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Favorit für die Nachfolge von Theresa May: Ex-Außenminister Boris Johnson.

© Ben Stansall/AFP

Boris Johnson im Tory-Auswahlverfahren vorn: Der Sprunghafte

Boris Johnson ist Favorit für die Nachfolge von Regierungschefin Theresa May. Wenn er wollte, könnte er einen geordneten Brexit organisieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit sich Boris Johnson in der ersten Etappe des parteiinternen Auswahlverfahrens bei den britischen Konservativen gegen seine Konkurrenten durchgesetzt hat. Vieles spricht dafür, dass der ehemalige Außenminister nach dem Ausleseprozess im Unterhaus jetzt auch Ende Juli von der überwiegenden Mehrheit der rund 160.000 Tory-Mitglieder zum Nachfolger von Premierministerin Theresa May gekürt wird.

Neben Johnson läuft in dem Rennen um den Vorsitz der Tories und das Amt des Premierministers nur noch einer mit: Außenminister Jeremy Hunt, der im innerparteilichen Wahlkampf einen vergleichsweise moderaten Stil vertritt. Allerdings werden die Tory-Parteimitglieder am Ende vermutlich doch lieber das Original wählen - den robust wirkenden Londoner Ex-Bürgermeister, von dem sie sich eine gewinnbringende Scheidung von der EU erhoffen.

Johnson würde die Probleme von Theresa May erben

Ein Einzug Johnsons in die Downing Street in London wird aber nichts am Status quo der Brexit-Verhandlungen ändern. Die 27 verbleibenden EU-Staaten erwarten weiterhin, dass der - unveränderte - Austrittsvertrag durchs Parlament kommt. Dort blockieren sich aber bis auf Weiteres Brexiteers, Remainer und Anhänger der bestehenden Verhandlungslösung gegenseitig. Sollte Johnson den Vertrag im Sinne der Brexit-Hardliner wieder aufschnüren wollen, dürfte er sehr schnell von der EU seine Grenzen aufgezeigt bekommen.

Londons Ex-Bürgermeister kann auch pragmatisch sein

Wie sich ein Premierminister Johnson in dieser Situation verhalten würde, lässt sich derzeit kaum vorhersagen. Seine inzwischen auch schon wieder halb zurückgenommene Drohung mit einem No-Deal-Brexit ist wohl eher nicht zum Nennwert zu nehmen.

Bei aller Sprunghaftigkeit und bei allem politischen Opportunismus, den man Johnson zu Recht vorwerfen kann, hat der Machtpolitiker aber auch ein paar Qualitäten, die für einen geordneten Brexit hilfreich sein könnten. Johnson vertritt eine liberale Grundhaltung, die ihn zu einem pragmatischen Vorgehen befähigt. Anders als Theresa May, die häufig beratungsresistent wirkte, kann er durchaus auch zuhören. Wer im Brexit-Drama Optimist bleiben will, kann auf eines hoffen: dass der politische Ehrgeiz Johnson dazu antreibt, als derjenige Premier in die Geschichte einzugehen, der den Brexit vollzogen hat.

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