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BND Uhrlau

© Rückeis

BND-Chef Ernst Uhrlau: "Der 11. September ist nicht wiederholbar"

BND-Chef Uhrlau spricht mit dem Tagesspiegel über Fortschritte im Kampf gegen islamistischen Terror, warnt aber vor neuen Anschlägen.

Sieben Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erscheinen Taliban und Al Qaida trotz vieler Verluste im Kern unbesiegbar. Geht der Kampf gegen den islamistischen Terror verloren?

Der Kampf geht nicht verloren, aber er dauert länger, als viele nach dem 11. September erhofft oder erwartet haben. Der islamistische Terror bleibt für die Sicherheitsbehörden die zentrale Herausforderung der nächsten 10 bis 20 Jahre. Die Annahme, nach größeren Fahndungserfolgen sei das Schlimmste überstanden, ist falsch. Aber die internationale Staatengemeinschaft hat Al Qaida schwer zugesetzt. Die Organisation hat nicht mehr die Kraft, die sie vor dem Einmarsch der Amerikaner in Afghanistan im Herbst 2001 hatte. Und im Irak ist es den Amerikanern gelungen, sunnitische Kämpfer gegen Al Qaida zu „drehen“. Auch die Aktivitäten in Saudi-Arabien und im Jemen sind deutlich eingedämmt.

In Afghanistan häufen sich die Angriffe der Taliban auf die Bundeswehr. Wie stark steigt die Gefahr für die Soldaten?

Im Verantwortungsbereich der Bundeswehr zählen wir nur zwei Prozent aller sicherheitsrelevanten Zwischenfälle in ganz Afghanistan. Doch ausgerechnet im Distrikt Kundus innerhalb der Provinz Kundus, wo ein deutsches Wiederaufbauteam stationiert ist, werden die meisten der Anschläge verübt, die in den Nordprovinzen registriert werden. Das hat auch ethnische Gründe, denn in Kundus sind die Paschtunen stark. Und bei den Taliban dominieren die Paschtunen. Außerdem entscheidet im Herbst der Bundestag über die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes. Die Taliban kalkulieren die Befindlichkeiten der Länder ein, die Truppen stellen – in der Hoffnung, die jeweilige Regierung gerate so unter Druck, dass sie ihre Soldaten abzieht.

Ist Al Qaida weiter ein Angriff in der Dimension des 11. September zuzutrauen?

Ich sehe nicht, dass Al Qaida dazu noch in der Lage ist. Der 11. September ist nicht wiederholbar. Die Situation hat sich nach 2001 grundlegend geändert. Vorher konnte sich Al Qaida in Afghanistan unter dem Schutz der Taliban professionalisieren. Al Qaida konnte sich in Afghanistan frei bewegen und Trainingslager betreiben. Das ist vorbei. Deshalb ist Al Qaida nicht mehr in der Lage, vergleichbar aufwendige Anschläge wie die vom 11. September ungestört vorzubereiten und zu verüben. Durch die vielen Zugriffserfolge der international kooperierenden Sicherheitsbehörden wird die Al- Qaida-Struktur ständig unter Druck gehalten. Und gerade in Westeuropa wird es für Terroristen angesichts der Fahndungserfolge schwerer, über die Planung eines Anschlags hinauszukommen.

Dann wäre doch das Schlimmste ausgestanden …

Nein. Sprengstoffanschläge mit enormer Wirkung sind weiterhin zu erwarten. In vielen Ländern versuchen die sogenannten homegrown terrorists, oft radikalisiert über das Internet, auf eigene Faust Anschläge zu planen. Gefährlicher als diese Amateure, die oft an handwerklichen Fehlern scheitern, sind allerdings Islamisten, die sich im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zu Attentätern ausbilden lassen. Bekanntlich befinden sich dort auch mehrere Deutsche. Außerdem schließen sich in islamischen Ländern immer wieder Anführer militanter Gruppen Al Qaida an. Ein Beispiel, das uns Sorge bereitet, ist das Bündnis nordafrikanischer Terroristen mit der Bezeichnung „Al Qaida im islamischen Maghreb“. Die tonangebenden algerischen Terroristen verüben inzwischen mehrere, aufeinander abgestimmte Selbstmordanschläge, was vorher nicht zum „modus operandi“ gehörte. Die algerischen Behörden wurden überrumpelt, trotz ihrer Erfahrungen aus dem Bürgerkrieg mit den Islamisten in den neunziger Jahren.

Wie konnten die schon fast besiegten algerischen Terroristen wieder erstarken?

Nach den Amnestien des algerischen Staates für inhaftierte Kämpfer des Bürgerkriegs sind viele wieder in den Dschihad gezogen. Dem nordafrikanischen Al- Qaida-Zweig ist es außerdem gelungen, Trainingscamps in Mauretanien einzurichten und im Norden Malis Rückzugsräume zu etablieren. In dem Bündnis machen sogar Islamisten aus dem Norden Nigerias mit. Die Gefahr strahlt aber auch nach Süd- und Westeuropa aus. Die nordafrikanische Al Qaida erhebt Anspruch auf das alte „al Andalus“, die einst von islamischen Fürsten zum Teil beherrschte Iberische Halbinsel. In den europäischen Ländern mit größeren nordafrikanischen Minderheiten, von Spanien über Frankreich bis Belgien, wächst die Gefahr, dass „Al Qaida im islamischen Maghreb“ Attentäter rekrutiert.

Im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet verfügen Taliban und Al Qaida über ein sicheres Refugium. Können Osama bin Laden und sein Stellvertreter Aiman al Sawahiri, die dort unter dem Schutz von Paschtunen leben, wieder Anschläge planen?

Bin Laden und Sawahiri inspirieren ideologisch die Dschihadisten weltweit. Aber operativ können sie nicht eingreifen. Die Al-Qaida-Filialen im Irak und in Nordafrika sind unabhängig. Bin Laden und Sawahiri kompensieren ihre Schwäche mit den Video- und Tonbandbotschaften, die über das Internet verbreitet werden. Vor allem Sawahiri, der sich immer öfter zu Wort meldet, ist zu einem Dauerkommentator heruntergekommen.

Dennoch bleibt es vor allem für die USA demütigend, die zentralen Hintermänner des 11. September nicht fassen zu können. Ist denn zu erwarten, dass die pakistanischen Sicherheitskräfte nach dem Rücktritt des oft zögerlichen Präsidenten Pervez Musharraf härter gegen die Fluchtburgen von Al Qaida und Taliban vorgehen?

Selbst wenn sich Musharrafs Nachfolger Asif Ali Zardari stärker engagieren sollte – auch ihm würde in den pakistanischen Stammesgebieten die Kooperation verweigert. Es gehört zum Ehrenkodex der Paschtunen, einen geschützten Gast nicht zu verraten. Schon gar nicht an die ungläubigen Amerikaner, selbst wenn sie 50 Millionen Dollar bieten.

Das Ansehen des BND war nach Affären wie der um das Aushorchen von Journalisten beschädigt. Haben Sie sich mit Operationen wie der Hilfe bei der Aufdeckung von Steuerflucht nach Liechtenstein oder der Vermittlung im Austausch zwischen Israel und Hisbollah wieder berappelt?

Wir haben auch während der Zeit, in der wir öffentlich in der Kritik standen, unsere Leistungsfähigkeit behalten und erfolgreich gearbeitet. Wenn das nun öffentlich wahrgenommen wird, freut es mich.

Was wusste der BND, als die Krise zwischen Georgien und Russland eskalierte?

Wir haben in kurzer Zeit aus vielen Einzelheiten ein Bild zusammengesetzt, durch das sich die Bundesregierung gut über die Vorgänge im Südkaukasus informiert fühlte. Wir freuen uns sehr über diese Anerkennung.

Im Herbst wird sich der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages mit der Rolle der BND-Agenten in Bagdad während des Irakkrieges beschäftigen. Worauf stellen Sie sich ein?

Lassen Sie es mich salopp sagen: Ich erwarte „the same procedure as every year“. Zum Beispiel die Skandalisierung von Aktionen, die im geheimen Regierungsbericht zu den Vorwürfen längst dargelegt sind. Wir sitzen am kürzeren Hebel: Die Geheimhaltungsvorschriften hindern uns oft, Vorhaltungen zu widerlegen, indem wir den wahren Sachverhalt an die Öffentlichkeit bringen.

Der BND hat sich wegen seiner Aktionen im Irakkrieg nichts vorzuwerfen?

Ich versichere Ihnen: Der BND hat sich nichts vorzuwerfen! Er hat sich streng an die Vorgaben gehalten. Ich bin überzeugt, dass auch der Untersuchungsausschuss zu diesem Ergebnis kommen wird.

Das Interview führten Frank Jansen und Hans Monath.

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