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EU-Kommissionschefin von der Leyen und US-Präsident Trump beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar.

© REUTERS

Brexit, Trump und EU-Budget: Den Europäern steht ein Verhandlungsmarathon bevor

US-Präsident Trump will bis November einen Handelsdeal mit der EU schließen. Doch das ist nicht die einzige Verhandlungsbaustelle der Europäer.

Das Verhandlungsgeschick und die Einigkeit der EU werden in diesem Jahr auf eine harte Probe gestellt: Die EU muss gleichzeitig versuchen, in den Verhandlungen mit London die Auswirkungen des Brexits zu minimieren, ein Handelsabkommen mit den USA zu schließen und seinen Mehrjahreshaushalt für die Jahre von 2021 bis 2027 fertigzustellen.

US-Präsident Donald Trump will ein Abkommen mit Brüssel vor November unter Dach und Fach bringen, wenn die Wähler daheim in den USA entscheiden, ob er eine weitere Amtszeit als US-Präsident antreten darf. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hatte im Januar in Davos versprochen, dass ein entsprechendes Abkommen sogar bereits „in wenigen Wochen“ zustande kommen könnte.

Die zukünftigen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich müssten ebenfalls bis Ende Oktober oder Anfang November geklärt werden, um genügend Zeit für die parlamentarische Ratifizierung in Westminster sowie im Europaparlament zu lassen.

Ein Kompromiss über den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU soll indes bis April angestrebt werden. Dann wird der neue Haushaltsentwurf für 2021 vorgelegt. Sollte es beim Mehrjahreshaushalt dann keine Einigung geben, sollten potenzielle Notfallmaßnahmen in Betracht gezogen werden, fordert das EU-Parlament.

Sollten diese anstehenden Gespräche nicht zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden, besteht die Gefahr, dass die europäische Wirtschaft Schaden nimmt, sich der transatlantische Handelskrieg verschlimmert und die EU vorerst ohne die für ihre ehrgeizigen Ziele erforderlichen Mittel dasteht.

Objektiv betrachtet ist die Situation allerdings nicht so dramatisch wie beispielsweise in den Jahren zwischen 2010 und 2012. Damals stand ein reales Risiko des Auseinanderbrechens der Euro-Zone im Raum stand. Auch ist die Lage nicht mit 2015 vergleichbar, als ein möglicher „Grexit“ drohte.

„In einer Zeit des starken Machtwettbewerbs und turbulenter Geopolitik spielt Größe sehr wohl eine Rolle,“ schrieben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratschef Charles Michel und Parlamentspräsident David Sassoli in einem am Freitag europaweit veröffentlichten Zeitungsartikel. Um sich auf die Verhandlungen und die intensive politische Agenda in den kommenden Wochen und Monaten vorzubereiten, trafen sich die drei EU-Spitzen im Jean-Monnet-Haus in der Nähe von Paris mit ihren Kabinettschefs und den Generalsekretären ihrer Institutionen.

Gipfel zum EU-Haushalt am 20. Februar

Der Februar dürfte für die EU-Institutionen ein arbeitsreicher Monat werden: Die Kommission stellte am Montag ihren Entwurf für ein Mandat zur Aushandlung des künftigen Abkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vor. Dieses soll bis Ende des Monats von den Mitgliedstaaten angenommen werden. Von der Leyen wird indes voraussichtlich in den kommenden Tagen mit einem Angebot für Trump nach Washington reisen. Am 20. Februar startet dann ein außerordentlicher EU-Gipfel, bei dem die Differenzen der EU-Staaten zum künftigen Finanzrahmen abgebaut werden sollen.

Bei keiner der drei großen Aufgaben dürfte es jedoch leicht sein, die Verhandlungen erfolgreich abzuschließen: Ende 2020 könnte sich für die EU und das Vereinigte Königreich erneut das Risiko eines „harten Brexit“ ergeben. Trump hat derweil immer wieder gedroht, neue Strafzölle zu verhängen. Und die bisherigen Spaltungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten könnten sich noch vertiefen, wenn es bei den Gesprächen über den Haushalt ans Eingemachte geht.

[Erschienen bei EurActiv. Der Tagesspiegel und das europapolitische Onlinemagazin EurActiv kooperieren miteinander. Bearbeitet von Benjamin Fox, Zoran Radosavljevic und Tim Steins. Übersetzung: Tim Steins.]

Von EU-Seite gibt man sich dennoch zuversichtlich, dass an allen drei Fronten Vereinbarungen erzielt werden können. In der Frage nach den künftigen Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich wird viel davon abhängen, ob die Regierung in London von den EU-Rechtsvorschriften beim Arbeitsrecht, Umweltschutz und den staatlichen Beihilfen abweichen möchte. In diesem Fall würde der Zugang für britische Produkte zum EU-Markt aber deutlich erschwert werden.

Irlands Premierminister Leo Varadkar hatte gegenüber der britischen Handelskammer bereits deutlich gemacht, die britische Seite müsse „möglicherweise in Bereichen wie der Fischerei Zugeständnisse machen, um von uns Konzessionen in Bereichen wie Finanzdienstleistungen zu erhalten“. Insgesamt müsse man sich auf ein möglichst umfassendes Paket einigen.

Der härteste Brocken bei Verhandlungen mit USA ist die Landwirtschaft

Im Falle des EU-US-Handelsdeals dürfte der Zankapfel erneut die Landwirtschaft sein. Die EU-Verhandlungsführer glauben, eine „Hintertür“ gefunden zu haben, um die Pattsituation vom vergangenen Herbst überwinden zu können. Damals hatten sich die EU-Staaten geweigert, den Agrarsektor in die Verhandlungen einzubeziehen. Die Kommission scheint nun bereit, einige ihrer regulatorischen Barrieren [vor allem „sanitäre und phytosanitäre“ (SPS) Maßnahmen] zu überprüfen – solange Washington dies ebenfalls tut.

Was den Mehrjahrshaushalt betrifft, so ist das Ergebnis des Machtkampfes zwischen den „sparsamen“ Mitgliedstaaten und den „Freunden der Kohäsion“ schwer vorhersehbar. Ähnliches gilt für die angedachte Koppelung der EU-Gelder an rechtsstaatliche Kriterien, gegen die sich die Visegrad-Länder Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei zur Wehr setzen.

Jorge Valero

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