zum Hauptinhalt
Sieht sich und Hartmut Mehdorn nicht weit voneinander entfernt. BER-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck.

© dpa

BER-Aufsichtsratschef im Interview: Platzeck: „Ich finde es gut, wie tabulos Herr Mehdorn herangeht“

Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck spricht im Interview über die Pannen am BER, das Warten auf einen Eröffnungstermin und die Chancen des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück.

Von

Herr Platzeck, was ist für Sie die größere Quälerei, Flughafen-Aufsichtsrat oder der Hexenschuss nach einem Sportunfall?

Ich bin seit vier Monaten Vorsitzender des Aufsichtsrats. Das ist eine zusätzliche Aufgabe, eine die Kraft braucht, aber nicht weh tut. Das andere ist schlimmer.

Vier Mal wurde vergeblich versucht, den Flughafen zu starten. Nun will Vorstandschef Hartmut Mehdorn den BER erst ein bisschen eröffnen. Was halten Sie davon?
Mit dem Unternehmen ist ausgemacht, dass bis Spätsommer 2013 Szenarien geprüft werden, wann und wie der Flughafen eröffnet werden kann. Erst dann wird entschieden. Es gibt dabei Rahmenbedingungen, die stehen, eine davon heißt: Es wird ein Single-Flughafen, der künftig den Flugverkehr für Berlin und Brandenburg abwickeln wird. Ob der Start des BER auf einen Schlag erfolgt, an einem Tag, in einer Nacht, oder es Zwischenschritte gibt, wird mit untersucht. Es geht aber nicht darum, Tegel jahrelang parallel offen zu halten.

Die Tegel-Anwohner brauchen sich keine Sorgen zu machen?
Ganz klar: Nein. Es kann allenfalls um einige Wochen oder Monate länger in Tegel gehen, um eine Übergangsfrist, falls ein gleitendes Eröffnungsszenario trägt. Tegel wird keine wie auch immer geartete Dauerlösung. Ich kann mir das rechtlich nicht vorstellen, auch betrieblich und finanziell nicht.

Herr Mehdorn klingt anders.
Ich glaube, dass Herr Mehdorn nicht weit von dem entfernt ist, was ich gesagt habe.

Ein neuer BER-Eröffnungstermin ist nicht in Sicht. Warum geht es nicht schneller?
Natürlich wissen wir, dass das im gesamten Zeitablauf alles viel zu lange gedauert hat. Ich bin vor vier Monaten unter der Prämisse angetreten, systematisch, zügig, aber nicht überstürzt, zu einem tragfähigen Fahrplan zu kommen. Wir haben die Geschäftsführung inzwischen komplett und kompetent neu besetzt, wir sind bei der Bestandsaufnahme vorangekommen. Im Spätsommer werden wir über die Szenarien zur Eröffnung Klarheit haben. Und ich bleibe dabei: In diesem Jahr wird ein neuer Eröffnungstermin genannt.

Der BER wird in absehbarer Zeit an Kapazitätsgrenzen stoßen. Was halten Sie vom Vorschlag, Billig-Airlines weiter im alten Schönefelder Terminal abzufertigen?
In der Interimszeit, die unschön ist, wachsen viele Gedankenspiele. Das ist eines. Wir haben einen Flughafen konzipiert, der auch so gut wie fertig ist. Er kann und wird den Flugverkehr bewältigen.

Nicht wenige Gedankenspiele gehen auf Mehdorn selbst zurück, Tegel-Debatte, Scheibchen-Eröffnung. Wird sein ständiges Vorpreschen zum Problem?
Nein, überhaupt nicht. Herr Mehdorn ist ja kein Unbekannter. Ich kann mit seinen Denkmodellen – die ich nicht durchweg teile – gut leben. Denn ich finde es richtig, dass Herr Mehdorn tabulos an diese verfahrene Kiste herangeht, um den vernünftigsten Weg herauszufinden. Denkverbote sind immer falsch. Aber: Wir sollten manche Debatten zunächst intern führen. Da müssen wir besser werden, um so wenig wie möglich zu irritieren.

Herr Mehdorn hat weiter freie Hand?
Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung. Er füllt diese Rolle aus. Und das ist gut so.

Aber er wurde gestoppt, als er einen Kommunikationschef für ein Managergehalt von 200 000 Euro plus Boni einstellen wollte. Bedauern Sie das Veto Berlins?
Die Personalie hat die erforderliche Mehrheit in den Gremien nicht bekommen. Mit dem Fakt müssen wir umgehen.

Sie hätten die Personalie bewilligt?
Sehen Sie mir nach, ich diskutiere Personalien nie öffentlich. Ich bin da sehr altmodisch.

"Wowereit und ich sind unterschiedliche Typen"

Leicht lädiert erscheint Matthias Platzeck zum Interview. Der Ministerpräsident spricht von einer „kleinen Malaise“, die er sich bei einem frühmorgendlichen Sportunfall zugezogen habe und die jedem passieren könne.
Leicht lädiert erscheint Matthias Platzeck zum Interview. Der Ministerpräsident spricht von einer „kleinen Malaise“, die er sich bei einem frühmorgendlichen Sportunfall zugezogen habe und die jedem passieren könne.

© Manfred Thomas

Haben Sie Sorge, dass Mehdorn von Bord geht, wenn solche Konflikte eskalieren?
Nein. Und ich bin in ständigem Kontakt mit Hartmut Mehdorn.

Die BER-Kosten sind auf 4,4 Milliarden Euro gestiegen. Jeder Monat kostet 30 Millionen Euro. Wann sprechen Sie offen aus, dass fünf Milliarden Euro nicht reichen werden?
Wir sollten vor allem offen darüber reden, dass seriöse Finanzvorhersagen eng mit dem Eröffnungstermin zusammenhängen. Erst wenn der feststeht, kann man den Finanzbedarf errechnen. Gleiche Vorsicht gilt bei vermeintlich monatlichen Verlusten. Fest steht: Das Geld, das die Gesellschaft im Moment braucht, haben wir zur Verfügung gestellt. Und richtig ist auch: Wegen der Kosten müssen wir alle Anstrengungen darauf richten, den Flughafen möglichst schnell zu eröffnen.

Wann ziehen Berlin, Brandenburg und der Bund als Eigner da endlich an einem Strang?
Das geschieht inzwischen seit dem Spitzentreffen im Januar, und das trotz unterschiedlicher Interessen, trotz Wahlkampfzeiten. Ganz Märkisch: Ich habe da nichts zu meckern.

Machen wir die Probe aufs Exempel! Sie wollen neuerdings ein erweitertes Nachtflugverbot am BER. Beißen Sie in Berlin und beim Bund damit immer noch auf Granit?
Ich bemühe mich um mehr Nachtruhe für die Anwohner am BER. Dem Ganzen liegt nach einem erfolgreichen Volksbegehren ein Landtagsbeschluss zugrunde, der über alle Parteien hinweg nur fünf Gegenstimmen hatte. Das nehme ich ernst. Die Gespräche mit der Flugsicherung, mit Berlins Senatskanzlei haben begonnen. Es ist schwierig, aber der Anfang ist gemacht. Und vor der Landtagswahl 2014, und zwar lange vorher, muss eine Lösung gefunden sein. Die Landtagsentschließung hat die Richtschnur markiert.

Klaus Wowereit hat Sie mitten in diesem Konflikt als „politischen Freund“ bezeichnet. Gilt das auch umgekehrt?
Natürlich. Wir sind unterschiedliche Typen, das wissen wir aber auch. Wir arbeiten über ein Jahrzehnt sehr gut zusammen. Konträre Positionen, die auch mal öffentlich werden, gehören dazu. Das ist ganz normal.

Ihr Land ist gerade mit dem Flughafen vor dem Oberverwaltungsgericht mit dem Versuch gescheitert, den Schallschutzstandard für die BER-Anrainer zu verringern. War der Vorstoß ein Fehler?
Bevor wir irgendwelche Schlüsse ziehen, warten wir die schriftliche Urteilsbegründung ab. Auch aus Respekt vor der dritten Gewalt. Nur so viel: Auch was geplant war, hätte einen sehr guten Schallschutz garantiert. Was das Gericht verlangt, ist eine Steigerung des sehr guten Schallschutzes.

Sie haben Ihr politisches Schicksal mit dem Erfolg des BER verknüpft. Manche Brandenburger sorgen sich seit der Übernahme des Chefpostens im Aufsichtsrat, der Stress um den Flughafen könne Sie krank machen wie einst die SPD.
Ich habe keinen Grund zu klagen, wenn man von der aktuellen kleinen Malaise absieht, die jedem passieren kann. Ich habe im Januar die Führung für das wichtigste Vorhaben unserer Region übernommen. Und es macht mir nach wie vor Spaß.

Ihre Partei hat im Bund wenig zu Lachen. Glauben Sie viereinhalb Monate vor der Bundestagswahl noch an die rot-grüne Chance, Angela Merkel abzulösen?
Na, der Wahlkampf fängt ja erst an. Die SPD hat ein sehr überzeugendes Wahlprogramm, das Antworten auf die Sorgen der Menschen gibt. Das Auseinanderdriften der Gesellschaft beschäftigt die Bürger genauso wie der Wunsch, vom Lohn eigener Arbeit leben zu können, statt in prekäre Jobs abgedrängt zu werden. Diese Themen werden stärker ins Bewusstsein rücken, je näher der Wahltermin rückt.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat Vertrauen verloren. Wie will er aufholen?
Peer Steinbrück war in den vergangenen Wochen viel unterwegs. Ich erlebe dabei einen Menschen, der sehr sensibel die Schwingungen und Sorgen der Gesellschaft aufnimmt. Er ist eben nicht nur sehr klug und kompetent, nicht nur ein rationaler Krisenmanager. Er ist auch ein sehr mitfühlender, durch und durch empathischer Mensch.

Warum weiß das keiner?
Bis zur Wahl werden wir da nachlegen.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat sich für ein generelles Tempolimit von 120 Kilometer pro Stunde ausgesprochen. Was halten Sie davon?
Unser Autobahnsystem ist nicht nur gut ausgebaut, sondern auch gut geregelt. Wo es nötig ist, drosseln wir das Tempo, um Unfälle zu vermeiden. Ich sehe keine Notwendigkeit für weitere Einschränkungen.

Hat es Sie gefreut, dass Peer Steinbrück in der Tempolimit-Frage dem Parteichef widersprochen und damit von seiner Beinfreiheit Gebrauch gemacht hat?
Freude ist nicht meine Kategorie in der politischen Diskussion. In der Sache teile ich das, was Peer Steinbrück gesagt hat.

Das Gespräch führten Thorsten Metzner und Hans Monath.

Zur Person:

LANDESVATER

Matthias Platzeck (59) ist seit fast zehn Jahren Ministerpräsident von Brandenburg. Erste politische Erfahrungen hatte der Umwelthygieniker als Oppositioneller in der Endphase der DDR gesammelt.

CHEFKONTROLLEUR

Im Januar wurde Platzeck als Nachfolger von Klaus Wowereit zum BER-Aufsichtsratschef gewählt. Er hat seine politische Karriere an den Erfolg des Flughafen gekoppelt.

SOZIALDEMOKRAT

Seit bald 18 Jahren ist Platzeck in der SPD. Im November 2005 wurde er zum SPD-Bundesvorsitzenden gewählt. Nach gesundheitlichen Rückschlägen gab er dieses Amt nach fünf Monaten wieder auf.

Zur Startseite