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Carsten Sieling (SPD).

© Carmen Jaspersen/dpa

Bremen: Bürgermeister schmiedet Bündnis – und geht

SPD, Grüne und Linke einigen sich auf die erste rot-grün-rote Koalition im Westen Deutschlands. Wie es dort weitergeht.

Als der SPD-Politiker Carsten Sieling 2015 zum Bremer Bürgermeister und Chef einer rot-grünen Landesregierung ernannt wurde, spreizte er bei seiner Vereidigung die Finger zum V. Das Siegeszeichen brachte ihm kein dauerhaftes Glück. Am Montag, vier Jahre nach Amtsantritt und fünf Wochen nach den massiven SPD-Verlusten bei der jüngsten Bürgerschaftswahl, hat Sieling am Montag erklärt, dass er in der neuen Legislaturperiode die erste rot-grün-rote Koalition Westdeutschlands nicht anführen wird.

Den Koalitionsvertrag hatte Sieling noch selbst mit ausgehandelt. In der Nacht zum Montag, um 1:47 Uhr, beschlossen ihn die Unterhändler von SPD, Grünen und Linken einstimmig. Jetzt müssen noch die jeweiligen Landesparteitage zustimmen und bei den Linken zusätzlich die komplette Parteibasis. Mitte August soll dann das Bremer Landesparlament,die Bürgerschaft, die neue Regierung, den Senat, wählen. Als Nachfolger für Sieling läuft sich bereits SPD-Fraktionschef Andreas Bovenschulte (53) warm, ein linker Sozialdemokrat genau wie Sieling. Der SPD-Landesvorstand wollte ihn am Montagabend als Bürgermeisterkandidaten nominieren. Bovenschulte war bereits SPD-Landesvorsitzender von 2010 bis 2013, dann Bürgermeister der kleinen Nachbargemeinde Weyhe.

Zuletzt zog es ihn aber wieder an seinen Wohnsitz Bremen zurück: Er kandidierte für die Bürgerschaft und wurde SPD-Fraktionschef. Sieling verlas am Montag im historischen Rathaus fünf Minuten lang emotionslos eine „persönliche Erklärung“. Nachfragen, Interviews – nicht erlaubt. Sielings Erklärung kreiste um den Begriff „Verantwortung“. Deshalb stürzte er sich zunächst in die rot-grün-roten Sondierungsgespräche und nach der Absage der Grünen an eine ebenso denkbare schwarz-grün-gelbe Jamaika-Koalition in die anschließenden Koalitionsgespräche.

Neuaufbruch

Scheinbar ungerührt ließ er Rücktrittforderungen zunächst an sich abprallen. Erst nach den erfolgreichen Koalitionsverhandlungen sah er nun doch den Zeitpunkt gekommen, „um den notwendigen Neuaufbruch einzuleiten“. Er wolle den Weg für eine personelle Neuaufstellung freimachen „und damit auch persönlich Verantwortung für das Wahlergebnis der SPD tragen“.

Künftig will er nur noch als einfacher Abgeordneter in der Bürgerschaft sitzen. Unverblümt räumte Sieling ein, dass seine Partei am 26. Mai eine „historische Niederlage“ kassiert habe. Erstmals seit 73 Jahren war die CDU stärkste Kraft geworden – mit dem unerfahrenen Seiteneinsteiger Carsten Meyer-Heder als Spitzenkandidaten. Der IT-Unternehmer wollte Bürgermeister werden, begnügt sich jetzt aber mit einem Abgeordnetenmandat und dem CDU-Landesvorsitz. Er hätte auch für den Vorsitz der CDU-Fraktion kandidieren können, wie es bei Spitzenkandidaten üblich ist. Doch überließ er dieses Amt dem langjährigen Fraktionschef Thomas Röwekamp. Im Koalitionsvertrag finden sich ehrgeizige Vorhaben – zum Beispiel das Ziel, die Bremer Kohlekraftwerke bis 2023 stillzulegen, die City bis 2030 autofrei zu machen, kostenlose Nahverkehrstickets für ärmere Kinder einzuführen, Schulen und Kitas auszubauen und in Brennpunkt-Grundschulen zwei Lehrkräfte pro Unterrichtsstunde einzusetzen.

Auch mehr Polizisten und Justizbeamte sollen eingestellt werden. Alle künftigen Beschlüsse sollen auf ihre Klima-Auswirkungen abgeklopft werden. Rot-Grün-Rot in Bremen – ist das ein Modell für den Bund? Die Bremer Linken-Parteichefin Cornelia Barth hält diese Frage für zweitrangig. SPD-Chefin Sascha Aulepp jedoch hofft auf „Ausstrahlungswirkung über unser Bundesland hinaus“. Auch der Grünen-Vorsitzende Hermann Kuhn rechnet allenfalls mit einer gewissen Strahlkraft für andere Bundesländer.

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