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Nun ist er gefragt: Finanzminister Olaf Scholz legt einen Etat mit Risiken vor.

© Kay Nietfeld/dpa

Bundeshaushalt 2020: Ein Etat, der ächzt und spannt

Finanzminister Olaf Scholz bringt den Bundeshaushalt für 2020 in den Bundestag ein - es war schon einfacher, die schwarze Null zu halten.

Eigentlich ist der Bundesfinanzminister derzeit auf Tournee. Denn Olaf Scholz will SPD-Chef werden. Der Vizekanzler reist daher durch Deutschland, eine Regionalkonferenz seiner Partei reiht sich an die nächste. Am Dienstag aber hat er zwischendurch einen Pflichttermin in Berlin. Im Bundestag beginnt die Debatte über den Bundeshaushalt 2020.

Punkt 10 Uhr beginnt die Debatte. Es wird nicht die zuletzt übliche Einbringungsrede eines Finanzministers sein, die er dann halten muss. Es ist die erste Etatrede seit Jahren, die nicht mehr von Schlaraffenlandverhältnissen ausgehen kann. Scholz stellt einen Etatentwurf vor, der ächzt und spannt. Was er sagt, wird unter den Sozialdemokraten noch stärker wahrgenommen werden als sonst. Denn die Haushaltsrede ist zwangsläufig auch eine weitere Bewerbungsrede im SPD-Führungswettbewerb.
Die Opposition freut sich schon darauf. Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler von den Grünen erwartet ohnehin wieder mehr Spannung in der Debatte. „Die Zeit der Überschüsse ist vorbei“, sagte er dem Tagesspiegel mit Blick darauf, dass der Bund seit 2014 jedes Jahr mehr einnahm als er ausgeben konnte.

„Die wirtschaftlichen Risiken werden nicht geringer, wir sehen möglicherweise mehr als nur eine kleine Wachstumsdelle.“ Die Koalition lege zudem einen Haushaltsentwurf vor, in dem wesentliche Projekte gar nicht vorkämen. „Weder ist irgendetwas aus dem Klimapaket finanziert, das nun am 20. September beschlossen werden soll, noch gibt es eine Vorsorge für die Grundrente. An allen Ecken und Enden fehlt der Koalition das Geld.“ Auch der FDP-Haushälter Otto Fricke ist sicher: „Die Beratungen werden aufregender als zuletzt.“

Das Volumen 2020: 360 Milliarden Euro

Knapp 360 Milliarden Euro sollen die Bundesministerien im kommenden Jahr ausgeben dürfen. Das Plus gegenüber dem Soll für 2019 ist mit einem Prozent weitaus geringer als in den Jahren davor. Um zusammen gut 33 Milliarden Euro mussten die Einnahmeerwartungen für die Jahre 2020 bis 2022 gegenüber den früheren Planungen schon nach unten korrigiert werden.

Das entspricht, um einen Vergleich zu haben, ungefähr dem Gesamtetat von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) in diesem Zeitraum. Oder dem, was Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) allein in diesem Jahr insgesamt zur Verfügung steht. Die Regierung hatte ihre Wachstumserwartungen im Frühjahr massiv gesenkt – auf nur noch 0,5 Prozent für das laufende Jahr, was sich auf die folgenden Jahre auswirkt. Die Haushaltsaufstellung in den Ressorts war daher eine harte Sparrunde, jedenfalls gemessen an den Erwartungen, welche die Minister und die Fachpolitiker im Bundestag bis dahin gehabt hatten. 2020 liegt die Bremswirkung der geringeren Einnahmen bei 6,8 Milliarden Euro – statt 333,8 Milliarden, wie noch zu Jahresanfang angenommen, werden die Steuereinnahmen nur noch 327 Milliarden Euro ausmachen.

Zu optimistisch kalkuliert?

Aber möglicherweise ist das viel zu optimistisch kalkuliert. Denn mitten in die Haushaltsberatungen im Bundestag, die bis zum 29. November laufen werden, wird ein Termin platzen, der „einiges über den Haufen werfen kann“, wie Kindler sagt. Es ist die offizielle Steuerschätzung. Die Fachleute, die diese Prognose erarbeiten, treffen sich am 28. Oktober in Stuttgart. Dann wird das Wachstum im dritten Quartal schon bekannt sein. Im zweiten Quartal lag es um 0,1 Prozent niedriger als in den drei Monaten davor – der Einstieg in eine Rezession? Ein weiteres Schrumpfen im Rest des Jahres würde in jedem Fall die Prognose der Regierung von 0,5 Prozent obsolet machen. Der Entwurf für 2020 müsste entsprechend angepasst werden. Fricke erwartet das schon. „Fast alle Daten deuten darauf hin, dass die Wachstumsannahme, auf der der Haushaltsentwurf für 2020 geplant wurde, nicht eintreten wird“, sagte er dem Tagesspiegel. Schon jetzt sinkende Einnahmen bei der Körperschaft- und Kapitalertragsteuer seien ein Indiz für einen wirtschaftlichen Wendepunkt. Die Lohn- und Einkommensteuern ziehen erfahrungsgemäß mit Zeitverzögerung nach. „Ob die Koalition darauf vorbereitet ist, wird sich zeigen. Vielleicht kommen Union und SPD mit Blick auf 2020 noch einmal miteinander klar“, meint Fricke, „aber die Einnahmen werden im kommenden Jahr zweifellos geringer ausfallen als bisher eingeplant.“

Debatte über schwarze Null

Damit wird die Debatte über die schwarze Null noch mehr an Fahrt gewinnen. Zwar könnte Scholz, falls der Etatausgleich anders nicht gelingt, auch die 30-Milliarden-Rücklage stärker anzapfen, die sich in den guten Jahren angesammelt hat. Aber dann hätte er in den Folgejahren weniger aus diesem Topf. „Es ist unklar, ob die Koalition den Fetisch der schwarze Null überhaupt halten kann, wenn die Steuerschätzung Anfang November schwach ausfällt“, glaubt der Grüne Kindler. Zudem fehlt, wenn Scholz den Etat ins Parlament einbringt, der wichtige Baustein des Klimapakets. Die Koalition will hier ehrgeizig sein, die Ausgabenerwartungen der Ministerien summieren sich auf 40 bis 50 Milliarden Euro über die kommenden Jahre. Hier aber sei noch „viel zu wenig erkennbar“, betont Kindler.

Erste Maßnahmen, die Geld kosten, könnten jedoch durchaus schon 2020 haushaltswirksam werden, je nachdem, wie das Klimapaket von Union und SPD geschnürt wird. Fricke blickt schon einmal weiter voraus. „Noch größere Risiken tun sich ab 2021 auf, dann werden die zu erwartenden Beschlüsse aus dem Klimagipfel der Koalition erst richtig wirksam werden.“

Die Folgen des Beschlusses vom 20. September würden sich haushaltspolitisch spürbar erst nach 2020 offenbaren. Was aber bedeuten würde, dass Scholz seine Etatplanung eigentlich anpassen müsste – und auch die ist eng gestrickt. Die Empfehlung des FDP-Politikers für den Fall, dass der Etatentwurf in den Beratungen von der Koalition korrigiert werden muss: „Geht an die Ausgaben ran, geht an die Subventionen ran und streicht sinnlose Investitionen – etwa das Baukindergeld, das nur die Häuser teurer macht.“

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