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Demonstranten im Tränengas am Montag an der Universität von Hong Kong.

© REUTERS/Adnan Abidi

Update

Polizeikessel um Universität in Hongkong: Dutzende Demonstranten seilen sich von Brücke ab und entkommen

Weiterhin belagert die Polizei die Polytechnische Universität in Hongkong. Einigen Aktivisten gelang eine spektakuläre Flucht.

Die Lage an der Hongkonger Technischen Universität ist weiter äußert angespannt. Am Abend gelang dutzenden Demokratie-Aktivisten die Flucht aus der von der Polizei eingekesselten Universität. Wie auf Videoaufnahmen zu sehen war, seilten sie sich von einer Fußgängerbrücke auf eine Autobahn ab, wo sie von wartenden Motorradfahrern abgeholt wurden. Es war zunächst unklar, wie vielen Aktivisten die Flucht gelang und wie viele sich noch auf dem Campus befanden.

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Den Tag über hatte es einen dramatischen Schlagabtausch zwischen der Polizei und Demonstranten gegeben: Sicherheitskräfte kesselten Hunderte Demokratie-Aktivisten in der Hochschule ein. Mit Tränengas und Schlagstöcken gingen sie gegen Demonstranten vor, die versuchten, vom Campus zu fliehen.

Peking warnte die Protestbewegung zuletzt in immer drastischeren Worten vor einer Eskalation. Wu Qian, Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums, bekräftigte, die „Beendigung der Gewalt und die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung“ seien derzeit die „dringlichste Aufgabe“ in Hongkong.

Der chinesische Botschafter in London, Liu Xiaoming, betonte, die Regierung in Peking unternehme „ihr Möglichstes, um die Situation unter Kontrolle zu bringen“. Peking habe „ausreichend Entschlossenheit und Macht, um die Unruhen zu beenden“.

Die Bundesregierung mahnte unterdessen alle Seiten „zur Zurückhaltung und zur Dialogbereitschaft“. Sie hoffe, dass „konkrete Maßnahmen der Deeskalation schnellstmöglich ergriffen werden, um zu einer friedlichen Lösung des Konflikts zu kommen“, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin.

Der Aktivist Joshua Wong appellierte auf Twitter: „Wird die Welt einem Blutbad zuschauen oder das skrupellose Regime stoppen?“ Den Demonstranten in der Uni würde es an Essen und Medikamenten fehlen, so Wong. Er forderte gegenüber der „Bild“: „Es reicht nicht mehr, dass Deutschland die Lage verurteilt, es muss knallharte Sanktionen geben.“

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Bislang gibt es keine sicheren Informationen darüber, wieviel Demonstranten sich noch in der Uni befinden. Die Hongkonger Polizei versicherte in einem Statement, dem Roten Kreuz Zugang zum Gebäude zu gewähren. Am Montagabend konnten Verletzte mit Hilfe von medizinischem Personal das Gelände verlassen, mussten aber der Polizei ihre Personalien geben, wie der Sender RTHK berichtete.

Eine andere Gruppe von Demonstranten habe aus der Universität flüchten können, indem sie sich aus acht Meter Höhe auf eine Hochstraße abgeseilt hätten, wo sie von Autos aufgegriffen worden seien. Als die Polizei die Flucht bemerkt habe, sei Tränengas eingesetzt worden, doch seien da schon viele geflüchtet gewesen. Einige Aktivisten hätten mit Pfeil und Boden auf die Beamten geschossen, berichtete der Sender.

Demonstranten versammeln sich um einen Ausbruchsversuch zu starten und sich ihrer Festnahme zu entziehen.
Demonstranten versammeln sich um einen Ausbruchsversuch zu starten und sich ihrer Festnahme zu entziehen.

© Achmad Ibrahim/AP/dpa

Aktivisten errichteten zudem im Stadtviertel Tsim Sha Tsui in Kowloon neue Straßenbarrikaden. Es gab weitere Festnahmen. Ein Großaufgebot von Sicherheitskräften war mobilisiert worden, während die gewalttätigen Proteste andauerten.

Polizei in Hongkong führt einen Demonstranten ab.
Polizei in Hongkong führt einen Demonstranten ab.

© REUTERS/Tyrone Siu

Immer mehr asiatische Fluglinien streichen wegen der gewalttätigen Proteste Flüge nach Hongkong. Wie am Montag aus Angaben des auf die Beobachtung von Flugplänen spezialisierten Branchendienstes Routes Online hervorgeht, kürzten etwa die indische Fluggesellschaft SpiceJet, Malaysias AirAsia, die südkoreanische JejuAir oder die philippinischen Fluglinien PAL und Cebu Air die Zahl der Flugverbindungen nach Hongkong für die nächsten Wochen. Auch verschiedene chinesische Fluglinen, darunter Air China und China Eastern beantragten demnach eine Kapazitätsreduzierung.

Was derzeit in Hongkong passiert:

  • Der Kampf auf dem Campus: Die Demonstranten halten die Technische Universität seit Donnerstag besetzt und seit Sonntagmorgen versucht die Polizei, den Campus zu räumen.
  • 24-Stunden-Belagerung: In der Nacht von Sonntag auf Montag kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei. Am Montag gibt es bislang weniger Zusammenstöße.
  • Darum die Universität: Viele der Demonstranten sind in die Technische Universität „umgezogen“ aus der Chinesischen Universität von Hongkong, die sie vergangene Woche besetzt hatten. Dort gab es hitzige Gefechte und Tränengas wurde eingesetzt. Die Demonstranten beschuldigten die Polizei, die akademische Freiheit einzuschränken.
  • Darum können die Demonstranten nicht weg: Viele Demonstranten befürchten, dass sie beim Verlassen der Universität geschlagen und verhaftet werden. Dies passierte einer größeren Gruppe, die am Montagnachmittag (Ortszeit) versuchte zu fliehen.
  • Darum stürmt die Polizei nicht: Die Hongkonger Beamten haben in den letzten 24 Stunden versucht, in das Uni-Gebäude vorzudringen. Die Demonstranten haben sie jedoch immer wieder zurückdrängen können. Die Waffen der Eingeschlossenen umfassen Molotowcocktails sowie Pfeil und Bogen. Ebenso gab es große Feuer am Eingang der Universität.
  • Darum eskaliert die Gewalt: In der vergangenen Woche gab es gewaltsame Proteste und Zusammenstöße. Eine Person starb und zahlreiche wurden verletzt. Die Polizei trägt am Montag laut Medienberichten auch scharfe Waffen – und sagte am Sonntag, dass sie sie auch einsetzen würden. Laut CNN sollen die Demonstranten in den Uni auch mittlerweile ihr eigenes Napalm herstellen. Die gelartige Substanz kann aus Haushaltsmittel hergestellt werden und bleibt dort kleben, wo sie hingeworfen wird. Napalm brennt stärker als Benzin. Einige Polizeiautos sollen mit einer Napalm-ähnlichen Substanz beworfen worden sein. Erfolg für die Aktivisten vor Gericht

Hongkongs Oberstes Gericht urteilte derweil, dass das Vermummungsverbot „verfassungswidrig“ sei. „Die Beschränkungen, die das Verbot für die Grundrechte impliziert, gehen weiter als notwendig“, hieß es in einer Mitteilung am Montag. Angesichts der Massenproteste hatte die Regierung Hongkongs Anfang Oktober auf ein Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit zurückgegriffen und ein Vermummungsverbot verhängt.

Ein Demonstrant in Hongkong versucht den Campus zu verlassen und kollidiert mit der Polizei.
Ein Demonstrant in Hongkong versucht den Campus zu verlassen und kollidiert mit der Polizei.

© REUTERS/Thomas Peter

Nach Vermittlungsbemühungen der Hochschulleitung hätten rund 70 bis 100 Studenten versucht, die Universität zu verlassen, seien aber wieder in das Gebäude geflüchtet, weil die Polizei Tränengas gegen sie eingesetzt habe, berichtete die Studentenvereinigung. Auch befürchteten viele, festgenommen zu werden.

„Die Konfrontation ist vorerst ausgesetzt“, hatte der demokratische Abgeordnete Ted Hui, der seit Sonntag mit den Studenten ausharrte, am Morgen der Zeitung gesagt. „Die Polizei kann nicht reinkommen, aber die Demonstranten können auch nicht raus.“

Die Polizei bestritt, das Gelände „gestürmt“ zu haben. Eine Erklärung sprach gleichwohl von einem anhaltenden Einsatz, um Demonstrationen aufzulösen und Festnahmen zu machen. „Aufrührer, die sich auf dem Gelände versammelt haben, legten Feuer und richteten schwere Schäden an“, teilte die Polizei mit. „Explosivstoffe, brennbare Materialien und gefährliche Güter stellen dort auch eine Gefahr für alle dar.“ Die Polizei fordere jeden auf, das Universitätsgelände zu verlassen.

Bereitschaftspolizisten verhaften einen Demonstranten während Zusammenstößen in der Nähe der Universität.
Bereitschaftspolizisten verhaften einen Demonstranten während Zusammenstößen in der Nähe der Universität.

© Achmad Ibrahim/AP/dpa

Hongkonger Universitäten sind neuer Brennpunkt der Proteste

Die Hochschulen der chinesischen Sonderverwaltungsregion hatten sich vergangene Woche zu einem neuen Brennpunkt der seit fünf Monaten anhaltenden Proteste entwickelt. Seit Sonntag wurden nach Angaben der Behörden 38 Menschen verletzt, davon fünf schwer.

Ein gepanzertes Fahrzeug der Polizei brennt, nachdem es mit Molotowcocktails beworfen wurde.
Ein gepanzertes Fahrzeug der Polizei brennt, nachdem es mit Molotowcocktails beworfen wurde.

© REUTERS/Adnan Abidi

Allein im Stadtviertel Tsim Sha Tsui wurden rund 100 Personen festgenommen, berichtete die „South China Morning Post“. Die Polizei habe mitgeteilt, sie seien von der Polytechnischen Universität geflüchtet, hätten Straßen blockiert oder sich illegalerweise versammelt. Die Proteste in Hongkong dauern bereits seit 24 Wochenenden in Folge an und richten sich gegen die Regierung, harsches Vorgehen der Polizei sowie den wachsenden Einfluss der kommunistischen Pekinger Führung.

Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ unter chinesischer Souveränität autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger genießen - anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik viele Rechte wie Versammlungs- oder Meinungsfreiheit, um die sie jetzt aber fürchten.

Hongkong: Joshua Wong verteidigt Gewalt der Protestierenden

Der prominente Demokratie-Aktivist Joshua Wong rechtfertigte den Einsatz von Gewalt durch Demonstranten. „Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen“, sagte Wong der „Süddeutschen Zeitung“. „Allein mit Gewalt allerdings auch nicht. Wir brauchen beides.“

Das gewaltsame Vorgehen der Polizei stoße auf immer mehr Widerstand in der Hongkonger Bevölkerung, sagte Wong. „Erst hat die Polizei nur Demonstranten verhaftet, dann Ersthelfer, Pastoren und nun Zivilisten.“ Mehr als 4000 Menschen seien inzwischen festgenommen worden. „Das stärkt das Verständnis der Bevölkerung für die Proteste“, zeigte sich der 23-Jährige, der wegen seines Engagements bereits mehrfach in Haft war, überzeugt. (dpa, AFP, Reuters)

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