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Kunden vor einem Geschäft in Halle/Saale

© dpa/Hendrik Schmidt

Blick auf das Corona-Jahr: Gemeinschaft bekommt wieder einen Sinn

Das Jahr 2020 mit der Corona-Pandemie brennt sich ein in die kollektive Erinnerung. Und nicht alles ist schlecht. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

An das Jahr Zwanzigzwanzig wird noch lange erinnert werden. Ja, das Corona-Jahr, damals! Warten und Hoffen, Sorge und Angst, Schließungen und Öffnungen und wieder Schließungen.

Weltweit wanderten neue Wörter in die Alltagssprache ein. Die Rede war, die Rede ist, von Inzidenz und Reproduktionsrate, von Aerosolen, Quellclustern und Spreadern, Communitymasken und Hygienekonzepten, vom Lockdown oder Shutdown als Wellenbrecher. Mehr als tausend neue Wortbildungen im Kontext mit Corona fand allein das Mannheimer Leibniz-Institut für deutsche Sprache.

Das Jahr des permanenten Krisenvokabulars war zugleich für die meisten ein Jahr der erzwungenen Pausen, der aus dem üblichen, hektischen Geschehen herausgebrochenen Zeiträume.

Und in den Phasen bekam Alltägliches und Selbstverständliches nicht selten völlig neue Bedeutung, neue Geltung und neue Entdeckungen von Dankbarkeit.

Neue Wertschätzung füreinander

Kinder und Jugendliche vermissten die sonst oft verabscheute Schule. Freundeskreise, Familien, Nachbarn haben gemerkt, wie wichtig sie füreinander sein können. Miserabel bezahlte Kräfte auf Intensivstationen erhielten plötzlich Applaus und Respekt.

Mitten im Irrwitz von Verschwörungsgrummeln behauptete sich, wieder und wieder, die Anerkennung für Verantwortliche in Ämtern oder Kliniken, für die Leute, die jetzt kaum jemals Pausen kennen.

Zu der Anerkennung trugen Christian Drostens aufklärende Corona-Podcasts ebenso bei, wie die vielen im Wissenschaftsjournalismus, die, auch beim Tagessspiegel, ununterbrochen als Dolmetscher fungierten, und hunderte von epidemiologischen, virologischen Studien für die Öffentlichkeit lesbar gemacht haben.

Der Dank für solche Arbeit der Aufklärung kann kaum groß genug sein, ein Dank, der das Herumreiten auf Pannen und Versäumnissen in den Hintergrund treten lassen kann.

Der Virologe Christian Drosten hat uns durch das Jahr gelotst- jetzt muss er sogar als Vorlage für Räuchermännchen herhalten.
Der Virologe Christian Drosten hat uns durch das Jahr gelotst- jetzt muss er sogar als Vorlage für Räuchermännchen herhalten.

© Reuters/Matthias Rietschel

Wir sind privilegiert mit unserem Gesundheitssystem

Wie verdammt privilegiert, sagte ein Freund neulich am Telefon, sind wir im demokratischen Rechtsstaat mit einem funktionierenden Gesundheitssystem. Ja. Und alles Gemachte, das wir berühren, das uns berührt, hilft und verbindet, ist Resultat der Erfindungen und Erfahrungen abertausender anderer Menschen vor und mit uns, denen man dankbar sein kann.

 [Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können. ]

Das tut gut, denn der Gedanke ist umwerfend. Alles verdanken wir anderen, Techniken, Künste, Forschung, das Telefon, das Internet, und am Anfang der heutigen Zivilisation: die Schrift gewordene Sprache.

Daher hier der Hinweis auf ein öffentlich zugängliches Geschenk zum Thema, eine der schönsten Sendungen des vom Bildschirm dominierten Jahres 2020. Empfohlen sei die atemberaubende, dreiteilige Dokumentation „Die Saga der Schrift. Auf der Mediathek des Senders arte ist sie noch bis zum 19. Januar zu sehen.

Von den ägyptischen Hieroglyphen über chinesische Schriftzeichen bis zum Alphabet, vom Papyrus über Gutenbergs Druckerpresse bis zum Tippen auf dem Smartphone schildern die Regisseure David Sington und Martin de la Fouchardière die sensationelle  Kalligraphie des Fortschritts.

Ohne die Schrift, die alltägliche und selbstverständliche, ohne dieses Resultat der Erfindungen und Erfahrungen Abertausender vor uns, wären wir nicht Wir. Und die Alphabetisierung der Menschheit verläuft rasend, quasi viral. Noch 1960 konnten nur 42 Prozent der Erdenbewohner lesen und schreiben, 2016 waren es 86 Prozent.

Vielerorts hat das Corona-Jahr Schultore geschlossen. Umso wichtiger wird in den kommenden Jahren alles sein, was Alphabetisierung aufholt und vorantreibt. Der simple Dank an die Schrift: Auch das eine Erkenntnis aus dem Jahr 2020.

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