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Der britische Premier Boris Johnson (links) und US-Präsident Donald Trump beim G-7-Gipfel in Biarritz 2019.

© REUTERS

Biden vor der Ziellinie in den USA : Warum Boris Johnson der Ausgang der US-Wahl nicht schmeckt 

US-Präsident Trump und Boris Johnson sind beim Brexit geistige Verbündete. Mit einem Staatschef Biden täte sich der britische Premier schwerer. 

Der sich abzeichnende Wahlsieg des demokratischen Kandidaten Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl ist für den britischen Regierungschef Boris Johnson nicht unbedingt eine gute Nachricht. Denn Biden und Johnson haben in Sachen Brexit ganz unterschiedliche Auffassungen. Das hat auch Auswirkungen auf die Gespräche zwischen der EU und Großbritannien über ein Handelsabkommen, die am Sonntag wieder aufgenommen werden sollen. 

Mit US-Präsident Donald Trump verbindet Johnson die Begeisterung für Großbritanniens Austritt aus der EU. Als Johnson vor einem knappen Jahr die Parlamentswahl in Großbritannien gewann, schickte Trump die besten Glückwünsche über den Atlantik. Ein Sprecher in der Downing Street erklärte seinerzeit, dass der Premierminister und der US-Präsident unter anderem die bevorstehenden "Verhandlungen über ein ehrgeiziges Freihandelsabkommen" zwischen Washington und London erörtert hätten. 

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Mit der Aussicht auf ein solches Freihandelsabkommen mit Washington glaubte Johnson offenbar bislang, in den zähen Verhandlungen mit der EU über das künftige Wirtschaftsverhältnis zusätzlichen Druck aufbauen zu können. Selbst wenn am Ende kein Deal mit der EU herausspringt, so das Kalkül, dann könne Großbritannien künftig vom transatlantischen Handel profitieren. Allerdings wurde in einer Analyse des britischen Ministeriums für internationalen Handel schon im vergangenen Mai zum Auftakt der Gespräche zwischen London und Washington davor gewarnt, dass ein Pakt zwischen den beiden Ländern kaum wirtschaftliche Vorteile bringen werde. 

Mit einem US-Präsidenten Biden dürfte es für Johnson noch schwieriger werden, ein tatsächlich gewinnbringendes Handelsabkommen mit den USA zu schließen. Nachdem am Freitag Biden den Amtsinhaber im Weißen Haus bei der Stimmauszählung im entscheidenden Bundesstaat Pennsylvania überholt hatte, wurde ein Sprecher der Downing Street von Journalisten gefragt, ob Johnson es befürworte, dass sämtliche Stimmen in den USA ausgezählt würden. Statt eine klare Antwort zu geben, erklärte der Sprecher lediglich, dass die Wahl und die Auszählung "eine Angelegenheit für die zuständigen US-Behörden" seien. 

Johnson höhnte über Trumps "verblüffende Ignoranz"

Wenn man einmal vom Brexit absieht, so verbindet Johnson und Trump ein durchaus zwiespältiges Verhältnis. Vor der letzten US-Präsidentschaftswahl  hatte Johnson im Jahr 2015 noch erklärt, dass Trump angesichts seiner "verblüffenden Ignoranz" nicht für das höchste Amt in den USA geeignet sei. Aber in der Zwischenzeit ist die Nähe zwischen dem Premierminister und dem Präsidenten erheblich gewachsen. So sprach Johnson nach einem Treffen mit Trump während des G-7-Gipfels in Biarritz im August 2019 von einer "fantastischen" Begegnung. 

Hinzu kommt, dass Johnson ähnlich wie Trump gezielt Chaos und Regelbrüche einzusetzen versucht, um ans Ziel zu gelangen. Als das Unterhaus ihm im vergangenen Jahr beim Ringen um den EU-Austrittsvertrag einen Strich durch die Rechnung zu machen drohte, schickte er es kurzerhand in eine Zwangspause. Auch bei den laufenden Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit der EU versucht Johnson, den EU-Betrieb in Brüssel mit Drohgebärden einzuschüchtern. Zuletzt drohte er mit einem No-Deal und einem Abbruch der Gespräche - um dann Ende Oktober doch wieder einer Fortsetzung der Verhandlungen zuzustimmen. 

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Pelosi, gehörte in den USA zu den Ersten, die Johnsons Binnenmarktgesetz kritisierten.
Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Pelosi, gehörte in den USA zu den Ersten, die Johnsons Binnenmarktgesetz kritisierten.

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Zu Johnsons Verhandlungstaktik bei den Gesprächen mit der EU gehört auch die Verabschiedung eines Gesetzes im Unterhaus, welches letztendlich zu einer Gefährdung des Friedens in Nordirland führen würde. Das so genannte Binnenmarktgesetz könnte zur Folge haben, dass zwischen Nordirland und der zur EU gehörenden Republik Irland wieder eine harte Grenze errichtet werden müsste.  

In den USA gehörte die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, zu den Ersten, die das Binnenmarktgesetz als rechtswidrig kritisierten. Wenn das Vereinigte Königreich gegen das internationale Recht verstoße, gebe es "absolut keine Chance", dass ein Handelsvertrag zwischen London und Washington die Zustimmung des Kongresses finde, so Pelosi. Wenig später erklärte auch Biden im September, dass Johnson angesichts eines derartigen Rechtsbruchs nicht mit dem ersehnten Freihandelsabkommen rechnen könne. 

Derweil wird die Zeit für einen Deal zwischen Brüssel und London immer knapper. Nach den Angaben des EU-Chefverhandlers Michel Barnier muss eine Vereinbarung bis spätestens Mitte des Monats stehen, damit anschließend noch genügend Zeit für die Ratifizierung im EU-Parlament bleibt. Ende des Jahres verlässt Großbritannien endgültig den EU-Binnenmarkt und die Zollunion. 

Post-Brexit-Verhandlungen gehen in London weiter

Am Sonntag reist Barnier erneut nach London, um mit seinem britischen Verhandlungspartner David Frost weiter über den Handelspakt zu verhandeln. Nach den Worten von David McAllister (CDU), des Brexit-Beauftragten des Europaparlaments, sind weiterhin drei Themen umstritten: die Fischereipolitik, die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs zwischen beiden Seiten und die Frage, auf welchem Wege künftige Streitfälle zwischen London und Brüssel behandelt werden sollen. 

Derweil versucht Johnson, in der entscheidenden Phase der Gespräche wieder sein eigenes Spiel aufzuziehen. Ihm wäre es am liebsten, wenn die offenen Punkte nicht zwischen Barnier und Frost gelöst werden könnten, sondern auf der Ebene darüber - im Gespräch mit den Staats- und Regierungschefs der EU. Doch darauf will sich niemand in Brüssel einlassen. 

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