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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD)

© John MacDougall / AFP

Brandenburg-Wahl 80 Jahre nach Polen-Überfall: Wahlen am Jahrestag sind instinktlos - mindestens

Die Worte von Bundespräsident Steinmeier in Polen sind fast untergegangen. Dietmar Woidke muss sich dafür erklären. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es ist beschämend. Der „Koordinator für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit“ der Bundesregierung, angesiedelt im Auswärtigen Amt, geboren einen Steinwurf entfernt von Polen – ausgerechnet der hat nicht alles daran gesetzt, nicht all seinen Einfluss geltend gemacht, dass am 1. September keine Landtagswahl in Brandenburg stattfindet. Nicht ausgerechnet an diesem 1. September, dem 80. Jahrestag des Überfalls auf den Nachbarn mit allen seinen schrecklichen Begleitumständen. Wer dieser Koordinator ist? Dietmar Woidke, Brandenburgs Ministerpräsident.

Dass der Tag dieser Wahl vorher nicht zum großen Thema gemacht wurde – damit wurde zumindest verhindert, die Polen darauf zu stoßen und sie damit zu verletzen. Jetzt aber, in der Rückschau, muss ein Thema daraus werden. Denn das, was geschehen ist, wirkt  instinktlos und geschichtsvergessen; keine nachgeschobene Erklärung kann diesen Eindruck heilen.

80 Jahre, und es gab großes Gedenken in Polen, von Wielun bis nach Warschau, in den frühesten Morgenstunden und am Tag. Groß auch deshalb, weil Großes geschah. Der Bundespräsident als höchster deutscher Abgesandter, eingeladen von seinem polnischen Pendant, hielt die vielleicht wichtigste, ganz sicher aber eine der wichtigsten Reden seines Lebens.

Wie Frank-Walter Steinmeier in Polen um Vergebung bat „für die Wunden, die Deutsche Polen zugefügt haben“; wie er versprach, „Wir werden niemals vergessen“ und noch mehr für das Gemeinsame in Europa tun; wie er Polnisch sprach und Beifall für ihn aufbrandete – da war es anrührend, ergreifend, bedeutend.

Die Polen werden diesen Tag nicht vergessen. Die „Gazeta Wyborcza“ schrieb in einem Kommentar: „Heute hat man gesehen, auf welche Freunde Polen wirklich zählen kann. Als Trump Golf spielte, bereitete der deutsche Präsident seine große Rede vor.“ Steinmeier, der früher seinen Bundestagswahlkreis in Brandenburg hatte, noch heute ein halber Brandenburger ist, hat sich um das deutsche Ansehen verdient gemacht.

Aber in Deutschland, in Brandenburg, im Nachbarland der Polen, ging das fast unter. Jedenfalls wurde es nicht so gewürdigt, wie es ohne Landtagswahlen hätte gewürdigt werden können. Ob der, der die Verantwortung dafür trägt, jetzt wenigstens ein bisschen Scham empfindet? Dietmar Woidke sollte sich erklären. Bei den Polen. Und beim Bundespräsidenten. Dass es anders geht, zeigt Thüringen. Dort wird im Oktober gewählt.

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