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Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU und Verteidigungsministerin

© dpa/Kay Nietfeld

Bleiben oder gehen?: Wie die CDU auf den SPD-Mitgliederentscheid reagieren könnte

Die CDU sucht nach einem Schlachtplan für die Zeit nach der Entscheidung über den SPD-Vorsitz. Der großen Koalition könnten raue Zeiten bevorstehen.

Von Robert Birnbaum

"Von meinen Bekannten bei der SPD stimmt keiner für Olaf Scholz", sagt der ziemlich bekannte Christdemokrat. Der Mann kommt aus Hessen, und seine Bekanntschaften stammen bestimmt nicht aus der linken Ecke der SPD. Umso beunruhigender findet er, dass bei der Abstimmung über den SPD-Vorsitz das Anti-GroKo-Duo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken offenbar selbst unter gemäßigten Sozialdemokraten großen Zuspruch findet.

In CDU und CSU stellen sich denn auch viele darauf ein, dass der großen Koalition nach dem Samstag raue Zeiten bevorstehen - wenn nicht sogar das Aus.

Regelrechte Schlachtpläne für den Fall der Fälle hat bei der Union wohl niemand in den Schubladen. Dafür ist zu wenig absehbar, was geschieht, wenn die SPD-Sieger feststehen. Die Parteilinke Esken will zwar raus aus dem ungeliebten Regierungsbündnis. Ihr Partner Walter-Borjans hat sich aber nicht festgelegt.

Die Stimmung beim SPD-Parteitag in einer Woche, der das Mitgliedervotum formal bestätigen muss, ist ein weiterer Unsicherheitsfaktor. Das gilt gerade dann, wenn sich Scholz und Partnerin Klara Geywitz durchsetzen. Die SPD-Basis sei konservativer, die Funktionäre eher links, analysierte diese Woche CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Beim Parteitag könne das "gegenläufig wirken, in beide Richtungen."

AKK will große Koalition nicht neu verhandeln

Annegret Kramp-Karrenbauer hat für alle Fälle schon mal einen Pflock eingeschlagen. Der Koalitionsvertrag gelte, betonte sie vor kurzem in einem Interview, und er werde "ganz sicher nicht neu verhandelt". Die Absage galt Carsten Linnemann - der Chef der Mittelstandsvereinigung hatte Neuverhandlungen verlangt.

Doch die CDU-Vorsitzende reagierte auch deshalb so hart auf den Vorstoß, weil sie ihn als Einfallstor erkannte, durch das die SPD marschieren könnte nach dem Motto: Die Union will doch selbst, dass nachverhandelt wird!

Das will sie aber nicht. "Es wird kein Nachverhandeln des Koalitionsvertrags geben", wehrt Dobrindt ab. Auf veränderte Anforderungen reagieren wie beim Klimapaket sei okay. Aber es dürfe nicht so weit kommen, dass die SPD auch noch Profit aus einer Lage ziehe, "in die sie sich selbst gebracht hat".

Und wenn sie es doch versucht? "Das wäre eine harte Belastung für die Koalition", sagt der CSU-Mann. Deutlicher wird Volker Bouffier. Der CDU-Vize aus Hessen erinnert daran, dass nicht nur die SPD die Koalition kündigen kann: "Als erfahrener Scheidungsanwalt kann ich nur warnen", sagte der CDU-Vize Anfang der Woche in einem Interview, "Wenn der Partner jeden Morgen zum Frühstück über die Trennung spricht, sagt der andere irgendwann: Dann musst du gehen!"

Das klingt ganz launig. Aber Bouffier ist einer der wenigen in der CDU-Führung, mit dem sich jemand wie Angela Merkel vertraulich beredet. Hinter seinen flapsigen Bemerkungen steckt manchmal mehr. Bisher galt in der Union als ausgemacht, dass es die Wähler krumm nehmen, wenn CDU und CSU die Koalition aufkündigen. Aber ein überzogener SPD-Forderungskatalog könnte Scheidungsgründe liefern, die auch bürgerliche Wähler akzeptieren.

Manchen gefiele ein Ende der GroKo

Überdies gibt es inzwischen auch auf christdemokratischer Seite Personen, denen ein schnelles Aus vielleicht gar nicht ungelegen käme. Schon als Kramp-Karrenbauer unerwartet ins Kabinett ging, fragte sich mancher, ob die CDU-Chefin dabei eine Hintertür ins Kanzleramt im Auge habe. Theoretisch gäbe es die. Verlässt die SPD - freiwillig oder hinausgeworfen - die Regierung, bliebe die Kanzlerin im Amt. Sie könnte die Verteidigungsministerin zur Vizekanzlerin ernennen.

Fiele Merkel dann irgendwann aus, könnte Kramp-Karrenbauer die Geschäfte der Kanzlerin weiterführen und mit dem Amtsbonus in eine Neuwahl ziehen. Das Konstrukt ist freilich kaum in die Praxis umzusetzen. Staatsrechtler sind sich einig, dass Merkel schon sehr triftige Rückzugsgründe nennen müsste - Unlust oder ab und an ein Zitteranfall reichen nicht.

Aber auch ohne die Kanzler-Würde könnte eine CDU/CSU-Übergangsregierung für Kramp-Karrenbauer Charme haben. Eine größere Bühne als Konrad-Adenauer-Haus und Bendler-Block böte sie allemal. Außerdem ist die Saarländerin von Natur aus Tempo-Politikerin und scheut vor Überrumpelungstaktiken nicht zurück.

Das hat zuletzt ihre überraschende Vertrauensfrage an den Parteitag in Leipzig gezeigt. Käme es bald zu Neuwahlen, werden Tempo und Chuzpe wichtig. Kramp-Karrenbauer hätte sogar ein Argument, um dann rasch nach der Kanzlerkandidatur zu greifen: Für umständliche innerparteiliche Auswahlverfahren würde schlicht die Zeit zu knapp.

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