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Die britische Premierministerin Theresa May.

© Philip Toscano/dpa

Brexit: "Die Uhr tickt"

Die Schwäche der britischen Regierungschefin Theresa May überschattet auch die Brexit-Gespräche in Brüssel.

Es läuft nicht gut für die britische Regierungschefin Theresa May. Am Mittwoch war ihr mit der Entwicklungshilfeministerin Priti Patel ein weiteres Regierungsmitglied abhanden gekommen. Am Donnerstag senkte die EU-Kommission die Wachstumsprognose für Großbritannien für das laufende Jahr von 1,8 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Und die „Times“ berichtete, dass Mays Schwäche den Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Staaten zunehmend Sorgen mache. Die Staatenlenker der 27 EU-Länder bereiteten sich inzwischen auch auf das mögliche Szenario vor, dass May vor Ende des Jahres gestürzt werde, berichtete das Blatt.

Der Zeitung zufolge bereiteten sich die EU-27 entweder auf „einen Führungswechsel oder Wahlen, die zu einem Labour-Sieg führen“, vor. Der Vizechef der oppositionellen Labour-Partei, Tom Watson, erklärte am Donnerstag, dass angesichts der Turbulenzen nach den Rücktritten der Entwicklungshilfeministerin Patel und des Verteidigungsministers Michael Fallon jederzeit mit einem Sturz Mays gerechnet werden müsse.

Bei der sechsten Verhandlungsrunde wird kein Durchbruch erwartet

In dieser fragilen Lage versammelten sich die Teams des EU-Chefunterhändlers Michel Barnier und des Londoner Brexit-Minister David Davis am Donnerstag zur sechsten Brexit-Verhandlungsrunde. Die Gesprächsrunde ist vergleichsweise kurz und soll bereits wieder nach knapp zwei Tagen beendet sein. Wenn Barnier und Davis an diesem Freitag die Ergebnisse der jüngsten Runde verkünden, wird nicht mit großartigen Fortschritten gerechnet. Dies liegt vor allem am mangelnden Entgegenkommen Londons in den Finanzfragen. Hier geht es darum, wie hoch die Verpflichtungen Großbritanniens gegenüber der EU insgesamt beim EU-Austritt im März 2019 sein werden.

„Wir erwarten keinen Durchbruch, weil Großbritannien sich nicht zu bewegen scheint“, hieß es am Donnerstag aus EU-Diplomatenkreisen. Ein weiterer EU-Diplomat antwortete auf die Frage, wie die Gespräche vorankommen: „Wenn die Gespräche vorankämen, dann wäre das eine Neuigkeit. Aber wir haben keinen Hinweis, dass dies der Fall ist.“

Zuvor hatte die Londoner Regierung zu Beginn der Woche ein Dokument veröffentlicht, in dem den 3,2 Millionen in Großbritannien lebenden EU-Bürgern unter anderem eine zweijährige Frist für die Bewerbung um einen dauerhaften Aufenthaltsstatus angeboten wurde. Die EU-Bürger auf der Insel leisteten einen großen Beitrag zum Wohl des Landes, „und wir wollen, dass sie bleiben“, hatte Innenministerin Amber Rudd gesagt.

Bei den Rechten der EU-Bürger wird neben der Frage der britischen EU-Austrittsrechnung und der künftigen Grenzregelung zwischen Irland und Nordirland laut der Verhandlungs-Sprachregelung „ausreichender Fortschritt“ erwartet, bevor die Brexit-Gespräche in die nächste Phase eintreten können. In der zweiten Phase soll es dann um die Ausgestaltung einer Übergangsregelung nach dem Brexit und die künftigen Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und den EU-27 gehen. London pocht darauf, dass diese zweite Phase möglichst rasch beginnt.

EU-Diplomaten beklagen mangelnden Realititätssinn in London

Allerdings ist es angesichts des schleppenden Gesprächsverlaufs unsicher, ob die zweite Phase bereits wie geplant beim nächsten EU-Gipfel im Dezember eingeläutet werden kann. „Wir brauchen in sämtlichen drei Verhandlungsbereichen weiterhin Fortschritte“, hieß es in EU-Diplomatenkreisen. „Die Uhr tickt. Das Vereinigte Königreich muss auf den Boden der Tatsachen kommen.“

„Es ist fünf vor zwölf“, sagte der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, dem Tagesspiegel. „Es ist höchste Zeit, dass wir Klarheit darüber haben, wie dieser Austritt aussieht und wie es danach weitergeht." Bis Dezember müsse es zu einem Durchbruch in den Austrittsverhandlungen kommen, forderte er.

Interner Zeitplan der EU-27

Dass ein Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen möglichst rasch benötigt wird, geht aus einem internen Zeitplan der EU-27 hervor. Demnach ist für den 20. November eine Bestandsaufnahme für die laufenden Gespräche geplant. Schon bei diesem Treffen könnte sich zeigen, ob die verbleibenden EU-Staaten ihren Daumen heben oder senken werden, wenn es um das Einläuten der nächsten Gesprächsphase geht.

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