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Die britische Regierungschefin Theresa May.

© imago/i Images

Brexit-Verhandlungen: Zeit für Entscheidungen

Im Grunde sind bei den Brexit-Verhandlungen alle Argumente zwischen London und Brüssel ausgetauscht. Demnächst müssen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Die britische Regierungschefin Theresa May ist derzeit noch im Wanderurlaub in der Schweiz, und auch in Brüssel herrscht der Sommermodus. Am Donnerstag und Freitag trafen sich in der EU-Hauptstadt erstmals seit drei Wochen wieder britische Unterhändler und Vertreter der verbleibenden 27 EU-Staaten zu Brexit-Gesprächen. Es handelte sich dabei um eine „technische Runde“, wie es im EU-Jargon heißt. Mit anderen Worten: Beide Seiten bleiben im Gespräch, aber auf einen möglichen Durchbruch muss die Öffentlichkeit bis zum Herbst warten – sofern der Brexit nicht im vollständigen Chaos endet.

Mit jedem Tag, der ohne sichtbaren Verhandlungsfortschritt verstreicht, wächst aber die Unsicherheit auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Wie groß die Nervosität insbesondere auf der Insel ist, macht eine Ankündigung des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan deutlich. Khan will die Krisenstäbe in der britischen Hauptstadt prüfen lassen, ob der Brexit am 29. März 2019 zu Engpässen bei Arznei- und Nahrungsmitteln führen könnte. Solche Szenarien würden nicht die Runde machen, gäbe es nicht die Furcht vor einem „No Deal“-Brexit, also einem Abschied Großbritanniens von der Europäischen Union ohne Austrittsvereinbarung und ohne Planungssicherheit für Bürger und Firmen über den März des kommenden Jahres hinaus.

Im Kern geht es um zwei Fragen, die nach der Sommerpause ernsthaft angegangen werden müssen. Zum einen erwarten die verbleibenden 27 EU-Staaten von May eine klare Ansage, ob sie langfristig ein Freihandelsabkommen nach dem Vorbild der Vereinbarung zwischen der EU und Kanada oder einen Verbleib Großbritanniens in der europäischen Zollunion anstrebt. Allerdings will die Premierministerin nach jetzigem Stand weder das eine noch das andere – sondern eine Teil-Mitgliedschaft im europäischen Binnenmarkt, was aus EU-Sicht auf „Rosinenpickerei“ hinausläuft. Der zweite Punkt, der in den nächsten Monaten geklärt werden muss, betrifft Irland: Beide Seiten wollen verhindern, dass in der einstigen nordirischen Bürgerkriegsregion eine „harte Grenze“ entsteht. Allerdings ist unklar, wie dies bewerkstelligt werden könnte. Zusätzlich verkompliziert wird das Ganze dadurch, dass das Irland-Problem und die Handels-Fragen miteinander zusammenhängen.

Verlängerung der Verhandlungen hilft nicht weiter

Könnte es angesichts der komplexen Gesprächsstränge helfen, einfach mehr Zeit zu gewinnen und über den März 2019 weiter über das Austrittsabkommen zu verhandeln? Wohl kaum. Letztlich sind zwischen Brüssel und London alle Argumente ausgetauscht. Demnächst ist die Zeit reif für Entscheidungen.

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