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Polizisten in Berlin-Tempelhof

© dpa/Paul Zinken

Berlins Antidiskriminierungsgesetz: Das Werk von Amateuren

Berlins Justizsenator Behrendt und der Senat haben die Landesbediensteten allein gelassen. Das Vertrauensverhältnis ist schwer beschädigt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alexander Fröhlich

Nicht einmal Berlins Justizsenator Dirk Behrendt von den Grünen rechnet mit einer Klageflut durch das neue Landesantidiskriminierungsgesetz. Doch wozu braucht es dann das Gesetz?

Behrends Anliegen mag berechtigt sein: Das Gesetz soll es Menschen erleichtern, sich zu wehren, sollten sie von staatlichen Stellen wegen Herkunft, Sexualität oder Status' diskriminiert werden. Nicht nur mit Klagen, auch mit einer Ombudsstelle, die Konflikte lösen und für Diskriminierung sensibilisieren kann.

Ob das nur in Recht gegossene Symbolpolitik ist, sei dahingestellt. Grundsätzliches ist offen: Ist es der Rechtsordnung zuträglich, neben dem üblichen Rechtsweg, auf dem sich Bürger gegen den Staat wehren können, einen weiteren zu schaffen? Wenn neben Verwaltungsrichtern, die über die Rechtsmäßigkeit staatlichen Handelns beweissicher urteilen müssen, Zivilrichter entscheiden, ob nur „überwiegend wahrscheinlich“ diskriminiert wurde?

Wenn nur Berliner Polizisten in Regress genommen werden können, jene anderer Bundesländer und des Bundes aber nicht? Wenn Berlin entgegen der Pflicht zur Wirtschaftlichkeit auf Regress gegen andere Bundesländer verzichtet?

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Senat glänzt durch politischen Dilettantismus

Desaströs ist die politische Performance. Der Senat agierte nicht mit strategischem Weitblick, sondern auf Amateurliga-Niveau. Justizsenator Behrendt war früh bewusst, dass es Widerstand gibt. Ausgerechnet der Chef eines Verfassungsressorts schlug die Kritik jener in den Wind, die die Verfassung schützen sollen und ihr verpflichtet sind.

Vom Justizsenator und von Innensenator Andreas Geisel (SPD) dürfen Landesbedienstete erwarten, dass sie alles unternehmen, um ihre Bedenken im Vorfeld auszuräumen. Zumal es bei der Polizei um den Kernbereich des staatlichen Gewaltmonopols geht. Doch statt die Landesdiener mitzunehmen, sie zu führen, glänzte der Senat durch politischen Dilettantismus.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hat nicht ausreichend mit den Landesbediensteten kommuniziert.
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hat nicht ausreichend mit den Landesbediensteten kommuniziert.

© Christophe Gateau/ dpa

Die Kommunikation mit den Landesbediensteten hat nicht stattgefunden

Ein Beispiel: Vor zwei Jahren bekam der Hauptpersonalrat, zuständig für alle 120.000 Landesbedienstete, den Gesetzentwurf und warnte vor Missbrauch, wenn – wie geschehen – Clan-Kriminelle Polizisten Rassismus vorwerfen. Und vor Bürokratie, weil Beamte Vermerke schreiben müssen, um sich abzusichern.

Der Personalrat forderte eine Dienstvereinbarung, damit klar ist, womit Beamte rechnen müssen. Es war zäh, Eckpunkte wurden im November 2019 vereinbart, der Senat sollte einen Entwurf vorlegen. Geschehen ist nichts. Dennoch beschloss das Abgeordnetenhaus am 4. Juni das Gesetz. Laut Justizverwaltung hat sich die verabredete Klarstellung für die Beamten „coronabedingt“ verzögert.

Verzweifelt debattiert der Innensenator nun auf Facebook mit Polizisten

Der Justizsenator und der Senat hätten Ängste einfangen und die Landesdiener begleiten können – mit der rechtzeitigen Vereinbarung, mit durchdachter Kommunikation. Stattdessen wirft sich nun Innensenator Geisel, der das Gesetz „nicht gebraucht“ hat, in die Bresche – zu spät. Wie verzweifelt muss die Lage sein, wenn er auf Facebook auf Kommentare einzelner Polizisten antwortet?

Und da ist Polizeipräsidentin Barbara Slowik, die sich nun öffentlich hinter ihre 25.000 Mitarbeiter stellt – auch zu spät. Das Vertrauen in den zur Fürsorge verpflichteten Dienstherrn ist schwer beschädigt.

Das wäre vermeidbar gewesen – mit kluger, vorausschauender Politik und Gespür für die Bruchstellen. Beides fehlte. Ob der Senat blauäuig war oder nicht willens, ist einerlei. Es bleibt: Versagen – bei der Legitimation für sich und seine Politik.

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