase des zweiten Corona-Shutdowns gewarnt und sich für Kontrollen der Einrichtungen ausgesprochen. „Es ist ganz wichtig, dass wir in diesen schweren Zeiten, Großeltern, Eltern Geschwister und Freunde, die in Heimen betreut werden, nicht vergessen. Ein wenn auch eingeschränkter Besuchsbetrieb muss möglich sein“, sagte Brinkhaus der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Das gelte auch im Hinblick auf die Corona-Schnelltests.

„Die Einrichtungen müssen unterstützt und die Einhaltung dieser Regelungen muss natürlich auch kontrolliert werden“, sagte der CDU-Politiker. „Dafür haben wir in den Ländern und auf kommunaler Ebene gut funktionierende Strukturen, und der Bund wird dazu, soweit möglich, seinen Beitrag leisten.“

Ältere Menschen gelten in der Pandemie als besonders gefährdete Gruppe für schwere Krankheitsverläufe, die Klinikeinlieferungen nötig machen. In der ersten Welle im Frühjahr wurden viele Pflege- und Altenheime mit strikten Besuchsbeschränkungen abgeschottet, um die Bewohner vor Corona-Infektionen zu schützen.

Besuche bei Verwandten in Pflegeheimen sind während des zweiten Lockdowns zwar nicht verboten. Allerdings gelten hier unterschiedliche Regelungen. Bund und Länder haben betont, dass diese nicht zu einer „vollständigen sozialen Isolation“ der Betroffenen führen dürfen. Es soll möglichst bald Corona-Schnelltests für Patienten und Bewohner, Personal und Besucher geben.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein Konzept für soziales Leben in Alten- und Pflegeeinrichtungen. „Die Bundesregierung hat hier den Sommer verschlafen und ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Mich erinnert das an den Anfang der Pandemie, als es kaum Masken und Desinfektionsmittel gab“, sagte Bartsch der Zeitung.

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Seit Monaten werde über Altenheime gesprochen, zu wenig habe sich verbessert. „Wo sind die Millionen Schnelltests? Jens Spahn ist jetzt aufgefordert, den Bewohnerinnen und Bewohnern in Betreuung und ihren Angehörigen einen Plan vorzulegen, wie trotz Pandemie soziales Leben in den Einrichtungen ermöglicht werden kann. Vor - nicht nach Weihnachten.“ Hier stünden allerdings auch die Heime selbst in der Verantwortung.

Die Bundesregierung hatte Ende Oktober mitgeteilt, dass künftig 20 Corona-Schnelltests pro Bewohner und Monat zur Verfügung gestellt werden. Die Testauslieferungen und entsprechende Schulungen würden vorbereitet.

290 Millionen Masken für Pflegeheime

Nach einem Bericht der Zeitungen der Funke Mediengruppe will Spahn 290 Millionen Masken aus Bundesbeständen an Pflegeheime und ambulante Pflegedienste verschicken, um Pflegekräfte und Pflegebedürftige in der Pandemie zu unterstützen. Dem Bericht zufolge sollen die bundesweit rund 33.000 Einrichtungen insgesamt knapp 100.000 Pakete mit jeweils 1.000 FFP2-Masken zum Eigenschutz für das Personal und 2.000 einfachen OP-Masken für die Pflegebedürftigen und ihre Besucher bekommen.

Die Masken-Hilfspakete stammen nach Angaben des Gesundheitsministeriums aus den Beständen der Bundesregierung, die in der ersten Phase der Pandemie angeschafft worden waren. „Die erfolgreichen Beschaffungsanstrengungen eröffnen Spielräume, die ich nutzen möchte, um Pflegeeinrichtungen gezielt und zusätzlich bei der Versorgung mit Schutzmasken zu unterstützen“, heißt es in einem Brief des Ministers an die Pflegeeinrichtungen, der den Zeitungen vorliegt.

[„Wir befinden uns nicht im Ausnahmezustand“, sagt der Verfassungsrechtler Oliver Lepsius. Lesen Sie hier ein Gespräch über die Rechtmäßigkeit der deutschen Corona-Politik.]

Klar sei aber auch, so Spahn, dass es sich dabei nur um eine ergänzende Maßnahme des Bundes handeln könne: Pflegeeinrichtungen und deren Träger müssten sich weiterhin frühzeitig und vorausschauend um die Beschaffung von Schutzausrüstung für die kommenden Monate kümmern.

Weihnachten im Schichtsystem

Die kostenlose Masken-Lieferung für die besonders gefährdeten Menschen in der Pflege ist ab dem 10. November geplant, bis Weihnachten soll jede Einrichtung mindestens ein Paket erhalten. Stationäre Einrichtungen mit mehr als 21 Pflegeplätzen sollen in einer zweiten Lieferwelle bis Ende Januar weitere Pakete bekommen.

Gerade die Weihnachtszeit stellt Pflegeheime vor organisatorische Herausforderungen. Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, hatte Familien dazu geraten, in diesem Jahr Weihnachten „im Schichtsystem“ zu feiern. „Es könnten unterschiedliche Haushalte an unterschiedlichen Tagen miteinander feiern“, sagte er der „Bild“-Zeitung Ende Oktober. Die Menschen sollten die Zahl der Kontakte reduzieren, auch zu Angehörigen. Das Weihnachtsfest müsse man daher möglichst entzerren.

Er rate dazu, lieber mit weniger Menschen und dafür doppelt zu feiern. „Man kann auch mal am 28. Dezember oder sogar noch später Bescherung machen“, sagte Westerfellhaus. Er rate dringend zu gestaffelten Besuchen. Es brauche ein individuelles Besuchermanagement, für das es mittlerweile gute Konzepte gebe. (KNA, dpa, epd)

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