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Die Botschaft Russlands in Berlin

© Foto: Britta Pedersen/dpa

„Bloß nicht den Kreml verärgern“: Russischer Ex-Diplomat nennt Außenministerium „kindlichen Haufen“

Im Mai quittierte Boris Bondarew aus Protest gegen den Krieg seinen Dienst als russischer UN-Diplomat. Seinen Ex-Kollegen wirft er Putin-Hörigkeit vor.

22 Jahre lang war Boris Bondarew Diplomat in Diensten des russischen Außenministeriums, anfangs als Praktikant und dann zuletzt als UN-Berater in Genf. Ende Mai trat er aus Protest gegen den Angriffskrieg seines Landes gegen die Ukraine zurück mit der Begründung: „Genug ist genug“.

In einem Beitrag für das Wirtschaftsmagazin „The Economist“ wirft Bondarew nun Russlands Diplomatie vor, mit dem Angriff auf die Ukraine eines ihrer letzten Prinzipien verloren zu haben: „Dem Frieden zu dienen und nicht dem Krieg.“

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Als Kind habe er sich den Beruf des Diplomaten immer als vornehm und luxuriös vorgestellt, schreibt Bondarew: „Große Empfänge, Bälle und noble Herren in Anzügen.“ Auch in der ehemaligen Sowjetunion galten Diplomaten demnach als privilegiert und besonders intelligent.

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Doch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hätten sich die „romantische“ Welt und der hohe Status der Diplomatie drastisch geändert. Viele Angestellte hätten den Dienst verlassen, um in der Privatwirtschaft zu arbeiten. Die, die blieben, seien jene gewesen, „die weniger ehrgeizig, weniger talentiert“ waren, Bondarew spricht von „grauen Bürokraten“.

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Eben jene Bürokraten seien es auch gewesen, die seinen eigenen Einstieg in die Karriere weniger bedeutend machten, als er sich das erhofft hatte. Er habe die russischen Interessen beschützen und gleichzeitig „friedliche und gewinnbringende Kooperationen mit anderen Ländern“ schaffen wollen, schreibt Bondarew. Doch die von ihm kritisierten Bürokraten hätten nicht einmal einen Computer einschalten können.

Als das viel größere Problem jenseits der trägen und ignoranten Kollegenschaft aber beschreibt der Ex-Diplomat die Handvoll Diplomaten, die nach dem Zerfall der Sowjetunion hochrangige Posten übernahmen und jetzt den Kopf des russischen Außenministeriums bilden. Immer wieder hätten ihm diese heutigen Spitzendiplomaten des Außenministeriums von Entscheidungen abgeraten – mit Verweis auf den Kreml.

Als Beispiel nennt Bondarew eine Situation aus seiner Zeit in der Mongolei von 2009 bis 2013. Er habe eine finanzielle Unterstützung als „soft power“ vorgeschlagen, doch der zuständige Botschafter habe das sofort abgelehnt. „Moskau würde diese Idee nicht unterstützten“, lautete seine Begründung.

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Als Folge dieser Kreml-Hörigkeit sei aus dem Außenministerium „ein kindlicher Diplomatenhaufen“ geworden, schreibt Bondarew. Das Ministerium habe mit den Jahren zunehmend an Wert verloren, alles richtete sich lediglich nach dem politischen Willen der Führung in Moskau. Das Credo bei allem diplomatischen Handeln: „Bloß nicht den Kreml verärgern!“

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Als aalglatt und angepasst empfindet Bondarew auch die Haltung des Außenministeriums zum konfrontativen politischen Kurs Wladimir Putins seit den 2010er Jahren. Keiner der Diplomaten habe auch nur den leisesten Protest gewagt, nicht einmal er selbst. „Ich dachte, die Situation wird irgendwie von der Diplomatie gelöst“, schreibt er in der Rückschau.

Propaganda statt Professionalität

Die Folgejahre seien geprägt gewesen von wachsender Propaganda im Außenministerium, die schließlich die Professionalität der Diplomaten ganz habe verschwinden lassen. Die Älteren griffen wieder zurück auf die diplomatischen Formeln aus Sowjetzeiten, Klischees der Vergangenheit wurden wieder hervorgeholt.

Mit Putins Entscheidung zum Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 war für Bondarew dann die Zeit gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen. Dieser Krieg, so schreibt er, sei der „schwerwiegendste Fehler des modernen Russlands“. Damit habe er keine andere Wahl mehr gehabt, als sein Amt aufzugeben.

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