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Kinder auf einer Hüpfburg. Das Armutsrisiko von Familien erhöht sich mit jedem Kind.

© Ralf Hirschberger/dpa

Bertelsmann-Studie: Armutsrisiko von Familien größer als angenommen

Eine Bertelsmann-Studie zeichnet ein drastisches Bild der sozialen Lage. Eine neue Methodik ergibt: Arme Familien wurden zuvor reicher gerechnet, als sie tatsächlich sind.

Arme Familien und Alleinerziehende stehen einer neuen Studie zufolge oft noch schlechter als bislang angenommen da. Forscher hätten durch eine neue Berechnungsmethode festgestellt, "dass vor allem arme Familien bisher reicher gerechnet wurden, als sie tatsächlich sind", erklärte die Bertelsmann-Stiftung am Mittwoch. Vor allem die Einkommenssituation von Alleinerziehenden sei schlechter als gedacht.

Mit einer neu entwickelten Methodik haben Bochumer Wissenschaftler im Auftrag der Stiftung für alleinerziehende Eltern eine Armutsrisikoquote von 68 Prozent errechnet. Das seien über 20 Prozentpunkte mehr als in früheren Untersuchungen, hieß es. In einer ersten Reaktion auf die Studie forderte das Deutsche Kinderhilfswerk eine grundlegende Reform der Familienförderung und erneuerte seine Forderung nach einer Kindergrundsicherung.

Bei Paaren mit Kindern liegt das Armutsrisiko der Bertelsmann-Studie zufolge um knapp drei Prozentpunkte über früher ermittelten Werten. So seien etwa 13 Prozent der Paare mit einem Kind armutsgefährdet, bei Paaren mit drei Kindern liege die Quote bei 18 Prozent.

Neue Berechnungsmethode

Die neue, an der Ruhr-Universität Bochum entwickelte Rechenmethode soll nach Angaben der Stiftung „einen realistischeren Blick auf die Einkommenssituation von Familien ermöglichen“. Leitende Autoren der Studie sind die Professorin für Sozialpolitik, Notburga Ott, und der Sozialökonom Martin Werding.

Die Wissenschaftler stellten einkommensabhängige Skalen für verschiedene Haushaltstypen auf und ermittelten, welche zusätzlichen Kosten je nach Familientyp und Einkommensniveau durch Kinder entstehen. Sie grenzten sich damit von der oft genutzten OECD-Skala ab, die auf einkommensunabhängigen Werten basiere. Sie überschätze die Einkommenssituation von armen Haushalten und unterschätze die von wohlhabenden Familien, hieß es. Arme Familien würden mit der OECD-Skala reicher, wohlhabende weniger reich gerechnet.

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Die Untersuchung zeigt zudem, dass in den vergangenen 25 Jahren Paare mit Kindern oder Alleinerziehende im Durchschnitt finanziell stets schlechter gestellt waren als kinderlose Paare. „Mit jedem zusätzlichen Kind wird die finanzielle Lage von Familien schwieriger“, erklärte Jörg Dräger vom Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Die Einkommensschere zwischen wohlhabenden und armen Familien sei in diesem Zeitraum weiter aufgegangen. Nur Familien, die ihre Erwerbstätigkeit ausbauen konnten, hätten ihre Einkommenssituation halten oder verbessern können, hieß es weiter. In der Regel seien die Mütter im größeren Umfang als zuvor berufstätig gewesen. Entscheidend hierfür sei der Ausbau der Kindertagesbetreuung gewesen. Dagegen hätten Kindergelderhöhungen die Situation von Familien mit Kindern nicht nachhaltig verbessert.

Kinderhilfswerk fordert Grundsicherung

Das Kinderhilfswerk erklärte, „statt kleiner Reformschräubchen“ sei bei der Förderung von Familien eine grundsätzliche Lösung in Form einer Kindergrundsicherung vonnöten, die das Existenzminimum von Kindern unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern, der Familienform und den bisherigen Unterstützungen gewährleistet. Darüber hinaus sollte ein Bundeskinderteilhabegesetz für Kinder und Jugendliche aus Familien in prekären Lagen einen Rechtsanspruch auf Förderung und Teilhabe festschreiben. (epd/AFP/KNA)

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