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Eine neue Bundesgesellschaft soll sich um die Autobahnen kümmern.

© picture alliance / dpa

Bundesautobahngesellschaft: Will die Bundesregierung die Schuldenbremse umgehen?

Die von Bund und Ländern vereinbarte Infrastrukturgesellschaft stößt auf Kritik. Sie macht Schulden außerhalb des Etats möglich. Soll sie zudem mehr Privatisierung im Straßenbau ermöglichen?

Will sich die Bundesregierung an der Schuldenbremse und der Einhaltung der Euro-Stabilitätskriterien vorbeimogeln? Es ist vorerst nur ein Verdacht. Aber die Formulierungen zur geplanten Infrastrukturgesellschaft des Bundes, auch Bundesautobahngesellschaft genannt, die sich im Beschluss zum Finanzausgleich und anderen Vorhaben von Bund und Ländern aus der Vorwoche finden, lassen die Einschätzung zu, dass der Verdacht nicht ganz unbegründet ist. Denn der Text lässt eine Hintertür offen, diese Gesellschaft zu privatisieren und sie auch fern der Kontrolle des Parlaments anzusiedeln.
In einem Gegengeschäft zur Zustimmung des Bundes zum Finanzausgleichsmodell der Länder akzeptierten die Ministerpräsidenten die seit längerem debattierte Gründung der Infrastrukturgesellschaft, ein Projekt von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Die Verkehrsminister der Länder waren von der Idee zwar wenig begeistert, aber kamen dem Bund im Frühjahr schon entgegen. Und nun haben die Ministerpräsidenten ihren Segen gegeben. In die Gesellschaft sollen die Autobahnen eingebracht werden und auch die Bundesstraßen, es sei denn, ein Land will diese weiterhin selber verwalten (also die Planung, den Bau und den Erhalt selber übernehmen). Die Bundesfernstraßen sind bisher im Rahmen der so genannten Auftragsverwaltung des Bundes in der Obhut der Länder, der Bund übernimmt die Kosten. Nun will der Bund selber ran – geplant ist, der Gesellschaft neben den Straßenbaumitteln aus dem Bundesetat auch die Einnahmen aus der Lkw-Maut zu überlassen. Künftig könnte, sollte eine Pkw-Maut kommen, auch dieses Geld an die Bundesgesellschaft fließen. Hintergrund ist, beim Straßenbau von der Steuer- auf eine Nutzerfinanzierung umzulenken.

Privatrechtlich organisiert

Im Bund Länder-Papier ist festgehalten, dass die Gesellschaft privatrechtlich organisiert wird, „unter staatlicher Regelung“. Weil es im Bundestag Vorbehalte gegen eine Privatisierung der Bundesfernstraßen gibt, wurde zusätzlich vereinbart, dass im Grundgesetz „das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen“ festgeschrieben wird. Entsprechend soll der Artikel 90 der Verfassung geändert werden. Doch es dürfte in den nächsten Wochen über diese Verfassungsänderung noch heftigen Streit geben. Denn einer Privatisierungspolitik ist keineswegs der Riegel vorgeschoben, und auch nicht der Möglichkeit, Schuldenpolitik vorbei am Bundeshaushalt und damit an den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse und dem Maastricht-Vertrag der EU zu machen. Dafür müsste die Gesellschaft als öffentlich-rechtliche Institution, also als staatliche Einrichtung, gegründet werden, vor allem aber auch das Eigentum des Bundes an der Gesellschaft im Grundgesetz als "unveräußerlich" festgeschrieben werden. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven- Christian Kindler spricht von zwei "Privatisierungsfallen" und wirft der Bundesregierung einen „üblen Trick“ vor. Werde nicht auch das Bundeseigentum an der Gesellschaft verfassungsfest gemacht, dann sei es möglich, „dass das Eigentum an dieser Gesellschaft trotzdem nach ein paar Jahren an private Investoren verkauft werden kann“, sagte Kindler dem Tagesspiegel. Zudem plane das Bundesfinanzministerium, „dass die Infrastrukturgesellschaft keine Staatsgarantie erhält und sich am Kapitalmarkt verschulden darf“. Das würde zu deutlich höheren Zinsen erfolgen als beim Bund, so Kindler. "Das wäre eine versteckte Privatisierung und ein Milliardengeschenk für Versicherungskonzerne und Großbanken.“ Der Grüne wirft Schäuble vor, die Schuldenbremse umgehen zu wollen.

Auch künftig Kredite für Straßenbau

Kritik kommt auch von dem Rechtsprofessor Georg Hermes von der Universität Frankfurt am Main. Der vermutet als Motiv für das Vorgehen des Bundes, dass er Erhalt und Ausbau von Fernstraßen auch künftig in größerem Umfang über Kredite finanzieren will, ohne dass diese aber unter die Vorgaben der Maastricht-Kriterien fallen – also unter die Vorgabe, dass die jährliche Neuverschuldung nicht höher als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sein darf und insgesamt 60 Prozent des BIP nicht überschreitet. Die deutsche Schuldenbremse ist noch strenger und schränkt die Verschuldungsmöglichkeit noch stärker ein. In einem Gutachten für das baden-württembergische Verkehrsministerium hat Hermes schon vor einiger Zeit (auf Basis eines ersten, informellen Formulierungsvorschlags für die Grundgesetzänderung) geurteilt, dass sich der Bund mit der Infrastrukturgesellschaft „sehr weitreichende Gestaltungs- und Privatisierungsbefugnisse“ einräume. "Denkbar ist, dass eine vom Bund betraute Gesellschaft die Aufgaben an Private etwa in Form von ÖPP-Gestaltungen weiter delegiert“, heißt es dort. ÖPP steht für öffentlich-private Partnerschaften. Laut Hermes wäre es auch möglich, dass der Bund die Planung, den Ausbau, den Betrieb und die Finanzierung von Straßenprojekten komplett an Privatfirmen überträgt, auch wenn rein rechtlich der Staat Eigentümer der Straßen bleibt. Kindler verweist auf das österreichische Beispiel: Die dortige Autobahngesellschaft Asfinag zeige, "welch hohes Verschuldungspotenzial solch eine Institution hat – außerhalb des regulären Haushalts“.

SPD-Fraktion hat Bedenken

Auch in der SPD-Bundestagsfraktion gibt es die Forderung, über die Formulierung im Bund-Länder-Papier hinauszugehen. „Wenn es zur Grundgesetzänderung kommen soll, muss der Eigentumsanspruch des Bundes an seinen Fernstraßen und der Infrastrukturgesellschaft fest verankert werden“, fordert der Verkehrspolitiker Sebastian Hartmann. Er will auch, dass die Gesellschaft staatlich ist, am besten als Anstalt öffentlichen Rechts. Das fordert auch Kindler. Bei einer privatrechtlichen Organisation "wäre die demokratische Kontrolle der Gesellschaft massiv eingeschränkt. Die Informationslage für den Bundestag wäre dann ähnlich miserabel wie jetzt bei der Deutschen Bahn." Auch der thüringische Ministerpräsident Ramelow (Linke) hat in einer Protokollerklärung zum Bund-Länder-Papier die grundgesetzliche Verankerung des Bundeseigentums der Gesellschaft gefordert und eine Prüfung verlangt, ob die Gesellschaft auch öffentlich-rechtlich organisiert werden kann. Die Länderchefs beraten sich dazu nochmals bei ihrem Treffen in der kommenden Woche in Rostock.

Zumindest Schäuble lehnt die weitergehende Grundgesetzänderung offenbar ab. Aus dem Finanzministerium hieß es am Donnerstag, man wolle eine Festschreibung des Bundeseigentums an der Gesellschaft nur „einfachgesetzlich“ – will heißen: eine Mehrheit des Bundestages könnte das ohne Zustimmung des Bundesrates jederzeit ändern. Das Verkehrsministerium teilte mit, es plane keine Möglichkeit zur Veräußerung von Anteilen an der Bundesautobahngesellschaft. Diese solle aber die Möglichkeit haben, "für einzelne Projekte im Rahmen der Wirtschaftlichkeit ÖPP-Verträge zu vergeben und Investoren daran zu beteiligen". Die Infrastruktur bleibe im Eigentum des Bundes. "Eine Privatisierung der Bundesfernstraßen ist nicht vorgesehen." Und der Gesellschaft? Ein bisschen klarer äußerte sich das Gabriel-Ressort: Die konkrete Ausgestaltung der Einigung mit den Ländern werde nun beraten. "Die Position des Ministers dabei ist klar: Es wird weder eine Privatisierung von Straßen noch der Bundesfernstraßengesellschaft geben", hieß es. Aber steht das dann auch im Grundgesetz?

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