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Großbritanniens Premierministerin Theresa May.

© Stefan Rousseau/PA Wire/dpa

Brexit-Verhandlungen: Furcht vor den Zöllen und der Bürokratie

Im zweiten Kapitel der Brexit-Verhandlungen geht es ab jetzt um den Handel. Brüssel nimmt eine harte Haltung gegenüber London ein. Das trifft viele Unternehmen.

Das nächste Kapitel der Verhandlungen über den Brexit wird aufgeschlagen. In dieser Woche werden die Fachminister der 27 EU-Mitgliedsländer die Richtlinien für die Gespräche mit London für die Übergangsphase beschließen, die sich an den faktischen Austritt des Landes aus der EU Ende März 2019 anschließen soll. Bis 2020 will das Vereinigte Königreich noch weiter Mitglied des Binnenmarktes sein, also von der Freizügigkeit der EU profitieren, ohne allerdings stimmberechtigt mit am Tisch zu sitzen, wenn in Brüssel die Entscheidungen getroffen werden.

Die nächsten Verhandlungsrunden werden von der deutschen Wirtschaft besonders aufmerksam verfolgt werden, geht es dabei doch darum, wie die Handelspolitik zwischen der EU und dem Austrittskandidaten aussieht. Brüssel will die Beziehungen bis zum Ende der Übergangsphase noch komplett bestimmen. London darf etwa in dieser Zeit keine Handelsabkommen abschließen. Und nach dem endgültigen Austritt will Brüssel London keinerlei Privilegien geben. „Ein Nicht-Mitglied der Union kann nicht dieselben Rechte und Vorteile wie ein Mitglied haben“, heißt es in dem EU-Entwurf für die Verhandlungen mit London.

Für die Unternehmen ist die klare Kante, die Brüssel da für die künftigen Wirtschaftsbeziehungen skizziert, nicht unbedingt eine gute Nachricht. Klar ist damit: Der Handel wird schwieriger. Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) warnt bereits: „Ein Rückfall auf die Handelsbeziehungen der WTO mit Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen würde den Handel erheblich verteuern und verlangsamen.“ Ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien auszuhandeln würde wohl Jahre dauern. Hoffmeister-Kraut mahnt zur Eile: „Der aktuelle Schwebezustand ist Gift für unsere Wirtschaft.“

Auch für Deutschland steht einiges auf dem Spiel

Gerade für die exportstarke Wirtschaft im Südwesten Deutschlands steht viel auf dem Spiel. Die Ausfuhren aus Baden-Württemberg in das Vereinigte Königreich betrugen 2017 gut 11 Milliarden Euro. Damit lag Großbritannien auf Platz sechs der baden-württembergischen Exportliste. Ein Drittel der Ausfuhren machen Autos und Zulieferungen zum Kfz-Bereich aus. Über 2000 Unternehmen aus dem Südwesten machen Geschäfte in Großbritannien. 50 verfügen sogar über eigene Fabriken vor Ort, rund 200 haben eine Niederlassung. Allein die Wirtschaft Baden-Württembergs unterhält an 415 Unternehmen auf der Insel Beteiligungen. Das Königreich ist nach den USA das Ziel der meisten Auslandsinvestitionen aus Baden-Württemberg. Es gibt zudem enge Bande in der Forschung: Laut Zahlen des Wirtschaftsministeriums gibt es knapp 400 Hochschulkooperationen zwischen dem Südwesten Deutschlands und Großbritannien.

Schon wird gemutmaßt, dass die Übergangsphase, in der Großbritannien im Binnenmarkt bleibt, wegen der sich abzeichnenden Probleme für die Unternehmen am Ende länger dauern könnte als bis Ende 2020. Sollte es kein Handelsabkommen mit anderweitigen Regelungen geben, müssten Unternehmen beim Export von Gütern und Dienstleistungen auf die Insel Zölle und Zollabwicklungskosten tragen.

Gerade im Automobilbereich gibt es bislang einen regen Warenverkehr. Getriebe und Motoren werden etwa auf der einen Seite des Kanals gebaut und auf der anderen in die Chassis montiert. All dies würde unmöglich sein, wenn künftig in Dover Zollkontrollen stattfänden. Derzeit werden 2,6 Millionen Lastwagen im Hafen von Dover abgefertigt, im Schnitt dauert dies je Laster zwei Minuten. Bei Lastern außerhalb der EU dauert die Prozedur im Schnitt 20 Minuten. Befürchtet wird zudem, dass die Bürokratie ansteigt. In der EU sind die technischen Normen und Standards einheitlich. Wenn Großbritannien raus ist, droht da ein Wildwuchs.

Hoffmeister-Kraut will sich in der nächsten Phase der Brexit-Verhandlungen aktiv einmischen, um die Interessen der Unternehmen aus ihrem Bundesland zu vertreten. Sie glaube, dass branchenspezifische Probleme auftauchen. „Ich werde sie in Berlin und Brüssel ansprechen, damit es zu befriedigenden Lösungen für die Kernbranchen Baden-Württembergs kommt.“ Darüber hinaus versucht sie, britische Unternehmen, die den Binnenmarkt brauchen, zum Umzug nach Baden-Württemberg zu bewegen.

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