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Innenminister Horst Seehofer (CSU) am vergangenen Freitag im Bundestag.

© Britta Pedersen/dpa

Bootsflüchtlinge nach Deutschland: Seehofers Angebot ist vernünftig – und kommt zur richtigen Zeit

Deutschland will jeden vierten Bootsflüchtling aus Italien aufnehmen. Das ist ein sinnvoller Vorstoß. Doch er birgt einige Risiken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

So ändern sich die Zeiten. Noch im Sommer 2018 drohte Horst Seehofer damit, im Streit um die Abweisung von Asylbewerbern an der Grenze die Gemeinschaft von CDU und CSU platzen zu lassen. Inzwischen gibt sich der Innenminister im Umgang mit Flüchtlingen, die vor der Küste Italiens gerettet werden, milde. Ein Viertel dieser Flüchtlinge will Deutschland nach den Worten Seehofers künftig aufnehmen.

Zwar laufen die Gespräche zwischen einzelnen EU-Staaten für eine derartige freiwillige Lösung zur Entlastung Italiens bei der Flüchtlingsaufnahme noch. Aber schon jetzt lässt sich festhalten: Seehofers Angebot ist vernünftig – und es kommt zur richtigen Zeit.

Denn erstens könnte es einem vorübergehenden Verteilmechanismus mit anderen Ländern wie Frankreich und Malta den Weg ebnen. Ein solcher Mechanismus würde die unwürdige Telefondiplomatie zwischen EU-Staaten ersetzen, die bislang immer dann begann, wenn während der Amtszeit des abgetretenen italienischen Innenministers Matteo Salvini Flüchtlinge vor der Küste auf ihre Aufnahme warteten.

Zweitens dürfte die Zahl der Migranten, die aufgrund einer festen Verabredung innerhalb der EU von Italien nach Deutschland kommen, überschaubar sein. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums gelangten in den vergangenen zwölf Monaten 561 Bootsflüchtlinge nach Deutschland.

Der dritte und wohl wichtigste Punkt: Die neue italienische Regierung, die von den Sozialdemokraten gemeinsam mit den Fünf Sternen gebildet wird, erfährt auf diesem Wege europäische Solidarität. Die kann sie im Abwehrkampf gegen den weiter auf seine Chance lauernden Salvini gut gebrauchen.

Reform des EU-Asylsystems könnte noch weiter in die Ferne rücken

Die Zusage Seehofers birgt allerdings auch einige Risiken. Die neue italienische Regierung plant offenbar eine Abkehr von Salvinis Politik der geschlossenen Häfen, ohne dabei gleich einen deutlichen Anstieg der Zahl der Flüchtlinge herbeizuführen, die über die zentrale Mittelmeerroute kommen. Sollte die neue Mitte-links-Koalition unter Giuseppe Conte aber an dieser heiklen Aufgabe scheitern, dann dürfte die Zahl der Bootsflüchtlinge, die von Italien nach Deutschland kommen, nicht mehr so niedrig bleiben wie bisher.

Viel wichtiger als eine vorübergehende Lösung zur Aufnahme von Migranten aus Italien, so dringend sie auch ist, erscheint aber etwas anderes: ein echter dauerhafter Verteilmechanismus, der auch Staaten wie Ungarn oder Polen mit einbezieht. Eine solche Reform des EU-Asylsystems könnte noch weiter in die Ferne rücken, wenn die von Seehofer angestrebte Lösung erst einmal greift.

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