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Die mutmaßlichen Geheimdienstoffiziere Alexander Petrow und Ruslan Boschirow gelten als Hauptverdächtige im Fall Skripal.

© dpa

Britische Studie: London – ein Hort für russische Agenten

Das Ausmaß der russischen Spionage in London ist laut einer Studie des neokonservativen britischen Think Tank Henry Jackson Society riesig.

Ende der 1990er Jahre war Alexander Litwinenko für die interne Untersuchung korrupter Praktiken im Föderalen Sicherheitsdienst der Russischen Föderation (FSB) verantwortlich. Nachdem Litwinenko bei seinen Vorgesetzten in Ungnade gefallen war, wurde er verhaftet, gelangte jedoch aus Russland über die Türkei nach Großbritannien, wo er politisches Asyl erhielt. Dort wurde er mit Polonium vergiftet. Die Umstände dieses Mordes wurden nicht vollständig aufgeklärt, doch für viele Beobachter ist der FSB nach wie vor der Hauptverdächtige.

Anfang März 2018 fielen dann Sergej Skripal, ein ehemaliger russischer GRU-Offizier sowie Doppelagent für die Briten, und seine Tochter einem Giftanschlag zum Opfer, der dem Fall Litwinenko ähnelte. Skripal hatte zuvor maßgeblich dazu beigetragen, eine bedeutende Anzahl russischer Spitzel zu enttarnen, die vor allem in Europa tätig gewesen waren.

Inzwischen werden zwei russische Staatsangehörige mit den Namen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow als Hauptverdächtige im Fall Skripal genannt. Es wird angenommen, dass es sich bei ihnen um Offiziere des russischen Militärgeheimdienstes handelt.

Laut einer Studie sind die beiden bei weitem nicht die einzigen russischen Agenten in Großbritannien: London sei zu einem Hort für Spione geworden, so ein neuer Bericht, der von der Henry Jackson Society, einem Think-Tank mit Sitz in Großbritannien, veröffentlicht wurde. Die Studie basiere auf Informationen von Dissidenten, Überläufern und Geheimdienstquellen, teilte die neokonservative Organisation mit.

Während diese Agenten aktuell vor allem wegen der Skripal-Vergiftung in den Schlagzeilen stünden, seien sie nicht nur an Attentaten beteiligt: Sie seien stattdessen vielseitig tätig und damit „Teil eines breiten und bösartigen Vorhabens, unsere Gesellschaft zu untergraben. Die Bedrohung, die sie darstellen, reicht in ein dunkleres Zeitalter zurück“, glaubt Andrew Foxall, Direktor des Forschungszentrums Russland und Eurasien der Henry Jackson Society.

Der Studie zufolge gibt es im Vereinigten Königreich 200 russische „Case Officers“, die bis zu 500 Agenten koordinieren. Dies würde einer Verfünffachung gegenüber 2010 entsprechen.

„Die russische Botschaft in Kensington unterhält derzeit 56 Diplomaten, von denen etwa die Hälfte – wie Regierungsquellen vermuten lassen – in der Geheimdienstarbeit tätig sein soll“, heißt es im Bericht. Dabei seien die Aktivitäten zwar teilweise angemeldet; teils aber auch verdeckt. In einer ersten Reaktion wies die russische Botschaft in London die Studienergebnisse als „politische Paranoia“ zurück.

Übersetzung: Tim Steins.

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Alexandra Brzozowski

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