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Demonstration in Köln nach den sexuellen Übergriffen am Hauptbahnhof in der Silvesternacht 2015.

© Oliver Berg/dpa

"Brauchen ehrliche Debatte": Grüne fordern interne Diskussion über frauenfeindliche Migranten

Die Politikerinnen mahnen eine ehrliche Debatte an: Auch die Grünen müssten klar sein gegenüber Migranten, die ein "reaktionäres Frauenbild" mitbrächten.

Wie umgehen mit männlichen Flüchtlingen, die Frauenrechte missachten? Mit allzu kritischen Tönen zum Thema Migration haben sich viele Grüne in den vergangenen Jahren zurückgehalten - aus Sorge, pauschale Vorurteile und fremdenfeindliche Ressentiments zu schüren.

Nun fordern zwei Bundestagsabgeordnete der Grünen von ihrer Partei ein "ehrliche Debatte" über Integration ein: "Wir Grüne müssen klar genug sein gegenüber dem Teil der Migranten, die ein reaktionäres Frauenbild mitbringen - und daran festhalten", schreiben Ekin Deligöz und Manuela Rottmann in einem gemeinsamen Diskussionspapier.

Auch die Befürworter der Einwanderungsgesellschaft müssten sich fragen, was für ein Frauenbild manche Gruppen hätten, die nach Deutschland kämen: "Eines nämlich, das die Nichtachtung von Frauen bis hin zur Ausübung von Gewalt zu legitimieren scheint." Dass Gewalt gegen Frauen durch deutsche Täter seit jeher ein gravierendes Problem sei, dürfe nicht dazu führen, dass man die Frage nach dem "eingewanderten Frauenbild" gar nicht erst stelle. Die Grünen-Politikerinnen weisen darauf hin, dass die übergroße Mehrheit der Geflüchteten nicht kriminell sei. Gleichwohl begingen auch vor allem junge Geflüchtete erhebliche Gewalttaten.

Ekin Deligöz ist Bundestagsabgeordnete der Grünen und Mitglied im Haushaltsausschuss
Ekin Deligöz ist Bundestagsabgeordnete der Grünen und Mitglied im Haushaltsausschuss

© promo

Viele Geflüchtete kämen aus muslimisch geprägten Gesellschaften, die stark patriarchalisch geformt seien und keine Aufklärung, Säkularisierung, Frauenbewegung und sexuelle Revolution erlebt hätten, schreiben die Grünen-Politikerinnen. Wenn bestimmte Gruppen ihre Geringschätzung oder völlige Missachtung von Frauenrechten aus kulturell-religiösen Argumenten und Werten speisten, dann sei das nicht tolerierbar: "Wer dauerhaft in Deutschland leben will, muss sich von herabwürdigenden Frauenbildern lösen, welche Frauen als den Männern untergeordnet definieren."

Dass dies natürlich für Männer jeglicher Herkunft gelte, müsse nur deshalb betont werden, weil in der Diskussion um Geflüchtete plötzlich Akteure ihr Interesse für die Belange von Frauen entdeckten, die den Einsatz für Frauenrechte ansonsten als "Genderwahn" lächerlich machten.

Gewalt "mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgen"

Gewalt gegen Frauen müsse "mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgt werden", fordern Deligöz und Rottmann. Um Straftäter besser verfolgen und Frauen besser schützen zu können, müssten Polizei und Gerichte "personell wesentlich besser" ausgestattet werden, heißt es in dem Papier weiter.

Zum Jahresbeginn hatte auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock gefordert, dass der Bund den Ländern in den nächsten Jahren deutlich mehr Geld für Justiz-Personal zur Verfügung stellen müsse. Strafverfolgungsbehörden müssten außerdem allgemein besser geschult werden für den Umgang mit dem Thema Gewalt gegen Frauen.

Zugleich betonen die Abgeordneten, dass es das "falsche Signal" wäre, Täter schwerer Gewalttaten ohne Prozess abzuschieben. Nur der Strafprozess genüge dem Strafbedürfnis des Staates und ermögliche die Aufarbeitung der Tat, auf die auch Opfer und deren Angehörige vertrauten.

Bessere Bedingungen für Integration

Die Grünen-Politikerinnen setzen sich außerdem dafür ein, bundesweit Gewaltschutzsysteme in allen Flüchtlingseinrichtungen einzuführen. Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften seien eine "besonders vulnerable Gruppe". An diesem Ort machten Geflüchtete außerdem die erste Erfahrung damit, ob und wie konsequent Deutschland Frauen vor Gewalt schütze und Straftaten verfolgt würden.

Damit Integration gelinge, müsse aber auch die Mehrheitsgesellschaft Rahmenbedingungen schaffen, unter denen die neu Angekommenen sich ein neues Leben in Deutschland aufbauen könnten. Dazu gehört aus Sicht der Autorinnen mehr Autonomie in Alltagsdingen in den Sammelunterkünften, ein möglichst schneller Zugang zu Sprachkursen, die Verpflichtung zur Teilnahme an wertevermittelnden Integrationskursen und bessere Beratung bei der Integration. Auch die von der Bundesregierung durchgesetzte Verschärfung des Familiennachzugs sei integrationspolitisch "höchst kontraproduktiv".

Deligöz und Rottmann verweisen darauf, welche Kämpfe Feministinnen in Deutschland fechten mussten, um patriarchale Strukturen aufzubrechen und Gewalt gegen Frauen gesellschaftlich zu ächten und strafrechtlich voll zu ahnden. "Wir Grüne wollen als Frauenrechts- und als Integrationspartei den Auftrag annehmen, diese notwendige Debatte auch im Kontext mit Migration und Integration ehrlich zu führen", fordern sie nun.

In der Partei löste ihr Diskussionsbeitrag unterschiedliche Reaktionen aus: "So wünsche ich mir grüne Integrationspolitik. Ohne Schaum vor dem Mund, aber auch ohne rosarote Brille", schreibt Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank auf ihrer Facebook-Seite. Das Bekenntnis zu kultureller Vielfalt sei wichtig. "Aber glaubwürdig ist es nur, wenn wir es auch gegenüber jenen Minderheiten durchsetzen, die Akzeptanz für sich selbst einfordern, sie dann aber aus religiösen Gründen anderen verweigern", argumentiert Fegebank. Ihre Parteikollegin Susanna Kahlefeld, die für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, kritisierte den Beitrag hingegen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter als "toxischen Pseudo-Feminismus" und "eine Fassade für Rassismus".

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