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Das US-Militär soll einem Bericht zufolge mit den Taliban ein „geheimes Tor“ am Flughafen Kabul betrieben haben.

© Wali Sabawoon/AP/dpa

Biden lobte zuvor offenbar „bestes Militär" in Afghanistan: USA hatten wohl geheimen Evakuierungsdeal mit Taliban

Bei der Evakuierungsmission in Kabul setzten die USA wohl auf Hilfe der Taliban. Derweil offenbart ein Telefonat eine fatale Fehleinschätzung von Joe Biden.

Bei ihrem Evakuierungseinsatz in der afghanischen Hauptstadt Kabul sollen die US-Kräfte auch auf die Unterstützung der Taliban gesetzt haben. Einem Bericht des US-Senders CNN zufolge hatte das US-Militär ein geheimes Abkommen mit den radikalen Islamisten in Afghanistan ausgehandelt. Demnach vereinbarten beide Seiten, dass Taliban-Mitglieder auszufliegende US-Bürger zu einem „geheimen Tor“ am Flughafen geleiten. CNN beruft sich in dem Bericht auf zwei Vertreter des Verteidigungsministeriums.

Zudem hätten die US-Spezialkräfte zudem Call-Center eingerichtet, um die ankommenden Mitbürgerinnen und Mitbürger durch den Evakuierungsprozess zu lotsen, heißt es in dem Bericht weiter. Demnach mussten sich die zu Evakuierenden zuvor an speziellen Treffpunkten einfinden, an denen die Taliban deren Ausweise geprüft und sie anschließend zu den „geheimen Tor“ eskortiert hätten.

Die Taliban-Eskorten fanden einem Pentagon-Beamten „mehrmals am Tag“ statt. Konkrete Angaben zu Personenzahlen bleiben in dem CNN-Bericht allerdings aus. Während der Evakuierungsmission in Kabul hatte die US-Regierung mehrfach erklärt, dass die Taliban kooperierten, was insbesondere sichere Passagen für US-Amerikaner anbelangt. Von dem nun berichteten Geheimabkommen war bislang jedoch keine Rede.

Derweil berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, dass US-Präsident Joe Biden in seinem letzten Telefonat mit seinem afghanischen Kollegen Aschraf Ghani vor der Machtübernahme der Taliban die Armee seines Verbündeten gelobt habe. „Sie haben eindeutig das beste Militär“, sagte Biden in dem etwa 14 Minuten langen Gespräch am 23. Juli. „Sie haben 300.000 gut ausgerüstete Soldaten gegen 70.000 bis 80.000 und sie sind offensichtlich in der Lage, gut zu kämpfen“, heißt es in einer Abschrift des Telefonats, die Reuters von einem Insider zugänglich gemacht wurde.

US-Präsident Biden war sich der bevorstehenden militärischen Gefahr in Afghanistan offenbar nicht bewusst.
US-Präsident Biden war sich der bevorstehenden militärischen Gefahr in Afghanistan offenbar nicht bewusst.

© Brendan Smialowski/IAFP

Reuters konnte das Dokument anhand einer Tonaufnahme des Gesprächs verifizieren. Das US-Präsidialamt lehnte eine Stellungnahme ab, Ghani und seine Mitarbeiter waren von Reuters nicht zu erreichen.

Die Worte des US-Präsidenten deuten darauf hin, dass er den Sieg der Taliban in Afghanistan 23 Tage später nicht erwartet hatte. Ghani war am 15. August - etwas mehr als zwei Wochen nach dem Telefonat mit Biden - vor den anrückenden Taliban aus seinem Präsidentenpalast geflohen, ohne dass seine Armee entschiedenen Widerstand geleistet hätte. Eine Woche zuvor hatte Pentagon-Sprecher John Kirby noch erklärt: „Dies sind ihre Streitkräfte, dies sind ihre Provinzhauptstädte, ihr Volk, das es zu verteidigen gilt.“

Ghani war am 15. August vor den anrückenden Taliban aus dem Präsidentenpalast geflohen.
Ghani war am 15. August vor den anrückenden Taliban aus dem Präsidentenpalast geflohen.

© Stringer/File Photo/Reuters

In dem Telefonat zeigt sich keiner der beiden Männer der Gefahr bewusst, dass die Islamisten innerhalb von Tagen faktisch das Land übernehmen würden. Ghani erklärte, es könne Frieden geben, wenn er es schaffe, die „militärische Situation neu auszutarieren“. Es müsse jedoch schnell gehandelt werden. „Wir haben es mit einer großangelegten Invasion zu tun, die sich aus den Taliban, Planung und logistischer Unterstützung aus Pakistan und mindestens 10.000 bis 15.000 internationalen Terroristen - überwiegend Pakistaner - zusammensetzt.“

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Afghanische Regierungsvertreter und US-Experten haben wiederholt eine Unterstützung Pakistans für die Taliban als ein Faktor beim Wiedererstarken der radikalen Islamisten bezeichnet. Ein Sprecher der pakistanischen Botschaft in Washington wies die Vorwürfe dagegen zurück. „Der Mythos von den Taliban-Kämpfern, die von Pakistan herüberkommen, ist leider nur eine Ausrede und ein nachträglicher Einfall von Aschraf Ghani, um sein Versagen bei der Führung und dem Regieren zu rechtfertigen.“

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Biden sprach in dem Telefonat von einem „Wahrnehmungsproblem“ der afghanischen Regierung bezüglich der Lage in Afghanistan. „Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass in der Welt und in Teilen Afghanistans der Eindruck entsteht, glaube ich, dass es mit dem Kampf gegen die Taliban nicht gut läuft“, sagte er. „Ob das nun stimmt oder nicht, es muss ein anderes Bild vermittelt werden.“ Die Wahrnehmung könnte geändert werden, wenn prominente afghanische Politiker in einer gemeinsamen Pressekonferenz eine neue Militärstrategie unterstützen würden. Biden versprach Ghani: „Wir werden weiterhin hart kämpfen - diplomatisch, politisch und wirtschaftlich - um sicherzustellen, dass Ihre Regierung nicht nur überlebt, sondern erhalten bleibt und wächst.“

Am vergangenen Dienstag hatten die USA ihr Militär vollständig aus Kabul abgezogen. Damit befinden sich erstmals seit 2001 keine US-Truppen mehr in Afghanistan. Bei der bis Ende August laufenden Evakuierungsmission hatten die US-Einsatzkräfte mehr als 114.000 Menschen aus der Hauptstadt ausgeflogen. (Tsp,Reuters)

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