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Jürgen Trittin präsentierte am Montag in Berlin sein neues Buch.

© dpa

Buchvorstellung: Luxus-Opposition trifft Dauermacht

Jürgen Trittin hat ein Buch geschrieben, „Stillstand made in Germany“. SPD-Chef Sigmar Gabriel, ein Duzfreund aus niedersächsischen Zeiten, stellt es vor - die Thesen des Grünen will er dabei nicht unwidersprochen hinnehmen.

Von Robert Birnbaum

Es ist ein trauriger Ort, und die beiden da vorne sind wahrscheinlich ein trauriges Paar, was man aber nicht sehen kann, weil in dem langen, schmalen Raum fünf Fernsehkameras die Sicht auf die kleine Bühne komplett verstellen. Jürgen Trittin hat ein Buch geschrieben, „Stillstand made in Germany“. Sigmar Gabriel stellt es vor. Das ist eine nette Geste unter alten niedersächsischen Duzfreunden. Es könnte sogar eine rot-grüne Demonstration werden von SPD-Chef zu Ex-Obergrünem, gäbe es da nicht ein Problem. Der Stillstand, den Trittin meint, heißt große Koalition.

Gabriel versucht es kurz mit Humor – „Sozialdemokraten provozieren ist Jürgen Trittins nebenberufliche Lieblingstätigkeit“ –, aber es gibt einfach zu viel in diesem Buch, das der SPD-Chef nicht auf sich sitzen lassen kann. Dass die SPD sich in den Koalitionssondierungen „zum Nulltarif“ an Angela Merkel verkauft habe, zum Beispiel, anders als die Grünen. „Ich finde, das ist unter deinem Niveau“, rügt Gabriel. Dass in der Klimapolitik der komplette Stillstand herrsche und gegen die nächste Blase am Finanzmarkt auch nichts unternommen werde, mag der SPD-Chef nicht unwidersprochen hinnehmen, wobei er gleich auch noch der Frau Merkel bescheinigt, sich für mehr Klimaschutz einzusetzen.

Dass Trittin immer noch leise das Lied vom Steuererhöhen summt, passt Gabriel schon gar nicht: „Egal was man von Steuererhöhungen hält – in absehbarer Zeit wird es dafür keine Mehrheit geben.“

Damit könnte er recht haben. Kommen wir also zum traurigen Teil.

Der findet seinen Grund auf den letzten Seiten des Buches. Trittin spielt dort durch, wie es um künftige Mehrheiten steht. Das Ergebnis freut ihn nicht: Weil die Linke alles tue, um Rot- Rot-Grün unrealistisch zu machen, und weil der Aufstieg der „Alternative für Deutschland“ Mehrheiten gegen die Union ohnehin unwahrscheinlich werden lasse, drohe die CDU ein „Dauer-Abo auf die Macht“ zu kriegen. Und die Grünen könnten dann sehr schnell in den Zustand einer bloßen „Luxusopposition“ hineinrutschen.

Mathematisch ist das so weit korrekt, das muss auch Gabriel zugeben: Das Erstarken der AfD mache es der Frau Merkel leichter, „dass nicht gegen sie regiert werden kann“. Wie sich daran etwas ändern ließe, außer dass die Linke womöglich demnächst außenpolitische Vernunft annimmt? Gabriel versucht es noch mal mit Humor. Was Trittin als Politiker in Zukunft eigentlich noch zustande bringen könne, fragt jemand. „Was ich glaube, was Jürgen Trittin kann? Alles!“ Auch Kanzler? „Er hat sich halt gegen die deutsche Sozialdemokratie entschieden“, behauptet Gabriel, „sonst wäre auch das drin.“ Man sähe jetzt gerne die Gesichter hinter den Kameras: Es waren zwei Königskinder ...

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