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Eine Ming-Vase kann Millionen kosten. Hier ein Beispiel aus einer Sotheby's-Auktion.

© dpa

Beleidigung als „Ming-Vase“: Kann Rassismus eine Bagatelle sein?

Ein Kaufhaus will einer Angestellten kündigen, die sich über ihre Vorgesetzte lustig gemacht hat. Ein klarer Fall? Zumindest ein interessanter. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

In einem Berliner Kaufhaus „mit internationalem Publikum“ soll einer Verkäuferin wegen Rassismus gekündigt werden. Bekannt wurde der Fall nur, weil das Landesarbeitsgericht dazu eine Mitteilung herausgab. Die Beteiligten wollen sich nicht äußern. Es bestehe kein Interesse, den Streit über Medien auszutragen, heißt es von Seiten des Betriebsrats.

Das Gericht nennt die Augenform „asiatisch“

Bleibt die Gerichtsmitteilung. Demnach hat die Verkäuferin bei einer Kollegin über eine Vorgesetzte gesagt: „Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase.“ Das bekam ein anderer Vorgesetzter mit und stellte sie zur Rede. Die Frau wiederholte das mit der „Ming-Vase“ und imitierte eine Augenform, die in der Gerichtsmitteilung als „asiatisch“ bezeichnet wird. Bei der folgenden Anhörung redete die Frau sich wohl um Kopf und Kragen: Sie habe das Wort „Schlitzauge“ vermeiden wollen, Ming-Vasen seien schön, schwarze Menschen nenne sie „Herr Boateng“, wie den Fußballer, den sie toll finde. Eben, genau das sei Rassismus, sagt ihr Arbeitgeber.

Geht es um das KaDeWe? Die Beteiligten schweigen

Die Verkäuferin ist Betriebsrätin. Der Betriebsrat müsste der außerordentlichen Kündigung zustimmen, was er nicht tat. Er verurteile Rassismus, könne aber kein rassistisches Gedankengut erkennen. Das Arbeitsgericht hat die fehlende Zustimmung per Beschluss ersetzt (Az.: 55 BV 2053/21). Es sieht Rassismus.

Ein klarer Fall? Zumindest ein interessanter. Wenn der Betriebsrat Rassismus abstreitet, rechtfertigt er ihn? Was soll man denken von Kaufhäusern mit rassistischen Betriebsräten? Etwas heikel wäre, wenn es sich um das KaDeWe handeln sollte. Es wird seit einigen Jahren von der Central Group geführt, einem Mischkonzern mit Sitz in Bangkok. Ein verzweigtes Familienunternehmen, in der deutschen Presse war schon mal vom „Thai-Clan“ die Rede. Stoßen die Mehrheitseignerinnen und -eigner samt Führungspersonal dort auf rassistische Ablehnung? Das KaDeWe äußert sich auf Anfrage nicht.

Auch beim „Thai-Clan“ kann man stutzig werden

Man will es weder hoffen noch glauben. Möglich daher, dass der Betriebsrat den Vorgang, trotz Rassismus, als nicht so gravierend betrachtet, dass er eine Kündigung rechtfertigt. Eine Kolleginnen-Lästerei. Danach Formeln, wie sie zu hören sind, wenn Rassismus entschuldigt wird. Nicht alle sind auf dem Stand, was noch gesagt werden darf. Gerade Ältere und Nichtakademiker tun sich schwer. Viele wissen nicht, dass Gedankenlosigkeit Rassismus sein kann. Die Entwicklung ist zudem schnell. Auch beim „Thai-Clan“ könnte man stutzig werden. Oder bei „asiatischen Augenformen“.

Ein unterschlagener Pfandbon reichte nicht

Vor Jahren gab es Diskussionen um eine Kassiererin, die einen Pfandbon unterschlagen hatte und gefeuert wurde. Auch sie hatte sich in ihrer Anhörung um Kopf und Kragen geredet und sogar in Lügen verstrickt. Trotzdem: Eine Bagatelle, hieß es, es seien ja nur 1,30 Euro gewesen. Die Frau gewann am Ende sogar ihren Kündigungsprozess. Gibt es bei Rassismus auch Bagatellen?

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