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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Besser als ihr Ruf: Forscher bescheinigen Groko Rekordgeschwindigkeit

Eine Studie zeigt: Die Große Koalition regiert besser als die Vorgängerregierungen, viele Versprechen sind schon umgesetzt. Nur die Wähler bemerken das kaum.

Bald könnte Schluss sein mit der großen Koalition. Im Herbst will die Bundesregierung eine Halbzeitbilanz ihrer bisherigen Arbeit vorlegen. Auf deren Grundlage wollen Union und SPD anschließend entscheiden, ob sie bis 2021 weiter machen mit der Groko – oder ob es besser ist, die Zusammenarbeit vorzeitig zu beenden.

Vor allem viele Sozialdemokraten wollen am liebsten so schnell wie möglich raus aus dem Bündnis mit der Union. In der SPD wächst das Lager der Groko-Gegner, selbst Spitzengenossen wünschen sich den Ausstieg. Die taumelnde Partei aus der Krise holen, an der Seite der Union sei das nicht möglich, glauben viele.

Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz sieht das anders als viele Sozialdemokraten. Unter den prominenteren der inzwischen 13 Bewerber für den SPD-Vorsitz ist er der einzige, der sich klar für einen Verbleib der Sozialdemokraten in der Bundesregierung ausspricht.

Argumentative Unterstützung erhält Scholz nun von einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis: Die Groko ist viel besser als ihr Ruf. Bei der Umsetzung ihrer Vorhaben komme die Bundesregierung in Höchstgeschwindigkeit voran.

„In den ersten 15 Monaten ihrer Regierungsarbeit hat die große Koalition bereits mehr als 60 Prozent ihrer insgesamt 296 Koalitionsversprechen umgesetzt oder angepackt“, heißt es in der Studie. „Das weist auf eine rekordverdächtige Halbzeitbilanz der amtierenden Bundesregierung hin.“

Schon jetzt habe die Groko deutlich mehr geschafft als die Vorgängerregierung im Vergleichszeitraum. Zur Halbzeit der vergangenen Legislaturperiode hätten Union und SPD gerade einmal 49 Prozent ihrer Vorhaben in die Tat umgesetzt.

Horst Seehofer hat die beste Bilanz

„Arbeitet die Große Koalition in ihrem jetzigen Tempo weiter, könnte sie bis zum Ende der Legislaturperiode fast alle ihrer insgesamt 296 Versprechen eingelöst haben“, sagt Robert Vehrkamp, Demokratieforscher und Mitautor der Studie.

Vor allem die SPD schneidet gut ab, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Politik geht. So haben die Forscher den Koalitionsvertrag mit den Wahlprogrammen der drei Regierungspartner CDU, CSU und SPD verglichen und festgestellt, „dass die SPD ihr Wahlprogramm bei den Koalitionsverhandlungen etwas erfolgreicher verankern konnte als die Union“.

Rund ein Viertel des Koalitionsvertrags finde sich ausschließlich im SPD-Programm, nur elf Prozent hingegen gingen allein auf das Wahlprogramm von CDU und CSU zurück.

Was die Einlösung der Wahlversprechen angeht, zeigt die Studie ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Koalitionspartnern: „Von den unionsgeprägten Versprechen wurden bisher 44 Prozent, von den SPD-geprägten 45 Prozent umgesetzt.“ Angeführt wird die Liste der umgesetzten Vorhaben vom Innenministerium.

49 Einzelversprechen aus dem Koalitionsvertrag fallen in dieses Ressort. 26 sind bereits verwirklicht – damit hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) in absoluten Zahlen die „bislang beste Umsetzungsbilanz“. Die höchste Quote an eingelösten Wahlversprechen hat das Verteidigungsministerium. „Das Ministerium hat mit zehn von 13 Zielen bereits 77 Prozent seiner Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag voll erfüllt.“

Kaum jemand traut der Regierung etwas zu

Bei den Wählern kommen solche Erfolge allerdings nicht an, wie die Studie zeigt: „Nur sehr wenige Menschen in Deutschland gehen davon aus, dass die Wahl- und Koalitionsversprechen der Parteien und Regierungen auch tatsächlich umgesetzt werden.“ Selbst von den Anhängern der Koalitionsparteien sagen nur rund 20 Prozent, die Regierung würde alle oder zumindest einen Großteil ihrer Versprechen einlösen.

Insgesamt schätze nur noch jeder Zehnte die Umsetzung des Koalitionsvertrags realistisch ein. Die Wissenschaftler werten das als einen möglichen Ausdruck „einer weit verbreiteten Skepsis gegenüber Politikern, Parteien und ihren Koalitionsregierungen im Allgemeinen“. Befragt haben die Forscher dafür mehr als 1.200 Menschen ab 16 Jahren.

Auch wenn Union und SPD den Koalitionsvertrag pflichtbewusst und zügig abarbeiten, „dennoch traut der Regierung das kaum jemand zu“, heißt es in der Studie. Dem müsse die Politik „eine bessere und wählerorientiertere Kommunikation“ entgegenstellen, empfehlen die Forscher. „Fast 300 Einzelversprechen in einem Koalitionsvertrag kann und will sich niemand einprägen.

Eine stärkere Fokussierung auf politische Schwerpunkte und ein Gesamtnarrativ könnten deshalb hilfreich sein.“ Die Regierung müsse der Bevölkerung klarmachen, für welche drei Kernversprechen sie eigentlich eintrete. „Den Wählern das zu vermitteln, ist schwer genug!“

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