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Der Journalist Jamal Khashoggi wurde 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet. (Archiv)

© Hasan Jamali/dpa

Update

Bericht belastet bin Salman: UN-Chef sieht keine Autorität für Untersuchung

Khashoggi war im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul getötet worden. „Glaubhafte Hinweise“ belasten nun den saudischen Kronprinzen, so eine UN-Expertin.

UN-Generalsekretär António Guterres hat nach eigener Einschätzung nicht die Autorität, eine Untersuchung gegen den saudischen Kronprinzen wegen des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi einzuleiten. Sein Sprecher Stephane Dujarric sagte am Mittwoch vor Journalisten in New York, Guterres halte eine „umfassende, transparente Untersuchung“ für notwendig, sehe sich aber nicht befugt, eine solche in Auftrag zu geben.

Die UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen, Agnès Callamard, hatte zuvor in einem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat in Genf geschrieben, dass es glaubwürdige Hinweise auf eine mögliche persönliche Verantwortung von Kronprinz Mohammed bin Salman und anderer ranghoher Vertreter Saudi-Arabiens in den Fall Khashoggi gebe. Zur persönlichen Schuldfrage des Kronprinzen hatte sie sich nicht festgelegt. Dazu sei eine weiterführende Untersuchung nötig. Callamard hatte Guterres aufgefordert, eine solche anzuordnen oder Leitlinien für ein Tribunal zu entwickeln.

Guterres hatte immer wieder betont, er könne ohne Mandat eines UN-Gremiums oder Bitte eines involvierten Mitgliedslandes keine Untersuchung einleiten. Mehrere Menschenrechtsgruppen werfen ihm vor, er könne das doch, entscheide sich aber bewusst dagegen.

Der einflussreiche US-Senator Lindsey Graham kritisierte den saudischen Kronprinzen scharf. „Er war es. Es wäre ohne ihn nicht passiert“, sagte Graham am Mittwoch in Washington. Und dies sei „nur die Spitze des Eisbergs“ von dem, was im Königreich vor sich gehe.

Einflussreicher US-Senator kritisiert saudischen Kronprinzen scharf

Der Mord an dem Kolumnisten der „Washington Post“ im vergangenen Jahr zeige den fehlenden Respekt der saudischen Führung für die Vereinigten Staaten. „Ich persönlich fühle mich betrogen“, sagte Graham, der sich schon früher kritisch über den faktischen Herrscher Saudi-Arabiens geäußert hatte. Was dort passiere, sei nicht normal. 

Khashoggi (59) war in Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem aus Riad eigens angereisten Spezialkommando ermordet worden, als er Papiere für seine Hochzeit abholen wollte. Das hat die saudische Führung nach internationalem Druck eingeräumt und elf Männer vor Gericht gestellt.

Callamard, UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen, forderte zuvor internationale Sanktionen gegen den Kronprinzen. Zwar gelte für jeden immer die Unschuldsvermutung. Aber bei anderen Sanktionen werde darauf auch keine Rücksicht genommen.

Internationale Standards seien nicht bekannt. „Bis solche Standards veröffentlicht sind und ihre Anwendbarkeit auf Einzelpersonen ausgeführt ist, gibt es keinen Grund, warum Sanktionen nicht gegen den Kronprinzen und seinen persönlichen Besitz verhängt werden sollten“, schrieb Callamard.

Sie kritisierte eine in ihren Augen lahme internationale Reaktion, auch, wenn einige Staaten Sanktionen verhängt hätten. „Diese müssen fortgesetzt werden. Sie sind wichtig, aber unzureichend“, erklärte Callamard. „Diese Sanktionen gegen 17 Personen vernebeln die Tatsache, dass der Staat verantwortlich ist.“

Kein Mordkommando ohne Wissen des Kronprinzen, heißt es im Bericht

Nach Einschätzung Callamards ist es nicht glaubhaft, dass die Entsendung des saudischen Mordkommandos ohne das Wissen von Kronprinz Mohammed bin Salman erfolgt sein könnte. Er habe allgemein die Verfolgung von Dissidenten zugelassen. Außerdem hätte die Zerstörung der Beweismittel nach dem Mord im Konsulat in Istanbul nicht stattfinden können, ohne dass der Kronprinz Bescheid wusste.

„Die Sonderberichterstatterin ist zu dem Schluss gekommen, dass es glaubhafte Hinweise gibt, die weitere Untersuchungen zur individuellen Verantwortung ranghoher saudischer Vertreter, einschließlich des Kronprinzen, rechtfertigen“, schrieb Callamard.

„Zur Schuld ist es zu keiner abschließenden Beurteilung gekommen. Der einzige Schluss ist, dass es glaubhafte Belege gibt, die weitere Untersuchungen durch geeignete Behörden verdienen, um festzustellen, ob die Schwelle krimineller Verantwortung überschritten worden ist.“

Die türkische Verlobte fordert nun Konsequenzen

Es sei viel darüber spekuliert worden, ob Kronprinz Mohammed bin Salman persönlich den Auftrag zur Ermordung Khashoggis gegeben habe, schrieb Callamard. Diese Konzentration auf einen möglichen Befehl und die Suche nach einem „rauchenden Colt“ wecke Erwartungen, die womöglich nicht erfüllt werden könnten. Es sei bei Menschenrechtsverletzungen mindestens genauso wichtig, diejenigen zu identifizieren, die ihren Einfluss und ihre Macht ausgenutzt hätten, die nicht so sorgfältig gehandelt hätten, wie es ihr Amt verlange.

Die türkische Verlobte Khashoggis begrüßte den Bericht der UN-Menschenrechtsexpertin. In einem Tweet schrieb sie: „Der Aufruf der UN-Sonderberichterstatterin, gegen MBS wegen des Mordes an meinem geliebten Jamal zu ermitteln, ist eine willkommene Entwicklung.“ MBS steht für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Jetzt müssten die UN der Empfehlung folgen, forderte Cengiz. „Der Gerechtigkeit muss gedient und die Wahrheit enthüllt werden.“ (dpa)

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