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Bespitzelungs-Affäre: Nach BND-Abhör-Skandal - afghanischer Minister fürchtet um sein Leben

Die Affäre um die Bespitzelung des afghanischen Handels- und Industrieministers und einer Journalistin schlägt weiter hohe Wellen. Das Parlament entzog dem BND sein Vertrauen, doch BND-Chef Uhrlau darf im Amt bleiben. Der ausspionierte Minister hat Angst: "Ich kann morgen auf der Straße erschossen werden".

Mit Empörung und Entsetzen hat der afghanische Handels- und Industrieminister Amin Farhang auf die gegen ihn gerichteten Abhörmaßnahmen des Bundesnachrichtendienstes (BND) reagiert. Den indirekten Vorwurf, er kooperiere mit den radikalislamischen Taliban, wies er im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" aufs Schärfste zurück. "Durch diese absurde Lüge, ich sei ein Doppelagent, ist mein Leben und das meiner Familie in größter Gefahr", sagte Farhang demnach. Der "Rufmord" und die Abhörmaßnahmen seien ein "beispielloser Skandal. "Ich kann morgen auf der Straße erschossen werden", führte Farhang fort.

Den Beteuerungen des BND, dass nur einer seiner Computer für wenige Monate überwacht wurde, glaubt Farhang nach Angaben der Zeitung nicht. "Ich habe das Vertrauen verloren und nehme an, das deutsche Agenten alle meine Telefone und E-Mails noch immer überwachen", sagte er. Besonders enttäuscht zeigte sich Farhang auch darüber, dass sich weder der BND noch die Bundesregierung bei ihm entschuldigt hätten, obwohl der Skandal bereits seit Februar 2008 im BND bekannt gewesen sei. "Als jemand, der sich immer für die deutsche Sprache, Kultur und Zusammenarbeit mit Afghanistan engagiert hat, macht mich dieser Vorfall sehr traurig."

Die afghanische Regierung will sich zwar nicht zu dem Vorfall äußern, wie die "Financial Times Deutschland" schreibt, solange sie nicht direkt mit Berlin gesprochen hat, doch in Regierungskreisen in Kabul sei von "Enttäuschung" die Rede. "Wir werden das Thema in den nächsten Tagen bei der Bundesregierung ansprechen", sagte Außenminister Rangin Dadfar-Spanta der Zeitung.

Scharfe Rüge für Uhrlau

Das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestages sprach dem Auslandsgeheimdienst und BND-Chef Ernst Uhrlau wegen der Bespitzelung einer "Spiegel"-Redakteurin ungewöhnlich deutlich das Misstrauen aus. Das Verhältnis zur Leitung des BND sei gestört, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Thomas Oppermann (SPD), am Donnerstag nach einer zweistündigen Sitzung, an der Uhrlau teilnahm. Er ergäben sich aber keine personellen Konsequenzen in der Spitze des Dienstes. Die Bundesregierung habe in der Sitzung aber Personalveränderungen auf der Ebene von Abteilungsleitern und Stabsstellen angekündigt. Die Opposition sprach von einer "schweren Krise" des BND.

Das PKG verurteilte die Ausforschung des E-Mail-Verkehrs zwischen der "Spiegel"-Redakteurin Susanne Koelbl und Farhang. Das Einsehen und das Aufbewahren der E-Mail-Korrespondenz sei nach Dauer und Intensität ein "erheblicher Grundrechtseingriff", befand das PKG in einer einmütig verabschiedeten Erklärung, die Oppermann vorlas. Die E-Mails hätten zudem sofort gelöscht werden müssen, nachdem klar gewesen sei, dass es sich um eine Deutsche gehandelt habe. Das Gremium missbilligte auch, dass die BND-Leitung weder Bundesregierung noch Kontrollgremium über den Vorgang informiert habe. Es sei nun am BND, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen.

Der BND hatte von Juni bis Ende November 2006 E-Mails der Redakteurin ausgespäht. Uhrlau hatte die Journalistin erst am vergangenen Freitag darüber informiert und sich bei ihr entschuldigt. Die Reporterin war nach "Spiegel"-Darstellung nicht das ursprüngliche Ziel der BND-Bespitzelung. Vielmehr habe der Dienst auf dem Computer Farhangs ein Spionageprogramm - einen sogenannten Trojaner - installiert, hieß es bei "Spiegel online". Damit sei jegliche Kommunikation überwacht und an den BND gesendet worden.

Schäuble: BND muss sich an Recht und Gesetz halten

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte die Bespitzelung. Die BND-Mitarbeiter müssten sich an Recht und Gesetz halten, sagte er. "Wenn sie dagegen verstoßen, ist es besonders ärgerlich." Wenn sich Uhrlau bei der Reporterin entschuldigt habe, werde er dafür einen Grund gehabt haben. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen (CDU) sagte nach der Sitzung, das PKG bedauere und missbillige die schwere Grundrechtsverletzung gegenüber der Journalistin. Der BND habe die Überwachung trotz einschlägiger Erfahrung aus vorherigen Fällen und anderslautender Zusagen vorgenommen.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sieht eine ganz konkrete Verantwortung Uhrlaus und bekräftigte seine Forderung nach personellen Konsequenzen an der BND-Spitze. Der FDP-Innenexperte Max Stadler warnte, der BND drohe sich zum "Staat im Staate" zu entwickeln. Ins Rollen kam der jüngste Fall offenbar durch ein anonymes Schreiben, das auch nach Einschätzung Ströbeles wegen der vielen genannten Details aus dem BND stammen muss. Vollständige Aufklärung verlangte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). "Es darf nicht sein, dass der BND geltende Gesetze einfach ignoriert", hieß es dazu in einer Mitteilung. (imo/dpa/AFP)

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