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Der Braunkohletagebau der Vattenfall AG und dahinter die Kühltürme des Braunkohlekraftwerkes in Jänschwalde

© dpa

Braunkohle-Debatte: Der Atomausstieg gelingt nur mit Braunkohle

Wer die Energiewende will, schreibt Brandenburgs Ministerpräsident, und zudem nicht zehntausende Arbeitsplätze gefährden möchte, kann jetzt nicht aus der Braunkohle aussteigen. Deswegen wird in der Lausitz weiter gefördert. Ein Gastkommentar.

Die Energiewende ist ein politisches Jahrhundertprojekt. Der Atomausstieg birgt die Chance, unsere Energieversorgung auf neue, ökologische Füße zu stellen. Und wir müssen diese Chance beim Schopfe packen!

Vielleicht haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, bei einem Meinungsbeitrag "pro Braunkohle" eine andere Einleitung erwartet. Aber wir können dieser Tage nicht über die Braunkohle sprechen, ohne uns Gedanken über die Energiewende zu machen. Und das gleiche gilt auch andersrum: Wer über die Energiewende spricht, sollte auch über die Braunkohle nachdenken. Und zwar offen, ehrlich und differenziert.

Brandenburg wird gerne als "Braunkohle-Land" bezeichnet. Und in der Tat, bei uns in der Lausitz hat der Tagebau eine über 200-jährige Geschichte. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Zur Wahrheit gehört auch, dass sich Brandenburg früh zur Energiewende bekannt und Fakten geschaffen hat.

Wir sind beim Ausbau regenerativer Energieträger Vorreiter in Deutschland und wurden mehrfach dafür ausgezeichnet, allein dreimal mit dem "Leitstern Erneuerbare Energien". Kurzum: Wir wissen, wie Energiewende geht. Und wir sehen bei uns in Brandenburg wie in einem Brennglas, welche Herausforderungen deutschlandweit vor uns liegen.

Auf der einen Seite ist die Energiewende ein wichtiger Schritt in eine ökologische Zukunft. Auf der anderen Seite ist eine sichere und bezahlbare Energieversorgung Voraussetzung für Arbeit und Wohlstand in unserem Land. Und das wiederum schafft die Grundlage für einen tatkräftigen Sozialstaat und eine gute Perspektive unserer Kinder und Enkelkinder.

Wir brauchen Geduld - und Braunkohle

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist eine Investition. Er ist nicht zum Null-Tarif zu haben, das ist klar. Und doch darf er nicht zu einer unzumutbaren Belastung für die Bürgerinnen und Bürger werden. Aber genau diese Gefahr besteht. Denn steigende Energiepreise treffen gerade geringe und mittlere Einkommen. Und sie treiben die Kosten industrieller Wertschöpfung in die Höhe, schmälern mithin die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, gefährden Arbeitsplätze und den sozialen Frieden.

Die Energiewende rührt also am Fundament unserer Gesellschaft. Und nur mit einem starken gesellschaftlichen Rückhalt wird sie gelingen. Deshalb darf das Motto nicht lauten: Augen zu und gerade aus! Sondern: Augenmaß, Vernunft und Verantwortung!

Knapp 40 Prozent der installierten Leistung zur Stromerzeugung entfällt heute auf Wind- und Solaranlagen. Der Anteil dieser Anlagen an der tatsächlichen Stromerzeugung liegt aber bei gerade 14 Prozent. Und genau das zeigt, wo der Hund begraben ist. Die Erneuerbaren Energien sind noch nicht ausreichend in unser Stromnetz integriert, und ein großer Teil kommt nicht bei den Verbrauchern an. Außerdem ist ihre Verfügbarkeit noch zu großen Schwankungen unterworfen. Denn nachts scheint die Sonne nun mal nicht, und der Wind weht auch nicht immer.

Das bedeutet: Wenn die Energiewende gelingen soll, dann müssen die regenerativen Energien grundlastfähig werden. Dafür brauchen wir gut ausgebaute und klug geplante Netze. Dafür brauchen wir aber vor allem auch Technologien, mit denen sich der aus Wind oder Sonne gewonnene Strom speichern lässt.

Energiewende darf nicht zum "Jahrhundertprojekt" werden

Wo Deutschland gegenwärtig steht, hat der ehemalige Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, präzise auf den Punkt gebracht: "Wenn unsere derzeitigen Speicher das Volumen eines Wasserglases haben, würden wir die Wassermenge des Bodensees benötigen, um daraus eine dauerhafte Stromversorgung über mehrere Wochen garantieren zu können, wenn Windstille herrscht und keine Sonne scheint." Ich bin optimistisch, dass die Energiewende nicht auch im wörtlichen Sinne zu einem "Jahrhundertprojekt" wird. Aber klar ist auch, dass wir dafür etwas tun müssen und dass wir Geduld brauchen.

Dietmar Woidke, Ministerpräsident von Brandenburg.
Dietmar Woidke ist Sozialdemokrat und seit August 2013 Ministerpräsident von Brandenburg. Er setzt sich unter anderem für die Erweiterung des Tagebaus Welzow Süd bei Cottbus ein.

© dpa

Vor diesem Hintergrund wäre es fahrlässig, parallel zu unserem Ausstieg aus der Atomenergie auch noch aus der Braunkohle auszusteigen. Machen wir uns nichts vor: Natürlich sind die Eingriffe der Tagebaue in Landschaften und Lebensräume immens. Natürlich ist der Schadstoffausstoß gerade älterer Kraftwerke zu hoch. Zugleich aber hat die Braunkohle im bundesweiten Energiemix eine wichtige, preisstabilisierende Funktion. Sie sichert zehntausende Arbeitsplätze. Und sie ist bis auf weiteres der einzige grundlastfähige Energieträger, den wir in Deutschland in großen Reserven besitzen. Nur hier – anders als etwa beim Gas, Stichwort Ukraine-Russland – sind wir unabhängig von Weltmarktpreisen oder geopolitischen Großwetterlagen. Und das macht die Braunkohle zu einer geeigneten Brücke ins Zeitalter der Erneuerbaren.

Der Autor ist Ministerpräsident von Brandenburg sowie Landesvorsitzender der SPD-Brandenburg.

Dietmar Woidke

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