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Werden die Strände noch voller, wenn Urlaubsansprüche nicht mehr automatisch verfallen?

© Stefan Sauer/ZB/dpa

Bundesarbeitsgericht: Urlaub für immer?

Die Grundsatzentscheidung der höchsten deutschen Arbeitsrichter lässt viele Fragen offen. Eine Glosse.

Eine Glosse von Til Knipper

Deutsche Urlauber genießen weltweit nicht den allerbesten Ruf. Die Stichworte Socken in Sandalen, Handtücher auf Liegestühlen und Saufen aus Eimern mögen an dieser Stelle als Begründung genügen. Aber heißt das nun, dass die gestrige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt eine schlechte Nachricht für die Welt ist? Die Richter in Erfurt haben entschieden, dass deutsche Arbeitnehmer jetzt prüfen können, „ob sie vielleicht doch noch Anspruch auf Urlaub haben, von dem sie dachten, er sei verfallen“. Ein Satz, wie ihn wohl auch nur Vertreter der deutschen Justiz formulieren können.

Geklagt hatte im konkreten Fall ein Wissenschaftler in Bayern, der 51 Tage Urlaub aus mehreren Jahren bezahlt haben möchte, den er bis zum Ende seines Arbeitsvertrages nicht mehr genommen hatte. Wenig konkret fiel leider die Grundsatzentscheidung des Gerichts aus. Die Richter legten lediglich fest, dass Arbeitgeber ihre Angestellten „klar und rechtzeitig“ auf nicht genommenen Urlaub hinweisen müssen, trafen aber keine Entscheidung dazu, wann und wie ein solcher Hinweis rechtzeitig kommt. „Dieser Punkt wird die Rechtsprechung in Zukunft sicher noch beschäftigen“, sagte ein Sprecher des Gerichts. Zusätzlich ließen die Richter auch offen, ob der Urlaubsanspruch verjähren kann.

Sinn und Zweck des Urlaubs bleibt die Erholung

Touristenziele weltweit, deutsche Arbeitgeber und die Arbeitsgerichte müssen also abwarten, wie viele deutsche Arbeitnehmer verfallen geglaubte Urlaubstage, möglicherweise über Jahrzehnte rückwirkend geltend machen werden. Kommt es zu einer neuen Art der Frühverrentung? Gibt es eine drastische Verschärfung des Fachkräftemangels in Deutschland? Müssen infolgedessen die Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft noch weiter nach unten korrigiert werden? Oder könnte auf diese Weise Deutschlands Handelsüberschuss ausgeglichen und US-Präsident Donald Trump gar von Zollerhebungen abgehalten werden?

Wahrscheinlich ist das nicht. Sinn und Zweck des Urlaubs ist, dass er der Erholung der Arbeitnehmer dient. Deswegen soll er grundsätzlich in dem Jahr genommen werden, in dem der Urlaubsanspruch entsteht, allerspätestens bis zum 31. März des Folgejahres. So ist es auch im Bundesurlaubsgesetz geregelt.

Sollte es jedoch wider Erwarten zu einer Urlaubsantragswelle kommen, stehen die Verlierer jetzt schon fest: Auf die Mitarbeiter in den Personalabteilungen deutscher Unternehmen kommt dann jede Menge Arbeit zu. Erledigen lässt die sich wohl nur, wenn man bei ihnen eine Urlaubssperre verhängt.

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