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Joe Biden dürfte Amerikas Nahostpolitik neu justieren.

© Adam Schultz/imago/Zuma

Bidens neue Nahostpolitik: Irans Hoffnung, Israels Handicap, Trumps Hinterlassenschaft

Kompromisse statt Konfrontation: Wie Joe Biden als künftiger Präsident die Nahostpolitik der USA neu ausrichten könnte.

Die Enttäuschung ließ die Mächtigen am Golf zögern. Saudi-Arabiens Führung brauchte merklich länger als die meisten anderen Regierungen auf der Welt, um sich zu einem Glückwunsch an den designierten US-Präsidenten Joe Biden durchzuringen.

Nach dessen Sieg am Wochenende dauerte es noch einen Tag, bis König Salman und Thronfolger Mohammed bin Salman ihre Hoffnung auf eine weitere Stärkung der Beziehungen zwischen Riad und Washington ausdrückten.

Insbesondere der mächtige Kronprinz hatte ganz auf Donald Trump gesetzt - und muss sich jetzt auf ein kühleres Verhältnis zum wichtigsten Verbündeten einstellen. Das gilt auch für andere Regionalmächte. Mit Bidens Amtsantritt im Januar dürften einige wichtige Prinzipien der Nahost-Politik von Trump der Vergangenheit angehören.  

Im Wahlkampf hatte Joe Biden mehrfach erklärt, dass er in der amerikanischen Nahost-Politik einen Kurswechsel anstrebt. Zwar lobte er seinen Widersacher Trump dafür, dass er die Friedensabkommen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und Sudan eingefädelt hat.

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Doch der Noch-Präsident verstand diese Normalisierungs-Verträge als Grundpfeiler einer regionalen Allianz gegen den Iran. Biden dagegen hält Trumps Politik des „maximalen Drucks“ gegen Teheran für gescheitert. Der künftige US-Präsident ist grundsätzlich zu einer Rückkehr zum Atomvertrag bereit – sofern der Iran wieder die dort festgelegten Auflagen befolgt.

Zudem will Biden die amerikanische Unterstützung für den saudischen Krieg im Jemen beenden und die Menschenrechte wieder stärker betonen.

Iranische Zuversicht

In Teheran haben die Machthaber schnell begriffen, dass sich der Wind gedreht hat. Schon vor der Wahl habe sich Präsident Hassan Ruhani die Erlaubnis von Revolutionsführer Ali Chamenei für neue Verhandlungen mit Washington geholt, schreibt Iran-Experte Mohammad Hossein Ziya vom Nahost-Institut in Washington.

Irans Oberster Revolutionsführer Ali Chamenei ist ein erklärter Gegner Amerikas.
Irans Oberster Revolutionsführer Ali Chamenei ist ein erklärter Gegner Amerikas.

© Official Khamenei Website/Reuters

Das Regime hofft in erster Linie auf einen Abbau der US-Sanktionen, die die Wirtschaft des schiitischen Gottesstaats an den Rand des Zusammenbruchs gebracht haben. Iranische Reformer erwarten von einer Entspannung in den Beziehungen zu den USA zudem bessere Chancen für ihr Lager bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr.

Biden dürfte zwar sehr vorsichtig vorgehen, nicht zuletzt wegen der starken anti-iranischen Stimmung im US-Kongress. Doch dass er den „maximalen Druck“ Trumps beenden will, steht außer Frage. 

Saudische Sorgen

Für Mohammed bin Salman sind das denkbar schlechte Vorzeichen. Der ehrgeizige Thronfolger hat sich auf Trumps Hilfe im Jemen-Krieg verlassen können; außerdem schützte ihn Trump vor amerikanischen Strafen wegen der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi. Ein weiterer Trumpf des Kronprinzen war bisher sein direkter Draht zu Trumps Schwiegersohn und Nahost-Berater Jared Kuschner. 

Damit ist es nun erst einmal vorbei. Biden hat die Golfmonarchie sogar als „Pariah“ bezeichnet. Bei aller Distanzierung bleibt Saudi-Arabien jedoch ein wichtiger amerikanischer Verbündeter, was nicht zuletzt umfangreiche Waffengeschäfte einschließt. Ein völliger Bruch ist also nicht zu erwarten – auch wenn die Zeit der nahtlosen Zusammenarbeit zwischen Riad und dem Weißen Haus wohl zu Ende geht.

[Mehr zum Thema: Biden wird von Briefings ausgeschlossen - Republikanischer Senator will Geheiminformationen an Trump vorbeischleusen]

Die meisten Partner Saudi-Arabiens haben sich schneller mit der neuen Realität angefreundet als die Herrscher in Riad. Ägypten zum Beispiel, das auf die Großzügigkeit des saudischen Könighauses angewiesen ist, gehörte zu Bidens ersten Gratulanten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate wünschten dem künftigen Präsidenten alles Gute. Sie wissen, dass die USA mit ihrer starken Militärmacht am Golf der wichtigste Beschützer der Ölmonarchien bleiben.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman konnte bislang auf Donald Trump als Verbündeten zählen.
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman konnte bislang auf Donald Trump als Verbündeten zählen.

© Valery Sharifulin/Imago/Itar Tass

Israelisches Handicap, palästinensische Hoffnung

Die Regierenden in Jerusalem sind ebenfalls auf Amerika als treuen Verbündeten angewiesen. Für Israels konservativen Premier Benjamin Netanjahu hat sich Trump sogar als Glücksfall erwiesen. Unter dessen Führung hat die Supermacht dem Ministerpräsidenten des jüdischen Staats einige Herzenswünsche erfüllt.

Da wurde symbolträchtig die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt oder Israels Souveränität über die Golanhöhen an der Grenze zu Syrien anerkannt. Und: Aus Washington waren in den vergangenen vier Jahren weder scharfe Worte zur Siedlungspolitik noch das Wort „Zweistaatenlösung“ zu hören. 

Das dürfte sich unter dem künftigen US-Präsidenten zumindest ansatzweise ändern. Doch Netanjahu, der Biden schon lange kennt und ihn nach der Wahl als Israels „großen Freund“ bezeichnete, braucht kaum fürchten, dass die vielen politischen Geschenke zurückgefordert werden.

Israel Premier Benjamin Netanjahu konnte sich in den vergangenen Jahren über einige politische Geschenke von Trump freuen.
Israel Premier Benjamin Netanjahu konnte sich in den vergangenen Jahren über einige politische Geschenke von Trump freuen.

© Ronen Zvulun/Reuters

Denn Biden fühlt sich seit Jahrzehnten dem jüdischen Staat verbunden. Eine seiner ersten Auslandsreisen führte ihn 1973 als Senator nach Israel. Damals – kurz vor Ausbruch des Jom-Kippur-Kriegs - lernte er ein Land kennen, das von Feinden umzingelt war. Israels Sicherheit dürfte für Biden daher ohne Wenn und Aber Priorität haben.

Trump’scher Sabotageversuch

Dennoch wird er wohl weniger polarisierend agieren als Trump und eher die Rolle eines ehrlichen Maklers einnehmen wollen, gerade mit Blick auf die Palästinenser. Biden wie seine künftige Vizepräsidentin Kamala Harris befürworten eine Zweistaatenlösung, von Israels Annexionsplänen für Teile des Westjordanlands halten beide nichts. Zudem soll es wieder Finanzhilfen für die Palästinenser geben, die Trump gestrichen hatte.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte unter Trump die Beziehungen zu den USA abgebrochen.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte unter Trump die Beziehungen zu den USA abgebrochen.

© imago/UPI Photo

Da kann es nicht überraschen, dass Präsident Mahmud Abbas gleich nach Bidens Wahl verkündete, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit ihm. Nur: Ob das die Palästinenser einem eigenen Staat deutlich näherbringt, ist sehr fraglich. Der Nahostkonflikt ist längst festgefahren.

Für Israel – vor allem unter Netanjahu – gibt es keinen Grund, am Status quo im Sinne der Palästinenser etwas zu ändern. Selbst ein energischer Joe Biden dürfte daran wenig ändern können. Verhandlungen sind nicht in Sicht. Auch der amtierenden Regierung in Washington mangelt es an Gesprächsbereitschaft – vor allem wenn es um den Iran geht. Die Trump-Administration will solange es noch geht Sanktionen gegen Teheran erlassen. Bis zu Bidens offizieller Amtsübernahme am 20. Januar wollen die Verantwortlichen jede Woche neue Strafmaßnahmen verkünden, berichtet die Nachrichten-Website Axios.

Ziel ist es offenbar, die Islamische Republik – und besonders die Hardliner des Regimes – derart zu provozieren, dass der Iran das Atomabkommen endgültig für gescheitert erklärt. Sollte dieses Manöver gelingen, hätte Trump die neue Nahostpolitik seines Rivalen Joe Biden schon torpediert, bevor sie richtig Gestalt annehmen kann. 

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