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Demonstration in Leipzig gegen Antisemitismus.

© Dirk Knofe/dpa

Update

Bestürzung nach Ofarim-Fall in Leipzig: Jüdische Verbände fordern härtere Strafen für Antisemitismus

Der Umgang eines Hotels mit dem Sänger Ofarim entsetzt weite Teile der Gesellschaft. Verbände beklagen breiten Judenhass und fordern ein schärferes Vorgehen.

Nach den Antisemitismus-Vorwürfen gegen ein Leipziger Hotel hat die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) eine schärfere Ahndung judenfeindlicher Beleidigungen gefordert.

„Antisemitismus darf nicht kleingeredet werden und sollte generell unter Strafe gestellt werden“, sagte DIG-Präsident Uwe Becker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Der Strafbestand der Volksverhetzung greift oft nicht weit genug, um beispielsweise Beleidigungen strafrechtlich zu verfolgen.“

Der Musiker Gil Ofarim hatte in einem Video geschildert, dass ihn ein Mitarbeiter des Westin Hotels am Montagabend aufgefordert habe, seine Kette mit Davidstern abzunehmen. Der Mitarbeiter wurde mittlerweile beurlaubt. Dies gelte zunächst für die Dauer der Ermittlungen, hatte eine Sprecherin der Marriott-Gruppe am Mittwoch gesagt.

Laut Leipziger Polizei hat Gil Ofarim bislang keine Anzeige erstattet. Allerdings sei eine Online-Anzeige eines unbeteiligten Dritten wegen Volksverhetzung eingegangen.

Sänger Gil Ofarim ist nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls in einem Leipziger Hotel geworden.
Sänger Gil Ofarim ist nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls in einem Leipziger Hotel geworden.

© Tobias Hase/dpa

Der beschuldigte Hotelmitarbeiter erstattete laut Polizei seinerseits Anzeige wegen Verleumdung. Er schilderte den Vorfall deutlich anders als der Künstler. Ofarim ist der Sohn des israelischen Musikers Abi Ofarim (1937-2018) und in Deutschland aufgewachsen.

Das Leipziger Hotel will nun auch eigenständige Nachforschungen anstellen. Das Hotel habe begonnen, alle Gäste, die Zeugen des Vorfalls um den Sänger Gil Ofarim gewesen sein könnten, zu befragen, sagte Hotelmanager Andreas Hachmeister der „Leipziger Volkszeitung“. „Wir haben aber inzwischen auch alle Gäste kontaktiert, die in der Schlange hinter Herrn Ofarim standen und etwas von dem Vorfall mitbekommen haben müssten.“

In den nächsten Tagen wolle Hachmeister die Ergebnisse öffentlich machen. Ein Gast habe sich von sich aus an die Hotelleitung gewandt. „Er hat uns gesagt, es stimme alles nicht, was in dem Video zu hören ist“, sagte der Geschäftsführer.

„Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Milieus verbreitet“

DIG-Präsident Becker sagte: „Ich bin schockiert, dass solche antisemitischen Vorfälle überhaupt in Deutschland passieren.“ Es mache deutlich, dass Antisemitismus weit über die extremen politischen Ränder verbreitet sei.

„Nun ist ein Einstehen für jüdisches Leben in unserem Land und Solidarität gefordert sowie ein klares Bekenntnis zu Israel“, sagte Becker. „Ein Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland ist immer auch ein Angriff auf die gesamte deutsche Gesellschaft.“

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Für jüdische Studierende in Deutschland ist Antisemitismus nach eigenen Aussagen Alltag. „Der antisemitische Vorfall im Westin Hotel Leipzig hat erneut gezeigt, wie verbreitet Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Milieus ist, und dass Jüdinnen und Juden mit diesem überall im Alltag konfrontiert werden“, sagte die Vorsitzende der Jüdischen Studierendenunion, Anna Staroselski, der „Rheinischen Post“.

Sie erlebten Judenhass in der Schule, Uni, U-Bahn oder auf der Straße. In den letzten Jahren gebe es einen Anstieg antisemitischer Taten und Äußerungen, wie sich etwa auf den Corona-Demonstrationen oder den antisemitischen Protesten im Mai und Juni gezeigt habe.

Keine persönliche Entschuldigung des Hotels

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hotels hatten am Dienstagabend bei einer Solidaritätskundgebung vor dem Gebäude ein Banner hochgehalten, auf dem neben dem Hotelnamen auch die Flagge Israels und der islamische Halbmond zu sehen waren. Das stieß auf Kritik des Zentralrats der Juden. Bei dem Hotel gebe es offenbar wenig Bewusstsein dafür, dass Juden ein Teil der deutschen Gesellschaft seien.

Ofarim bedauerte am Mittwoch bei Bild TV, er habe von dem Hotel bislang keine Entschuldigung erhalten. „Mein Management hat nur eine Email bekommen, dass man sich mal austauschen wollen würde, mal reden. Aber ich habe weder eine Stellungnahme bekommen zu diesem Fall, ich habe keine Entschuldigung bekommen, gar nichts“, sagte er.

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Von anderen Gästen des Hotels habe Ofarim ebenfalls keine Unterstützung bekommen. Allerdings habe sein Video auf Instagram viele positive Reaktionen ausgelöst.

Bereits am Dienstagabend hatten Hunderte Menschen an einer Solidaritätskundgebung mit Jüdinnen und Juden in Deutschland vor dem Hotel teilgenommen, zu der das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ aufgerufen hatte. Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf den „mittleren dreistelligen Bereich“.

Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole die mit dem Judentum verbunden werden. Obwohl das Hexagramm als jüdisches Zeichen bereits im 7. Jahrhundert vor Christus vorkommt, schmückt der Davidstern erst seit dem Mittelalter Synagogen und seit 1948 die Flagge des Staates Israel. Während des Nationalsozialismus wurde der Davidstern den Juden als Stigma („Judenstern“) aufgezwungen. (dpa)

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