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Stillstand: Ein ICE steht an einem Gleis im Hauptbahnhof Hannover.

© Michael Matthey/dpa

Update

Berufungsverhandlung zum Lokführerstreik: Gericht lehnt Berufung wieder ab - Streik geht weiter

Erneut legt ein Streik der Lokführer den Zugverkehr lahm. Die Bahn scheitert mit zweitem Antrag auf Einstweilige Verfügung.

Die 16. Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts hat eine Entscheidung verkündet: Der Lokführerstreik kann nach dem Beschluss wie geplant bis Dienstagmorgen weitergehen. Das hessische Landesarbeitsgericht teilte am Freitag mit, es habe die Berufung der Deutschen Bahn zurückgewiesen, mit der der Staatskonzern den Arbeitskampf der Gewerkschaft GDL stoppen wollte.

Die Bahn wollte eine Einstweilige Verfügung erreichen, mit der der noch bis Dienstag geplante Arbeitskampf abgebrochen werden müsste. Sie argumentierte, dass die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu illegalen Streikzielen aufgerufen habe. Zudem führten die Lokführer einen unzulässigen Unterstützungsstreik für andere Bahnbeschäftigte durch.

Die Deutsche Bahn scheiterte Donnerstagabend mit ihrem ersten Versuch, den Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) juristisch zu beenden: Das Arbeitsgericht Frankfurt lehnte eine Einstweilige Verfügung des Konzerns gegen den Arbeitskampf ab. Der Streik darf damit weitergeführt werden. Die geplante Fortsetzung der Arbeitsniederlegung bestätigte die GDL am Freitagmorgen.

„Die Kammer hat uns ganz klar bestätigt: Die Arbeitskampfmaßnahme ist rechtmäßig, sie ist zulässig und sie ist auch verhältnismäßig“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky nach der Verhandlung. „Dieses große Kino ist die exakte Wiederholung der Geschichte aus 2014 und 2015.“

Schon in der damaligen Tarifrunde hatte die Bahn gegen den Arbeitskampf der GDL geklagt und ebenfalls verloren. Auch diesmal hat der Konzern angekündigt, gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berufung bei der nächsten Instanz einzulegen. Vor dem Landesarbeitsgericht sollte die Verhandlung bereits am Freitag beginnen, wie eine Justizsprecherin ankündigte.

„Wir waren uns bewusst, dass die Hürden in einem Eilverfahren sehr hoch liegen und dass das Streikrecht in Deutschland mit gutem Grund sehr geschützt ist“, teilte eine Sprecherin der Bahn am Abend mit. „Dennoch sehen wir es als unsere Verantwortung, im Interesse unserer Kunden nichts unversucht zu lassen, den Streik zu beenden.“

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Mit der Einstweiligen Verfügung wollte die Bahn den Lokführerstreik stoppen, den die GDL am Donnerstag auch auf den Personenverkehr ausgeweitet hatte. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück. Zuvor war der Versuch des Vorsitzenden Richters Volker Schulze gescheitert, mit einem Vergleich beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückzuholen. Danach entschied die Kammer in dem Eilverfahren, dass die Streikziele der GDL nicht offensichtlich rechtswidrig seien.

Die GDL hatte es erneut abgelehnt, in Gespräche einzutreten, bevor nicht ihre sämtlichen Forderungen aus dem vergangenen Mai erfüllt würden. Damit geht der Arbeitskampf am Freitag voraussichtlich weiter. Der Streik soll noch bis Dienstagmorgen gehen.

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Die Streiks legen wieder den Zugverkehr lahm – es ist der dritte und längste Ausstand innerhalb weniger Wochen: Trotz eines neuen Angebots der Deutschen Bahn hatte am frühen Donnerstagmorgen die dritte Streikrunde der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) im Personenverkehr begonnen. Der Arbeitskampf sei wie geplant um 2.00 Uhr angelaufen, teilte die Streikleitung der Gewerkschaft mit.

Weselsky findet Angebot "inhaltlich nicht annehmbar"

GDL-Chef Weselsky wies das neue Tarifangebot der Bahn als inakzeptabel zurück. Das Angebot des Managements sei "inhaltlich nicht annehmbar", sagte Weselsky am Donnerstag in der ARD. Die schlechte Nachricht für die Bahn-Kunden sei: "Der Streik geht weiter."

Der Bahnführung warf er "Janusköpfigkeit" vor. Diese Haltung sei mit dem neuen Angebot offensichtlich geworden. Eigentliches Ziel des Managements sei es, die GDL loszuwerden. Weselsky ergänzte, die Gewerkschaft werde "natürlich" mit der Bahn weiter verhandeln.

Das Angebot vom Mittwoch enthält eine Corona-Prämie bis zu 600 Euro und sieht eine Laufzeit des Tarifvertrags von 36 Monaten vor. Bislang hatte die Bahn eine Laufzeit von 40 Monaten angeboten und die Höhe der Prämie nicht beziffert.

Bis voraussichtlich Dienstagmorgen müssen sich Bahnkunden damit vorerst weiter auf starke Einschränkungen im Fern- und Regionalverkehr des Konzerns einstellen. Die Deutsche Bahn hat angekündigt, rund jeden vierten Fernverkehrszug fahren zu lassen. Im Regional- und S-Bahnverkehr soll rund 40 Prozent des sonst üblichen Angebots Bestand haben.

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL)
Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL)

© Sebastian Gollnow/dpa

Bereits seit dem späten Mittwochnachmittag ist auch der Güterverkehr betroffen. Die Folgen sind drastisch: Im Güterverkehr trifft der Ausstand vor allem die Stahlindustrie, Auto- und Maschinenbauzulieferer sowie die chemische und die Mineralölindustrie. Dass nun erneut Lieferketten unterbrochen seien, gefährde die wirtschaftliche Erholung, warnte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen. Und für Hunderttausende Reisende fallen pünktlich zum Ferienende in mehreren Bundesländern erneut zahlreiche Fernzüge, Regional- und S-Bahnen aus.

Worum geht es bei dem Streik?

Dieser Tarifkonflikt ist speziell, weil es eben nicht nur um die Arbeitsbedingungen geht, sondern auch um die Macht der Gewerkschaften im DB-Konzern. Es gibt zwei Konflikte: Die GDL versus Bahn und ebenso GDL gegen EVG, die viel größere Eisenbahnverkehrsgewerkschaft. Die Bahn hat angekündigt, in diesem Jahr erstmals das Tarifeinheitsgesetz anzuwenden. Im Kern des Gesetzes steht die Privilegierung der größeren Gewerkschaften für den Fall, dass in einem Betrieb zwei Gewerkschaften für dieselben Beschäftigten einen Tarif abschließen.

Die 37.000 Mitglieder zählende GDL hat nun Angst, von der Bahn und der EVG (184.000 Mitglieder) kaltgestellt zu werden und versucht den Arbeitskampf zu nutzen, um zusätzliche Mitglieder zu gewinnen. Gestreikt werden darf aber nur für bessere Arbeitsbedingungen: Die GDL will in diesem Jahr eine Erhöhung um 1,4 Prozent und eine Coronaprämie von 600 Euro pro Kopf sowie 2022 weitere 1,8 Prozent. Der neue Tarif soll 28 Monate gelten. Die Bahn dagegen möchte eine Laufzeit von 40 Monaten und will die prozentualen Anhebung später vornehmen. Vor zehn Tagen hatte die Bahn einee Coronaprämie angekündigt, aber keine Zahl genannt. Die GDL hatte dann trotzdem gestreikt.

Wer ist besonders betroffen?

Sowohl Fernreisende als auch Pendler:innen, die auf Regional- und S-Bahnen angewiesen sind, müssen mit massiven Einschränkungen rechnen. Drei Viertel der Verbindungen des normalen Fahrplans fallen laut Deutscher Bahn aus.

Auch der Nahverkehr in und um Berlin ist massiv betroffen. Die Berliner S-Bahn hält ein Minimalangebot aufrecht, das sich auf Verbindungen zwischen Innenstadt und Umland fokussiert. So sollen Pendler:innen alle 20 Minuten zumindest bis zum nächsten U-Bahnhof der BVG gelangen können, denn das landeseigene Unternehmen ist vom Streik nicht betroffen.

Bei der S-Bahn dagegen ist der Ring komplett eingestellt, ebenso die Äste nach Wartenberg, Spandau und Spindlersfeld. Von Spandau bietet sich – wie auch auf anderen Strecken – der Regionalverkehr als Ersatz an. Zwar fallen auf den DB-Strecken auch dort die meisten Züge aus, aber einige Linien werden von der Odeg betrieben, die ebenfalls nicht bestreikt wird. Am Wochenende dünnt die S-Bahn ihr Angebot wegen Bauarbeiten noch weiter aus. Besonders betroffen sind der Bereich östlich des Bahnhofs Lichtenberg und die Strecken zwischen Gesundbrunnen und Waidmannslust sowie Hennigsdorf. Das reale Angebot soll mit maximal vier Stunden Vorlauf in die elektronischen Fahrplanauskünfte des Verkehrsverbundes VBB eingespeist werden.

Wie komme ich ans Ziel, wenn ich jetzt unbedingt reisen muss?

Allen, die spontan aufs Auto umsteigen wollen, rät der ADAC, sich die Verkehrssituation auf der Route vorher genau anzuschauen. In einigen Bundesländern sei wegen der Sommerferien mit viel Rückreiseverkehr zu rechnen, etwa in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. Deswegen werde es vor allem im Süden Deutschlands Staus geben. Dazu kommen die Wochenendausflügler, außerdem sei das saisonale Samstagsfahrverbot für Lkw gerade ausgelaufen.

Der Bahnstreik wird auch in Berlin zu Einschränkungen führen.
Der Bahnstreik wird auch in Berlin zu Einschränkungen führen.

© Thilo Rückeis

Mietwagen könnten am kommenden Wochenende knapp werden, auch wenn der Verband der internationalen Autovermieter sagt, dass ausreichend Fahrzeuge bereitgestellt würden. Wer stattdessen Carsharing nutzen möchte, sollte auf Tarife und Geschäftsbedingungen achten und die Preise vergleichen. Für längere Reisen gibt es bei diversen Anbietern Pakete mit größeren Kilometer- oder Zeit-Kontingenten.

Diese eignen sich aber oft nicht für One-Way-Fahrten: Wer etwa in Berlin ein Auto von Share Now ausleiht, kann dieses nicht einfach so im Geschäftsgebiet des Anbieters in einer anderen Stadt abstellen, sondern muss es in die Hauptstadt zurückbringen. Auslandsfahrten sind nicht bei allen Anbietern möglich oder müssen vorher angemeldet werden.

Eine andere Bahn-Alternative sind Fernbusse. Doch auch in denen dürfte es voll werden: Die Nachfrage habe sich im Vorfeld des GDL-Streiks verdreifacht, sagte eine Sprecherin von Flixbus. Deswegen werde es „punktuell ein Zusatzangebot“ geben. Der Konkurrent Blablacar, der nach eigener Aussage beim vergangenen Lokführerstreik Buchungsrekorde verzeichnete, will hingegen auch diesmal keine zusätzlichen Busse einzusetzen. Die hauseigene Mitfahrzentrale könne das Nachfrageplus auffangen, hieß es.

Welche Rechte haben Reisende jetzt?

Schon gebuchte Tickets für Fernverkehrszüge, die streikbedingt ausfallen, können flexibel bis einschließlich 17. September genutzt werden. Bei Sparpreisen entfällt die Zugbindung. Sollte die Fahrt gar nicht mehr angetreten werden, können Tickets kostenfrei erstattet werden. Bei deutlichen Verspätungen wegen des Streiks ist ebenfalls eine Erstattung möglich, die über das Internet beantragt werden kann. Wie hoch die Entschädigung ausfällt, hängt von der Länge der Verspätung ab. Bei einer Verzögerung von mehr als 60 Minuten muss die Bahngesellschaft kostenlos Erfrischungen und Mahlzeiten anbieten.

Die Bahn empfiehlt zudem, in den verbleibenden Zügen dringend einen Sitzplatz zu reservieren. Eine Fahrradmitnahme ist an den Streiktagen in Fernzügen nur noch mit Stellplatz-Reservierung möglich.Hat man diese, aber der Zug fällt streikbedingt aus, kann das Rad kostenlos per DB Gepäckservice versandt werden.

Aktuelle Informationen dazu, welche Züge noch fahren, gibt es online unter bahn.de, in der App DB Navigator oder unter der kostenlosen Hotline 08000 99 66 33. Verbraucherschützer empfehlen zudem, die Verspätung mit Fotos oder Screenshots zu belegen. Die Bahn empfiehlt zudem, sich Verspätungen diese immer von Mitarbeiter:innen des Unternehmens bestätigen zu lassen. Sollte wegen einer Verspätung ein anderes Verkehrsmittel gewählt werden, besteht auch hier die Möglichkeit auf Schadensersatz.

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Wer ins eigene Auto umsteigt, kann sich die Kosten aber nicht erstatten lassen. Ebenso wenig wie Geschäftsreisende, bei denen durch den Streik ein wichtiger Geschäftstermin geplatzt ist. Hier besteht kein Anspruch auf Schadensersatz. Wer geschäftlich Bahnfahren wollte, aber es wegen des Streiks nicht konnte, bekommt immerhin die Kosten für sein Ticket erstattet. Die Bahn kann sich hier anders als die Airlines nicht auf höhere Gewalt berufen, hat der Europäische Gerichtshof schon 2013 entschieden.

Darf ich mich bei der Arbeit verspäten oder sogar im Homeoffice bleiben?

Arbeitnehmer:innen müssen trotz Streik pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen. Sonst riskieren sie, dass für die ausgefallene Zeit ihr Gehalt anteilig gekürzt wird. Wie auch im Fall von Naturereignissen wie Schnee, Glatteis oder Hochwasser gilt hier das sogenannte Wegerisiko. Angestellte müssen sich um alternative Anreisemöglichkeiten kümmern, mögliche Zusatzkosten sind selbst zu tragen. In welcher Höhe, das hängt laut Arbeitsrechtlern vom Einzelfall ab. Wer nicht im Schichtbetrieb arbeitet oder Gleitzeit hat, bei dem dürfte die Verspätung ohnehin weniger problematisch sein, Ausfälle lassen sich leichter nachholen.

Immer sollten Angestellte aber unmittelbar ihren Vorgesetzten Bescheid geben, dass sie sich verspäten, sonst droht eine Abmahnung.

Vorab besprechen sollte man laut Arbeitsrechtlern auch das Thema Homeoffice. Wer Verspätungen befürchtet, darf nicht einfach so zuhause bleiben und von dort aus arbeiten. In Deutschland gibt es kein gesetzlich verankertes Recht auf Heimarbeit.

Wie geht es nun weiter?

Die Bahn agierte trickreich. Unmittelbar vor dem zweiten Streikt kündigte sie vor zehn Tagen die Bereitschaft zur Zahlung einer Coronaprämie an - ohne konkret zu werden. Weselsky sprach damals von Scheinofferte und zog den Streik durch. Am späten Mittwochnachmittag wiederholte sich das Spiel: Rund neun Stunden vor Streikbeginn im Personenverkehr ging Personalvorstand Martin Seiler einen großen Schritt auf die GDL zu: Neben der Verkürzung der Tarifvertragslaufzeit bietet er eine Coronaprämie zwischen 400 und 600 Euro. Die GDL hat jetzt ein Legitimationsproblem und wird den Arbeitskampf kaum wie geplant über fünf Tage strecken können.

Fahrgastverband Pro Bahn fordert Abbruch

Der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Detlef Neuß, hat die Lokführergewerkschaft GDL für die Fortsetzung des Streiks bei der Deutschen Bahn kritisiert. "Das ist das größtmögliche Chaos", sagte Neuß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Fahrgäste hängen in der Luft und wissen nicht, worauf sie sich in den nächsten Tagen einstellen müssen."

Neuß forderte, die GDL solle den Streik "jetzt sofort abbrechen und verhandeln". Für die Fahrgäste sei die Fortsetzung des Streiks nicht mehr vermittelbar. "Es herrscht völliges Unverständnis bei vielen Bahnfahrern - so geht das nicht weiter", sagte er. "Bei dem Chaos werden sich viele Menschen von der Bahn abwenden und wieder mit dem Auto fahren." (mit dpa und AFP)

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