zum Hauptinhalt
Nigerias Armee hat nach eigenen Angaben 36 Städte von den Terroristen zurück erorbert.

© dpa

Boko Haram in Nigeria: Die afrikanische Front

Die nigerianische Armee und ihre Verbündeten drängen Boko Haram in die Defensive – die Terrormiliz schlägt mit Entführungen zurück und schwört dem „Islamischen Staat“ die Treue.

Die gemeinsame Militäroffensive von vier westafrikanischen Armeen gegen die nigerianische Terrormiliz Boko Haram scheint Wirkung zu zeigen. Nachdem Boko Haram seine Angriffe in die gesamte Region um den Tschadsee ausgeweitet hatte, haben sich Nigeria, Niger, der Tschad und Kamerun auf eine koordinierte militärische Antwort geeinigt. Seitdem der Termin für die Präsidentenwahl in Nigeria von Mitte Februar auf Ende März verschoben worden ist, dauert die Militäroffensive an. Offenbar haben die Truppen Teile der von Boko Haram besetzten Gebiete zurückerobert. Am Mittwoch berichtete die Armee Nigers, dass „in den vergangenen Wochen“ mehr als 500 Boko-Haram-Kämpfer getötet worden sein sollen. Nigerianische Behörden meldeten die Befreiung von insgesamt 36 Städten.

Wohl als Antwort auf diesen militärischen Druck hat der Anführer von Boko Haram, Abubakar Shekau, am Wochenende dem „Islamischen Staat“ (IS) Treue geschworen. Schon im vergangenen Jahr hatte der IS die Entführung von mehr als 200 Mädchen aus der Schule in Chibok im nordöstlichen Bundesstaat Borno öffentlich gelobt – und später selbst damit begonnen, jesidische Frauen zu entführen.

Die Videos von Boko Haram werden professioneller

Seit Wochen haben Terrorismusexperten wie der Amerikaner Jacob Zenn von der Jamestown Foundation analysiert, dass die Öffentlichkeitsarbeit von Boko Haram der des IS immer ähnlicher werde. Die Videos wurden professioneller: Bis hin zum Kamerawinkel bei der Vorführung zweier Männer vor wenigen Tagen, die offenbar enthauptet wurden, stimmte alles mit den irakisch-syrischen IS-Videos überein.

Was dieser Treueschwur von Shekau in der Praxis bedeutet, ist schwer einzuschätzen. Die nigerianische Armee sieht darin ein Zeichen der Schwäche und einen Hinweis darauf, dass die eigene militärische Strategie diesmal aufgehen könnte. Andererseits kann sich die Terrormiliz, die vor Jahren auch schon Al Qaida die Treue geschworen hatte, ohne dass es zu einer erkennbaren Zusammenarbeit gekommen wäre, als noch gefährlicher darstellen, als sie es ist. Dabei ist Boko Haram auch weiterhin in der Lage, die Bevölkerung im Nordosten Nigerias zu terrorisieren. Bei Selbstmordattentaten in der Regionalhauptstadt Maiduguri sind erst am Wochenende mehr als 50 Menschen getötet worden. Vor wenigen Tagen soll Boko Haram ein siebenjähriges Mädchen als Selbstmordattentäterin losgeschickt haben.

Ob der IS eine afrikanische Filiale will, ist noch nicht bekannt

Ob der IS, in dessen Ideologie der Rassismus keine kleine Rolle spielt, eine schwarzafrikanische Filiale haben will, ist derzeit noch offen. Ein Experte für Terror in Afrika, Marc Engelhardt, warnt in seinem Blog dennoch davor, dass Boko Haram mit dem libyschen Ableger des IS zusammenarbeiten könnte. Vor allem für Niger hätte das fatale Folgen, die Armee des bitterarmen Wüstenlandes zählt gerade mal 12 000 Soldaten. Allein Boko Haram wird auf 15 000 Kämpfer geschätzt.

Vor wenigen Tagen sagte Nigerias Präsident Goodluck Jonathan, der trotz schlechter Umfragewerte wieder gewählt werden will, in einem Interview mit dem Sender Al Dschasira: „Uns mangelt es an bestimmten Waffen und wir versuchen seit Monaten, diese Waffen zu bekommen.“ Inzwischen hätten die westlichen Verbündeten „etwa fünf Prozent“ der benötigten Waffen geliefert, sodass die Armee nun „einigermaßen ausgestattet“ in den Kampf gegen die Miliz ziehen könne.

Nigerias Armee kämpft nur im Ausland erfolgreich

Dass die nigerianische Armee, die seit 2010 gegen Boko Haram kämpft, militärisch nie die Oberhand gewonnen hat, sagt eine Menge über den Zustand des Landes. Im aktuellen Haushalt sind 1,6 Milliarden Euro für die Armee eingeplant. Und obwohl nigerianische Blauhelmsoldaten überall in Afrika Dienst tun und für ihre gute Ausbildung und ihre Disziplin gelobt werden, gelingt es der Armeeführung offenbar nicht, diese Tugenden auch auf die Truppen im eigenen Land zu übertragen. Auf dem Weg von den Regierungskassen in der Hauptstadt Abuja bis zu den einfachen Soldaten geht offenbar das meiste Geld verloren und dürfte in die Taschen von Militärgrößen fließen. Einfache Soldaten, die gegen Boko Haram in den Kampf geschickt werden, berichten jedenfalls, dass sie nur mit einem Maschinengewehr bewaffnet und kaum Munition losziehen müssen. Oft reiche die Verpflegung nicht, um einmal am Tag ausreichend zu essen. Und nun soll die Armee Boko Haram in sechs Wochen besiegen, so hat es die Armeeführung versprochen, als die Verschiebung des Wahltermins bekannt gegeben worden ist.

Zur Startseite