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Mit Freude regieren: Willy Brandt nach seiner Wahl zum Bundeskanzler am 21. Oktober 1969 beim Verlassen des Bundestags in Bonn.

© akg-images / AP

Brandts Regierungserklärung vor 50 Jahren: Mehr Demokratie wagen!

Hat der Aufruf des ersten westdeutschen SPD-Kanzlers heute noch eine Bedeutung? Darum geht es im Programm der Bundeskanzler Willy Brandt Stiftung zum Jubiläum.

Von Hans Monath

Es waren Worte, die Deutschland verändern sollten. „Wir wollen mehr Demokratie wagen“, kündigte Bundeskanzler Willy Brandt am 24. Oktober 1969 in der ersten Regierungserklärung eines sozialdemokratischen Regierungschefs im Bundestag in Bonn an. In den viereinhalb Jahren, die der frühere Regierende Bürgermeister die sozial-liberale Regierung dann führen sollte, wurden so tiefgreifende Reformen der deutschen Innen- und Außenpolitik eingeleitet oder umgesetzt, dass manche Historiker im Rückblick gar von einer „Neugründung“ der Republik sprechen.

50 Jahre nach den Bundestagswahlen vom 28. September 1969 erinnerte Wolfgang Thierse am Dienstag nicht nur an diesen Satz Brandts aus der Regierungserklärung, sondern auch an dessen Versprechen „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“. Dieses Versprechen sollte er mit seiner Ostpolitik dann auf beeindruckende Weise erfüllen. Nach dem Urteil des früheren Bundestagspräsidenten und langjährigen Vorsitzenden des Kuratoriums der Bundeskanzler Willy-Brandt-Stiftung hat Brandts sozialliberale Koalition damals „wesentlich beigetragen zu einer tiefgreifenden Liberalisierung der westdeutschen Gesellschaft“  und zur „Versöhnung mit den östlichen Nachbarn“. Auch für die Schaffung der Einheit Europas nach der Auflösung des Ostblocks nach 1989 und zur deutschen Wiedervereinigung habe Brandts Politik wichtige Beiträge geleistet.

Angesichts des grassierenden Vertrauensverlustes in die Politik, der Krise der Volksparteien, offener Aggressivität und weit verbreiteten Hasses könne es nützlich sein, sich an Brandts Demokratie-Satz zu erinnern, meinte Thierse. „Wie hat es Willy Brandt geschafft, seine Volkspartei zum Erfolg zu führen und 1972 fast 46 Prozent zu holen“, fragte der ostdeutsche SPD-Politiker. Er glaube zwar nicht, dass sich dieser Erfolg wiederholen lasse, aber es könne dennoch hilfreich sein, danach zu fragen, wie die SPD als Volkspartei habe so erfolgreich werden können.  Schließlich sei der später von vielen politischen Lagern verehrte und gefeierte Brandt anfangs „ein umkämpfter und umstrittener Politiker, ein umkämpfter und umstrittener Sozialdemokrat“ gewesen.

Die Bundeskanzler Willy Brandt Stiftung, deren Kuratorium Thierse seit 19 Jahren leitet, hat ein umfangreiches Programm zu 50 Jahre Kanzlerschaft ihres Namensgebers vorbereitet, das Geschäftsführer Wolfram Hoppenstedt vorstellte. Zum Auftakt des Jubiläumsprogramms verleiht die Stiftung am 25. September erstmals den Willy-Brandt-Dokumentarfilmpreis für Freiheit und Menschenrechte in Kooperation mit dem Human Rights Film Festival Berlin.

Bei der gemeinsam mit dem Tagesspiegel organisierten Veranstaltung „Mehr wagen. Die Parteien 50 Jahre nach Willy Brandt“ diskutiert Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff am 16. Oktober mit Franziska Brantner (Grüne), Lars Klingbeil (SPD-Generalsekretär), Wolfgang Kubicki (Bundestagsvizepräsident, FDP-Parteivize) und Ruprecht Polenz (CDU).

Zum Jubiläum hat die Stiftung eine Wanderausstellung entwickelt mit dem Titel „Willy Brandt – Freiheitskämpfer, Friedenskanzler, Brückenbauer“, die am 22. Oktober, 50 Jahre nach der Vereidigung von Brandts Kabinett, erstmals im Paul-Löbe-Haus des Bundestags präsentiert wird. Danach geht sie für die nächsten Jahre auf Tour durch Deutschland.

Am 1. Oktober eröffnet das Forum Willy Brandt Berlin am Interimsstandort in der Behrensstraße 15 (täglich geöffnet von 11 bis 17 Uhr).

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