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Zuverlässig, leicht, bedienungsfreundlich: Die Soldaten sind mit dem G36 zufrieden.

© dpa

Bericht über G36-Gewehr: Zuverlässig statt ungenau

Ein Bericht widerlegt die Qualifizierung des G36 als „Pannengewehr“. Das Verteidigungsministerium will es trotzdem ausmustern.

Von Robert Birnbaum

Mit Politskandalen ist es wie mit Luftballons, nur umgekehrt: Die Gummihüllen knallen, wenn sie platzen; beim Skandal hingegen macht das Aufblasen den größten Lärm. Am Mittwoch hat Winfried Nachtwei einem dieser Polit-Ballons lautlos die Luft abgelassen. Monatelang ist der frühere Grünen-Verteidigungsexperte zusammen mit dem Ex-Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus der Frage nachgegangen, ob ihr Sturmgewehr die Bundeswehr im Einsatz in Gefahr gebracht hat. Das Urteil der Kommission fällt eindeutig aus: „Die einsatzerfahrenen Soldaten haben die Qualifizierung des G36 als ,Pannengewehr‘ widerlegt.“

Die beiden Fachleute sprachen mit mehr als 150 Soldaten

Nachtwei und Königshaus haben ihren Befund am Mittwoch dem Verteidigungsausschuss erläutert und ihren Bericht der Auftraggeberin, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), übergeben. Ihre Schlussfolgerung ist gut begründet. Die beiden Verteidigungsfachleute haben alle Berichte aus dem Einsatz ausgewertet und mit mehr als 150 Soldaten gesprochen, die zum Teil mehrfach im Gefecht standen. In keinem einzigen Fall, betonen sie, sei ein deutscher Soldat wegen seines Sturmgewehrs zu Schaden gekommen oder gar gestorben.

Mehr noch: Bis heute sieht kein Soldat einen Grund, dem G36 zu misstrauen. Zuverlässig, leicht, bedienungsfreundlich lauten die Urteile. Dass eine Prüfung auf dem Schießstand Zielabweichungen nach massivem Dauerfeuer oder bei großen Temperaturschwankungen ergab, finden die Soldaten gleichgültig. „Ein Schütze ist kein Schraubstock“, zitiert der Bericht einen Soldaten. Etwas Vergleichbares wie das Laborszenario habe es im Einsatz nie gegeben, ein derart hoher Munitionsverbrauch wäre auch „unprofessionell“. Zudem kenne jeder die Grenzen seiner Waffe. Nachtwei räumt ein, dass Soldaten im Gefecht ihre Trefferquote nicht überprüfen können. Gleichwohl findet auch er, im Labor sei ein „Extremszenario“ überprüft worden.

Ein zweiter Bericht entlastet den früheren Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) von dem Vorwurf, er habe Probleme mit dem Gewehr nicht ernst genommen. Der Commerzbank-Aufsichtsratsvorsitzende Klaus-Peter Müller traf zwar auf viel Durcheinander im Verteidigungsressort und eine vorsintflutliche Aktenführung. „Die Zeit, in der wir Panzer manuell gezählt haben, müsste eigentlich längst vorbei sein“, wundert sich der Banker. Doch Müller konnte weder Hinweise auf Korruption entdecken noch jemanden dingfest machen, dem man das Chaos hauptverantwortlich anlasten kann. Im Haus, so sein Fazit, seien die zwei Wirklichkeiten über das G36 im Labor und im Feld bekannt gewesen, bis zum Minister drangen sie so nie vor.

Ursula von der Leyen hatte ihr Urteil schon vor der Kommission gefällt

Was möglicherweise auch an dem Mann lag, der Alarm geschlagen hatte. Mit dem Waffenexperten beim Beschaffungsamt der Bundeswehr befasst sich ein dritter vertraulicher Bericht des Ministeriums. Der Mann hatte nicht nur beim G36, sondern auch bei anderen Handwaffen Mängel moniert. Einige dieser Hinweise erwiesen sich als korrekt – die meisten hielten der Nachprüfung aber nicht stand.

Ist das „Pannengewehr“ also rehabilitiert? In der Spitze des Ministeriums sehen sie das naturgemäß nicht so. Schließlich hatte Leyen ihr Urteil über das Sturmgewehr schon gefällt, bevor sie die Kommissionen berief, nämlich „dass das G36, so wie es heute konstruiert ist, keine Zukunft in der Bundeswehr hat.“ Damals stützte sie sich auf die Labortests, an dieser Linie hält sie fest. „Das kann man nicht ignorieren“, heißt es in der Ministeriumsspitze.

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