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Häusliche Krankenpflege (Symbolbild)

© dpa/Britta Pedersen

Update

Beiträge zur Pflegeversicherung: Bundesverfassungsgericht verlangt Entlastung kinderreicher Familien

Eltern müssen in der Pflegeversicherung weniger zahlen als Menschen ohne Kind, sagt das Verfassungsgericht. In anderen Punkten haben Kläger keinen Erfolg.

Eltern mit mehreren Kindern müssen nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weniger für die gesetzliche Pflegeversicherung zahlen als kleinere Familien und Kinderlose. Bei der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung hingegen muss nach Angaben des höchsten deutschen Gerichts vom Mittwoch überhaupt nicht unterschieden werden zwischen Menschen mit und ohne Nachwuchs (1 BvL 3/18 u.a.). Familienverbände wollen nun auf politischem Weg für ihr Anliegen kämpfen.

Die Karlsruher Richterinnen und Richter ordneten an, dass die Beitragssätze in der Pflegeversicherung bis Ende Juli 2023 entsprechend der konkreten Zahl der Kinder angepasst werden müssen. Die Bundesregierung äußerte sich zunächst nicht dazu.

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„So erfreulich die heutige Entscheidung zur sozialen Pflegeversicherung auch für Familien ist, sie betrifft leider nur den ökonomisch unbedeutendsten der drei Sozialversicherungszweige“, erklärte der Präsident des Familienbunds der Katholiken (FDK), Ulrich Hoffmann. „So kann es nicht gelingen, Familien aus der strukturellen Benachteiligung und der Armut zu holen.“ Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, erklärte: „Die Einführung einer existenzsichernden Kindergrundsicherung bleibt notwendig.“ Mit ihr würden die meisten ausdifferenzierten Familienleistungen überflüssig und das Armutsrisiko von Familien mit Kindern deutlich verringert.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Fall der Pflegeversicherung schon 2001 geurteilt, es sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, dass Eltern einen genauso hohen Beitragssatz zahlen wie Kinderlose - denn sie leisteten einen „generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems“. Die Beitragssätze wurden daraufhin angepasst. Seit Anfang dieses Jahres liegt jener für Eltern bei 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens, der für Kinderlose bei 3,4 Prozent.

Nach Ansicht der Richterinnen und Richter greift das aber zu kurz: Je mehr Kinder eine Familie habe, desto größer seien der Aufwand und die damit verbundenen Kosten. „Diese Benachteiligung tritt bereits ab einschließlich dem zweiten Kind ein“, heißt es in der Mitteilung. „Die gleiche Beitragsbelastung der Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.“ Der Gesetzgeber müsse diese Benachteiligung beheben.

Zwar seien seit dem Pflegeversicherungsurteil zahlreiche Maßnahmen des Familienleistungsausgleichs zur (anteiligen) Kompensation des Kinderziehungsaufwands ergriffen worden - zum Teil in Abhängigkeit von der Kinderzahl. „Allerdings bleiben trotz der unternommenen gesetzgeberischen Anstrengungen die Erwerbstätigenquote und das Erwerbsvolumen von Müttern mit mehr Kindern gegenüber solchen mit weniger Kindern nach wie vor substantiell zurück“, hieß es.

Klage zur Rentenversicherung hat keinen Erfolg

In der gesetzlichen Rentenversicherung allerdings werde der Wert der Kindererziehung insbesondere durch die Anerkennung sogenannter Kindererziehungszeiten honoriert, entschied der Erste Senat unter Vorsitz von Gerichtspräsident Stephan Harbarth. Mit Blick auf die gesetzliche Krankenversicherung betonten die Richterinnen und Richter, dass die Versicherten hier schon in Kindheit und Jugend „in erheblichem Umfang“ von den Leistungen profitierten.

Dass in diesen beiden Fällen keine Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Kindern gemacht werden, hatte schon das Bundessozialgericht in mehreren Urteilen für rechtens erklärt. Gegen diese Entscheidungen wehrten sich mehrere Eltern mit Verfassungsbeschwerden, unterstützt vom Familienbund der Katholiken in der Erzdiözese Freiburg.

„Nicht nur im Interesse der Familien, sondern in erster Linie der Gesellschaft, brauchen wir eine strukturelle Reform der gesetzlichen Sozialversicherung, die die Erziehung von Kindern gerecht bewertet“, erklärte FDK-Präsident Hoffmann. Die Entscheidung des Gerichts mache aber deutlich, dass Beitragsgerechtigkeit nicht über Klagen, sondern über den politischen Diskurs zu erreichen sei.

Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz war mehr Solidarität bei der Beitragszahlung überfällig. „Pflege ist sowohl jetzt als auch in der Zukunft die große Herausforderung. Denn es sind Ehegatten und Kinder, die den größten Pflegedienst Deutschlands stemmen“, teilte Vorstand Eugen Brysch mit. Die Pflegeversicherung trage nur einen Sockel der Kosten. (dpa)

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