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Stein für Stein. Auch im Westjordanland findet die Gewalt kein Ende.

© Ammar Awad/Reuters

Benjamin Netanjahu in Berlin: Mit Diplomatie gegen Gewalt

Benjamin Netanjahu kommt nach Berlin. Bei seinen Gesprächen mit Angela Merkel und US-Außenminister John Kerry stehen die Unruhen in Israel im Mittelpunkt – und der Iran.

Alltag im Ausnahmezustand – für Israelis ist das nichts Ungewöhnliches. Doch die anhaltende Gewalt mit fast täglichen Angriffen von palästinensischen Extremisten auf Juden macht den Menschen schwer zu schaffen. Wem kann ich noch trauen? Ist mein arabischer Nachbar womöglich ein Attentäter, der bei nächster Gelegenheit auf mich einsticht? Sollte ich mir nicht besser eine Waffe zulegen, um meine Familie und mich selbst zu schützen?

Im Land, vor allem in Jerusalem und im Westjordanland, herrscht inzwischen eine fatale Stimmung aus Angst, Wut und Misstrauen. Vor zwei Tagen kostete die Panik einen Eritreer das Leben. Er wurde fälschlicherweise für einen Angreifer gehalten, von einem Wachmann angeschossen und vor seinem Tod offenbar von einer aufgebrachten Menge misshandelt.

Gleichzeitig lassen radikale Kräfte auf palästinensischer Seite keine Gelegenheit aus, die Stimmung anzuheizen. Im Internet gibt es zum Beispiel Empfehlungen, welche Messer sich für Angriffe auf die „Besatzer“ eignen und an welcher Stelle des Körpers man den größten Schaden anrichtet. Und immer wieder wird behauptet, Israel wolle den Status quo auf dem Tempelberg ändern. Jede Beteuerung, das sei nicht geplant, wird als „zionistische Lüge“ abgetan.

Auf neutralem Boden

Das ist die schwierige Ausgangssituation für Benjamin Netanjahus Besuch in Berlin, der am heutigen Mittwoch beginnt. Ursprünglich wollte sich der Premier aus Jerusalem schon am 8. Oktober mit Kanzlerin Angela Merkel im Rahmen der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen austauschen und den 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern feiern. Doch wegen der Unruhen musste Netanjahu kurzfristig absagen. Jetzt wird das Treffen nachgeholt. Und der aktuelle Konflikt im Nahen Osten dürfte die Gespräche beherrschen.

Dafür spricht auch, dass US-Außenminister John Kerry eigens nach Berlin reisen wird, um mit Netanjahu zusammenzukommen – gewissermaßen auf neutralem Boden. Denn es geht darum, mit politischen und diplomatischen Mitteln die Krise in den Griff zu bekommen. Dafür braucht es nach Washingtons und Berlins Überzeugung die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern – am besten sofort.

Das ist allerdings nicht in Sicht. Nach wie vor gilt die Situation als verfahren. Und die „Messer-Intifada“ hat Vorbehalte und Missgunst nochmals verstärkt. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wirft Netanjahu vor, weder Interesse an einer Beruhigung der gegenwärtigen Situation zu haben noch an ernsthaften Gesprächen über die viel beschworene Zwei-Staaten-Lösung. Damit verstärke er Frust und Verzweiflung gerade unter jungen Palästinensern. Netanjahu wiederum spricht Abbas den Willen ab, mäßigend auf die Palästinenser einzuwirken und sich mit ihm an einen Tisch zu setzen.

Israels Ministerpräsident Netanjahu gibt sich kämpferisch.
Israels Ministerpräsident Netanjahu gibt sich kämpferisch.

© Amir Cohen/Reuters

Die Haltung des Likud-Chefs zur Zwei-Staaten-Lösung ist allerdings bestenfalls unklar. Nach eigenen Angaben ist Netanjahu dazu bereit. „Nur müsste er dann auch dementsprechend handeln“, sagt Shimon Stein, Senior Fellow am Institut für Nationale Sicherheitsstudien an der Universität Tel Aviv. Genau dies müsse Merkel ihrem Gast klarmachen. Aller Voraussicht nach wird sie dies auch tun. In der Vergangenheit hat die Kanzlerin mehrfach betont, dass sie insbesondere im jüdischen Siedlungsbau ein Hindernis für ein Abkommen mit den Palästinensern sieht.

Atomdeal mit Teheran - Chance oder naives Wunschdenken?

Netanjahu wird sich jedoch thematisch wohl kaum auf den Nahostkonflikt beschränken wollen. Ihn treibt immer noch der Atomdeal mit dem Iran um. Seinen erbitterten Widerstand hat er zwar aufgegeben. Aber der Premier ist weiterhin davon überzeugt, dass Teheran nicht zu trauen ist. „Netanjahu sieht im Iran eine Bedrohung“, sagt auch Shimon Stein, der von 2001 bis 2007 Israels Botschafter in Deutschland war. Die Bundesregierung dagegen betrachtet die Atomvereinbarung, an deren Zustandekommen sie beteiligt war, als eine Chance. Nur gemeinsam mit der Führung der Islamischen Republik könne in Nahost etwas zum Besseren bewegt werden – eine Hoffnung, die Merkel mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier teilt.

Netanjahu hält das für naives Wunschdenken und dringt darauf, dass das Atomabkommen minutiös eingehalten wird. Darauf besteht auch Volker Beck, Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag. „Die Sorgen bezüglich des Iran in Israel haben ihre Berechtigung, und wir haben die Pflicht, sie durch eine intensive Beobachtung des Kontrollregimes zu zerstreuen.“ Denn gerade Deutschland habe eine besondere Verantwortung für Israels Sicherheit.

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