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Der britische Premier Boris Johnson kommt an diesem Mittwoch zum Antrittsbesuch nach Berlin.

© AFP

Britischer Premier kommt nach Berlin: Merkel darf sich nicht auf Johnsons Spiel einlassen

Der britische Premier Johnson dürfte in Berlin die Verhandlungsbereitschaft der Kanzlerin testen. Aber Merkel sollte beim Brexit nicht nachgeben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Über Boris Johnson heißt es gelegentlich, dass er den EU-Ausstieg seines Landes völlig planlos vorantreibe. Das ist insofern falsch, als dass der britische Premierminister sehr wohl eine Strategie für den Brexit hat.

Sie lautet: Erst die eigenen Landsleute auf einen Ausstieg am 31. Oktober auf Biegen und Brechen einschwören, dann bei den Verhandlungen mit der EU das Unmögliche verlangen – und am Ende, wenn ein ungeregelter Brexit unvermeidlich wird, den verbleibenden 27 EU-Staaten die Schuld am ökonomischen Desaster geben.

An diesem Mittwoch, wenn Johnson zum Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet wird, dürfte der neue Hausherr in der Downing Street voraussichtlich noch einmal das ganze Arsenal seiner Verhandlungsstrategie auffahren. Vermutlich wird Johnson bei der Kanzlerin noch einmal testen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, den Austrittsvertrag noch einmal aufzuschnüren.

Aus Johnsons Sicht muss die Nordirland-Regelung weg, die zuvor von Johnsons Vorgängerin Theresa May und der EU in 18-monatigen Verhandlungen ausgetüftelt worden war. Dieser sogenannte Backstop besagt, dass Nordirland bis auf Weiteres im EU-Binnenmarkt bleibt, damit eine harte Grenze im Norden der irischen Insel vermieden werden kann.

Johnson kann keine echte Alternative bieten

Die Brexit-Hardliner wittern darin eine dauerhafte Unterwerfung unter die EU. Allerdings hat Johnson auch in seinem jüngsten Vorstoß keine Antwort auf die Frage gegeben, wie eine praktikable Alternative zum Backstop aussehen könnte, mit der einerseits die Wiederaufrichtung von Schlagbäumen zwischen Nordirland und der Republik Irland verhindert und andererseits die Zollaußengrenze der EU überwacht werden kann.

Aus diesem Grund wird Merkel gut daran tun, den Gast aus London höflich, aber bestimmt auf die Vergeblichkeit seiner Bemühungen zu einer Neufassung des seit Ende letzten Jahres vorliegenden Deals hinzuweisen. Schon in der Vergangenheit hat die Kanzlerin betont, dass das bestehende Scheidungsabkommen zwischen der EU und London nicht angetastet werden kann.

Deshalb müsste es den Brexiteers in London eigentlich klar sein, dass sie einer Illusion anhängen, wenn sie beim Brexit auf ein Einknicken der Kanzlerin hoffen.

Die Bundesregierung darf sich nicht ins Bockshorn jagen lassen

Auch wenn Deutschland unter den verbleibenden 27 EU-Staaten von einem ungeregelten Austritt wirtschaftlich besonders in Mitleidenschaft gezogen würde, gibt es keinen Grund für die Bundesregierung, sich von Johnsons No-Deal-Drohung ins Bockshorn jagen zu lassen.

Zwar haben sich im vergangenen Frühjahr, als es um die Verlängerung der damals gültigen Brexit-Frist ging, Differenzen zwischen Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron aufgetan: Während Merkel für mehr Entgegenkommen gegenüber den Briten plädierte, schien die Geduld Macrons angesichts des ewigen Brexit-Gezerres schon damals erschöpft. Allerdings dürfen derartige Unterschiede in der Verhandlungsführung zwischen Berlin und Paris nicht dazu führen, dass Johnson einen Keil in die EU treiben kann.

Ohnehin ist es in erster Linie Großbritannien, das die negativen Folgen eines ungeordneten Ausscheidens zu tragen hätte. Zu dieser Einsicht dürften umso mehr Briten kommen, je näher der gegenwärtige Austrittstermin am 31. Oktober rückt. Und wenn ein Populist wie Johnson erst einmal den Rückhalt in der Bevölkerung verliert, taugt auch seine Brexit-Strategie nichts mehr.

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