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CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist alarmiert - es geht um mehr als 86 Cent

© imago images/Political-Moments

Update

Bröckelt die Brandmauer gegen die AfD?: Das 86-Cent-Problem der CDU-Chefin

Mit den Stimmen der AfD könnte die CDU in Sachsen-Anhalt die Erhöhung des Rundfunkbeitrags kippen. Doch bei dem Konflikt geht es um viel mehr.

Annegret Kramp-Karrenbauer hat das Dilemma der CDU im Umgang mit der AfD so beschrieben: „Da wird zum Beispiel gefragt: Wenn wir einen Antrag im Stadtrat haben und die AfD stimmt mit, ohne unser Zutun – muss ich den zurückziehen?“ Damit würde man der AfD aber ein Instrument in die Hand geben, andere Parteien ständig vorzuführen, glaubt die CDU-Chefin. „Wir suchen und unterstützen keine Zusammenarbeit mit der AfD. Aber wir lassen uns unsere Anträge auch nicht durch so ein Verhalten der AfD kaputtmachen“, sagte sie im Oktober dem Tagesspiegel. „Die Brandmauer gegen die AfD ist extrem wichtig.“

Zur aktuellen Zuspitzung in Magdeburg schweigt sie öffentlich bisher, doch es wird intensiv bereits nach Auswegen gesucht, denn die Brandmauer droht hier wieder zu bröckeln. Anfang des Jahres hatte der FDP-Politiker Thomas Kemmerich für nationale Aufregung gesorgt, als er sich unter mit Stimmen der CDU, FDP und der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen ließ. Geschieht in Sachsen-Anhalt nun Ähnliches?

In jedem Fall wird die Koalition aus CDU, SPD und Grünen gerade erheblich auf die Probe gestellt. Das Problem: Zum 1. Januar soll in Deutschland der Rundfunkbeitrag, der an die öffentlich-rechtlichen Sender fließt, um 86 Cent auf dann 18,36 Euro pro Monat steigen.

Verstoßen SPD und Grüne gegen Koalitionsvertrag?

Damit das auch tatsächlich geschieht, müssen alle Länderparlamente in Deutschland der Änderung im Staatsvertrag zustimmen. Ist nur ein Bundesland anderer Meinung, kippt die geplante Erhöhung (ARD und ZDF könnten dann vor das Bundesverfassungsgericht ziehen). Bis auf Thüringen und Sachsen-Anhalt haben alle Länder bereits für die Erhöhung gestimmt.

Die Koalitionspartner in Sachsen-Anhalt, Grüne und SPD, attackieren nun die CDU-Fraktion, die sich gegen die Beitragserhöhung stellt. Die Fraktion verweist dabei aber auf den Koalitionsvertrag, wo auf Seite 136 steht: „Bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks halten wir am Ziel der Beitragsstabilität fest.“

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Der von Kramp-Karrenbauer für einen Stadtrat beschriebene Fall wird nun auf einer höheren politischen Ebene zum gewaltigen Problem. Am 15. Dezember steht die Abstimmung über die monatliche Erhöhung um 86 Cent an. Die CDU-Fraktion (30 Sitze) will diese gegen den Willen ihres Ministerpräsidenten Reiner Haseloff verhindern. Da die AfD (21 Sitze) auch einer Ablehnung zustimmen will, könnte man gemeinsam die Beitragserhöhung im Landtag (87 Sitze) vorerst kippen. Das könnte aber das vorzeitige Ende der ersten Kenia-Koalition von CDU, SPD und Grünen bedeuten – vordergründig wegen 86 Cent.

Sind die "Öffentlichen" zu westdeutsch?

Doch hinter diesem Streit stehen eben auch mehrere Grundsatzfragen. So argumentiert die CDU in Sachsen-Anhalt auch mit einer zu westdeutschen Ausrichtung der „Öffentlichen“. Zugleich gibt es dort Abgeordnete, die einen lockereren Umgang mit der AfD wollen. Am 6. Juni 2021 wird ohnehin ein neuer Landtag gewählt, danach könnten sich diese Frage mit noch größerer Wucht stellen.

Ministerpräsident Reiner Haseloff will die Beitragserhöhung, seine Fraktion nicht.
Ministerpräsident Reiner Haseloff will die Beitragserhöhung, seine Fraktion nicht.

© dpa

Es tauchen für die CDU immer wieder neue Probleme auf, die „Brandmauer“ zu halten. Gerade in Ostdeutschland, wo die AfD große Wahlerfolge erringen konnte. Die Debatte erinnert an den Fall Thüringen mit der Wahl Kemmerichs zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten. Fehlgeschlagene Vermittlungsversuche führten dann zur Rücktrittsankündigung von Kramp-Karrenbauer, die aber wegen des coronabedingt verschobenen Parteitags immer noch im Amt ist.

Nun kann man im Fall von Sachsen-Anhalt argumentieren, dass der seit 2015 unveränderte Beitrag von 17,50 Euro schon inflationsbereinigt leicht angehoben werden müsste. Damit werden mehr als 20 Sender sowie Dutzende Radio- und Online-Angebote finanziert, gerade in der Coronakrise ist laut Umfragen das Ansehen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks mit den tragenden Säulen ARD, ZDF und Deutschlandfunk gestiegen.

Fordert ein "Machtwort" der CDU-Chefin: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil
Fordert ein "Machtwort" der CDU-Chefin: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil

© dpa

SPD und Grüne wollen der Beitragserhöhung zustimmen. Sind sie es nicht, die den Koalitionsvertrag brechen? SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil weist das auf Tagesspiegel-Anfrage zurück: „Alle 16 Bundesländer haben einen Kompromiss gefunden, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk gestärkt werden kann. Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Haseloff hat diesen Kompromiss mit verhandelt.“

Dass sich die CDU dort nun gegen ihren eigenen Ministerpräsidenten stelle und gemeinsam mit der AfD neue Mehrheiten suche, stehe für einen absoluten Dammbruch. „Die CDU muss sich in den kommenden Tagen entscheiden, ob sie am demokratischen Grundkonsens festhält, dass man mit Nazis nicht zusammenarbeitet. Dass die Bundesspitze dazu schweigt, ist kein gutes Zeichen.“

Stahlknecht will Ablehnung durchziehen

CDU-Landeschef Holger Stahlknecht will an der Ablehnung festhalten. „Es gibt einen Fraktionsbeschluss, der in der Sache begründet ist“, sagte er dem „Spiegel“. In den Medien sei der Osten jahrelang nicht genug gewürdigt worden. „Dazu kommt die Coronakrise. Da müssen alle den Gürtel enger schnallen.“

Der medienpolitische Sprecher Markus Kurze, betonte, die CDU in Sachsen-Anhalt habe ihre Programmatik zur Beitragsstabilität und Bezahlbarkeit seit zehn Jahren in Wahlprogrammen und Koalitionsverträgen. „Vor zehn Jahren gab es noch keine AfD. Wir machen unsere eigene Politik, das darf man nicht verknüpfen.“

Kurz vor der wegweisenden Abstimmung des Medienausschusses über das Veto Sachsen-Anhalts hat Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ein Sondertreffen der Koalition anberaumt. Er lud die Spitzenvertreter von CDU, SPD und Grünen für Dienstag zu einem Koalitionsausschuss ein. Einziges Thema dürfte die vertrackte Lage vor den wichtigen Abstimmungen zu einem Staatsvertrag samt Beitragserhöhung sein.

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