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Luis Arce hat die Präsidentenwahl in Bolivien gewonnen.

© Nestor Alexis Gomez/dpa

Boliviens neuer Präsident: Zurück zum Sozialismus

Luis Arce ist ein Schützling des Ex-Präsidenten Evo Morales. Als Minister hat er das Land wirtschaftlich auf Erfolgskurs gebracht.

„Jallalla!“, ruft Luis Arce in die Menge. „Es lebe hoch“ auf Quechua. Es wird das einzige Quechua-Wort sein, dass der 57-Jährige an diesem Abend kurz vor seinem Wahlsieg in den Mund nimmt. Um seinen Hals baumeln Girlanden aus Plastikblumen und Kochbananen. Das alles wirkt ein wenig aufgesetzt an dem hellhäutigen Bürokraten aus La Paz. Aber es ist der Standard, den sein politischer Ziehvater, Evo Morales, gesetzt hat.

Die beiden sind ein Kontrastprogramm: Evo, der indigene Volkstribun, Arce, der Denker aus der Mittelschicht, der lieber mit Zahlen jongliert, als sich von den Menschen feiern zu lassen. Um ihn etwas volksnäher zu präsentieren, drückten ihm seine Wahlkampfmanager für einen Spot eine Gitarre in die Hand und ließen ihn Protestlieder klimpern. Überzeugend wirkte das nicht, aber die Popularität hat er sich ohnehin von Morales geborgt, der Arce aus dem Exil gegen den Widerstand der Parteibasis zum Kandidaten kürte.

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Die Bewegung zum Sozialismus (MAS) hätte lieber den ehemaligen Außenminister David Choquehuanca gehabt, ein Indigener wie Morales, gestählt in den sozialen Bewegungen. Doch Choquehuanca gehört zum Reformflügel der MAS und hat sich von Morales distanziert, während Arce nie ambitioniert das Rampenlicht suchte oder mit politischen Ideen auffiel. Nun treten die beiden im Duo an – Arce als Kandidat, Choquehuanca als sein Vize. „Sie sind die ideale Kombination aus Wissenschaft und traditioneller Weisheit, aus Stadt und Land“, pries Morales sein Duo. Kritiker fürchten, Arce sei nur eine Marionette Evos, andere halten ihn durchaus für eigenständig.

Kein orthodoxer Marxist

Als diszipliniert und streng bezeichnen ihn seine Mitarbeiter. Sein Privatleben hält er unter Verschluss. Bekannt ist nur, dass er Volksmusik liebt und Basketball spielt und zum zweiten Mal verheiratet ist mit einer Ökonomin. Seine drei Kinder stammen aus erster Ehe. Der 1963 in La Paz geborene Lehrersohn studierte Wirtschaftswissenschaften. Er publizierte in linken Zeitschriften, gehörte jedoch nicht zum orthodoxen, marxistischen Kern der bolivianischen Intellektuellen. Morales machte ihn erst zum Finanzminister und dann zum Wirtschaftsminister. „Wir mussten beweisen, dass Sozialisten wirtschaftlich erfolgreicher sind als Rechte“, umriss er in einem Interview sein Ziel. Das gelang.

Arces Modell beruht auf Teilverstaatlichungen der Bodenschätze und der sozialen Umverteilung der Einnahmen, gepaart mit staatlichen Investitionen in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur. Weil das Programm zusammenfiel mit einer großen Nachfrage nach Rohstoffen, sprudelten die Einnahmen. In 13 Jahren wuchs das Bruttoinlandsprodukt von neun auf 40 Milliarden US-Dollar, das Pro-Kopf-Einkommen verdreifachte sich, die Währung war stabil, und die extreme Armut sank von 38 auf 16 Prozent. Doch die angestrebte Diversifizierung der Wirtschaft blieb aus. Sandra Weiss

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