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Ohne Maske: Vizepräsidentin Kamala Harris (links) und Madame Speaker des Kongresses Nancy Pelosi applaudieren Präsident Joe Biden bei seiner "State of the Union"-Rede in der Nacht zu Mittwoch.

© SAUL LOEB/AFP

Bidens Rede zur Lage der Nation: Die Einheit gegen Putin als Energieschub für die Innenpolitik

US-Präsident Biden kommt den Republikanern weit entgegen und riskiert Ärger unter Demokraten. An Putin richtet er eine klare Botschaft. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Der Krieg in der Ukraine beherrscht die Gespräche der Bürgerinnen und Bürger. Und er diktiert das internationale Geschehen. Die übrige Welt steht derweil nicht still. Und die innenpolitischen Herausforderungen sind nicht geringer geworden.

Diese Aufgaben und Gefühle musste US-Präsident Joe Biden miteinander verbinden – argumentativ und emotional –, als er in der Nacht im Kongress die alljährliche „State of the Union“ hielt: die Rede zur Lage der Nation.

Ein äußerer Feind vereint die Menschen hinter ihrer Führung. Das ist bekannt – und zugleich nicht mal die halbe Erklärung für die Stimmungslage. So verbrecherisch, wie Wladimir Putins Truppen die Ukraine angegriffen haben, und so menschenverachtend, wie sie den Krieg gegen Städte führen, ist es für die Menschen in den USA ebenso klar wie für die in Deutschland und Europa, auf welcher Seite sie in diesem Konflikt stehen.

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Damit war die Dramaturgie für Biden vorgegeben: Er rief die Bereitschaft zur nationalen Einheit und zum parteiübergreifenden Konsens gegenüber der Ukraine und Russland ab. Und bemühte sich, daraus Energie zu gewinnen, um für seine innenpolitische Agenda zu werben.

Als Entgegenkommen an die Republikaner speckte er seine Pläne gehörig ab. Ihm bleiben nur noch acht Monate, auch für die Nachbesetzung am Supreme Court, bis die Demokraten ihre äußerst knappe Mehrheit im Parlament bei der Kongresswahl Anfang November voraussichtlich einbüßen.

Die ukrainischen Nationalfarben Gelb und Blau dominierten im Kongress während der Rede.
Die ukrainischen Nationalfarben Gelb und Blau dominierten im Kongress während der Rede.

© SAUL LOEB/AFP

Im Kongress dominierten die ukrainischen Nationalfarben Gelb und Blau. Auf der Tribüne saß als Ehrengast die ukrainische Botschafterin Oksana Markarova neben First Lady Jil Biden; Abgeordnete und Senatoren erhoben sich und applaudierten lange als Zeichen der Solidarität.

Putin hat sich verrechnet, sagte Biden. Die USA und ihre Verbündeten in Europa und Asien – der Präsident zählte viele Länder einzeln auf, um die Breite der Koalition zu unterstreichen – stellen sich ihm geeint entgegen. Die Ukrainer kämpfen auf bewundernswerte Weise um ihre Freiheit. Am Ende wird Russland isolierter und schwächer sein als zuvor. Und die demokratische Welt stärker und geschlossener. Für diese Aussagen bekam der Präsident mehrfach Beifall.

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Im Umgang mit der Ukraine und Russland gibt es zwar auch einige Meinungsverschiedenheiten zwischen Demokraten und Republikanern: Hätten die USA entschlossener gegen die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 vorgehen sollen? Reichen die Sanktionen aus oder müssten sie verschärft werden? Kann und soll man der Ukraine über die aktuellen Waffenlieferungen hinaus militärisch beistehen? Doch diese Aspekte überging Biden. „Unity“, Einheit, war ihm wichtiger.

Im innenpolitischen Teil der „State of the Union“ machte Biden den Konservativen erst recht Friedensangebote – wohl wissend, dass er damit Verärgerung im linken Flügel seiner Partei riskiert. Er widersprach den Forderungen der „Black Lives Matter“-Bewegung und ihrer Anhänger unter Demokraten, der Polizei Geld zu entziehen.

„Wir sollten uns alle einig sein. Die Antwort ist nicht: ,defund the police‘. Sie lautet: ,fund the police‘.“ Zwei Mal wiederholte Biden: „Fund them. Fund them.“

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Er warb erst gar nicht mehr groß für sein „Build back better“-Paket im Wert mehrerer Billionen Dollar, das im Kongress nicht die nötige Mehrheit findet: ein Mammutgesetz, das die Reformen von Finanzhilfen für arme Familien mit Kindern verbindet mit höheren staatlichen Ausgaben für Bildung, Gesundheitsversorgung und Maßnahmen gegen den Klimawandel. Er sprach nur allgemein über den Wert dieser Ziele.

Und: Der Umgang mit der Pandemie soll nicht mehr spalten. In weiten Teilen des Landes müssten die Bürger keine Masken mehr tragen. Auch Vizepräsidentin Kamala Harris und Madame Speaker Nancy Pelosi trugen während der Rede demonstrativ keine Masken; in den zurückliegenden Monaten hatten sie das bei öffentlichen Auftritten noch getan und Republikaner kritisiert, die Vorsichtsmaßnahmen für übertrieben halten.

„Wir können nichts daran ändern, wie gespalten wir in der Vergangenheit waren“, appellierte der Präsident an seine „Fellow Americans“. Aber „wir können ändern, wie wir künftig miteinander umgehen.“

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