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Der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn.

© imago images / ZUMA Press

Brexit: Britische Schlafwandler

Der Plan von Jeremy Corbyn, Premier Johnson zu stürzen, offenbart vor allem eines: die Machtvergessenheit des britischen Oppositionschefs. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Jeremy Corbyn hat ein Ziel. Der Vorsitzende der britischen Labour-Partei möchte Premierminister werden. Das ist ein nachvollziehbares Vorhaben, zumal für einen Spitzenpolitiker. Wer als Oppositionschef nicht willens ist, die Regierung zu übernehmen, hat in der Politik nichts verloren. Corbyns Problem ist allerdings, dass er außer dem Willen zur Macht nicht viel zu bieten hat. Er hat keinen Plan für einen Ausweg aus dem Brexit-Irrgarten, und zudem fehlt ihm die nötige überparteiliche Ausstrahlungskraft. Und damit hat sich sich sein Plan zum Sturz des britischen Regierungschefs Boris Johnson eigentlich schon wieder erledigt.

Corbyn möchte ein Misstrauensvotum gegen den neuen Hausherrn in der Downing Street und anschließend als Übergangspremier rasche Neuwahlen herbeiführen. Danach soll es dann, so lautet Corbyns Versprechen weiter, ein zweites Referendum geben. Zunächst einmal möchte er aber einen ungeregelten Brexit am 31. Oktober abwenden, der wie eine dunkle Wolke über Großbritannien und den verbleibenden 27 EU-Staaten hängt.

Ungeregelter Brexit soll vermieden werden

Einen ungeregelten Brexit vermeiden – das ist auch das Ziel einer Mehrheit von Unterhausabgeordneten. Dass der Weg zu diesem Ziel aber zwangsläufig über einen neuen Premierminister namens Jeremy Corbyn verläuft, darf bezweifelt werden, weil der Altlinke auch bei den Brexit-Gegnern im Regierungslager verhasst ist. Wenn schon demnächst nach einem Übergangspremier gesucht werden sollte, dann wäre der Alterspräsident des Unterhauses, Kenneth Clarke, schon eine überzeugendere Wahl. Nicht umsonst gilt der pro-europäische Tory als der „beste Premierminister, den Großbritannien nie hatte“.

Die Stunde der Übergangs-Premiers hat noch nicht geschlagen

Aber die Stunde möglicher Übergangs-Regierungschefs hat noch gar nicht geschlagen. Offenbar wollen die Gegner von Johnsons Crash-Kurs im Unterhaus nach dem Ende der Sommerpause jenseits eines Misstrauensvotums erst einmal versuchen, auf dem Weg der Gesetzgebung einen No Deal am 31. Oktober auszuschließen. Aber bevor sich die Vernünftigen im Unterhaus zusammenschließen, werden erst einmal auf beiden Seiten des Hauses machttaktische Spielchen à la Corbyn weiter verfolgt. Ganz so, als gäbe es bis zum Brexit-Datum in elf Wochen noch alle Zeit der Welt.

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