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Zu wenig Geld, zu wenig Zeit: Viele Pflegekräfte arbeiten am Limit.

© Christoph Schmidt/dpa

Beifall für Pflegebevollmächtigten Westerfellhaus: Auch Grüne fordern Personaluntergrenzen für gesamte Pflege

Der Pflegebevollmächtigte der Regierung will Personaluntergrenzen nicht nur für Kliniken, sondern auch für Altenheime. Die Grünen unterstützen das.

Die Grünen haben sich hinter die Forderung von Gesundheitsstaatssekretär Andreas Westerfellhaus gestellt, auch Pflegeheimen Personaluntergrenzen vorzugeben. "Der Pflegebevollmächtigte legt zurecht den Finger in die Wunde, wenn er Konsequenz bei den Mindestvorgaben in der Pflege fordert", sagte Fraktionsexpertin Kordula Schulz-Asche. Die Einführung von Personaluntergrenzen in nur vier Krankenhausfachabteilungen sei "eine Gefahr für die Architektur der gesamten Pflege". Sie löse eine "Sogwirkung aus, die Pflegefachkräfte aus anderen Krankenhausabteilungen und der Altenpflege abzieht".

Zuvor hatte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung im Tagesspiegel-Interview verlangt, die Mindestvorgaben für Pflegekräfte in lediglich vier Klinikabteilungen auszuweiten. „Was für Kliniken gilt, muss auch für die stationäre Altenpflege gelten“, sagte Westerfellhaus. In den Heimen gebe es ebenfalls intensivst pflegebedürftige Menschen, die fachlich qualifiziertes Personal benötigten. „Wer daran spart und meint, er könne sich mit Hilfskräften durchmogeln, riskiert die Gesundheit der ihm anvertrauten Menschen.“

Vorgaben für Kliniken "nicht das Ende der Fahnenstange"

Gleichzeitig drängte Westerfellhaus auf eine Ausweitung der festgelegten Personaluntergrenzen für bestimmte Klinikbereiche auf alle bettenführenden Abteilungen. Bisher hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Krankenhäusern nur eine Mindestquote für das Personalpersonal in Intensivstationen, Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie verordnet. Die Vorgabe soll zum Jahreswechsel wirksam werden. Die Klinikbetreiber hatten heftig dagegen protestiert und vor der Schließung ganzer Abteilungen gewarnt.

Westerfellhaus bezeichnete die Personaluntergrenzen in den Kliniken als „ersten Schritt“ und „nicht das Ende der Fahnenstange“. Es sei „beschämend, dass es die Selbstverwaltung nicht geschafft hat, das selbst zu regeln“. Zudem kündigte der Pflegebevollmächtigte an, dafür sorgen zu wollen, „dass Verstöße gegen die Vorgaben auch mit Sanktionen belegt werden“. Die Untergrenzen seien „die dunkelroteste Linie, die man sich vorstellen kann“.

Gewerkschaften drängen Kirchen zur Unterstützung eines verbindlichen Tarifvertrags

Unterdessen fordern die Gewerkschaften einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die gesamte Pflegebranche. In diesen sollten auch die kirchlichen Wohlfahrtsverbände als besonders große Akteure eingebunden werden, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler am Freitag in Berlin. Mit Diakonie und Caritas werde derzeit „nach einem gangbaren Weg adäquater Beteiligung gesucht“.

.In den beiden großen Kirchen in Deutschland gilt im Arbeitsrecht der sogenannte Dritte Weg. Damit gilt für den überbetrieblichen Bereich ein eigenständiges kollektives Arbeitsvertragsrecht, das die Grundlagen des Tarifsystems abweichend vom geltenden Tarifvertragsrecht regelt. „Diakonie und Caritas stehen in der Pflicht, einen Tarifvertrag in der Pflege mit zu unterstützen, damit die gesamte Branche vorankommt", sagte auch Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand. Ziel sei ein Tarifvertrag, der über die gesamte Branche erstreckt werden könne, um verbindlich „Haltelinien nach unten“ einzuziehen.

Umfrage: 80 Prozent der Pflegekräfte haben sehr häufig Stress im Job

Die Gewerkschaftsvertreter stellten zugleich eine aktuelle DGB-Umfrage zu den Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege vor. Die Ergebnisse zeigten, dass dort die Arbeitsbedingungen weit stärker von Zeitdruck und überbordender Arbeitsmenge geprägt seien als im Durchschnitt aller Berufsgruppen, sagte Buntenbach. Demnach gaben 80 Prozent der befragten Krankenpfleger und fast 70 Prozent der Altenpfleger an, dass sie sehr häufig in Eile arbeiten müssen. Über alle Berufsgruppen hinweg liege der Wert bei 55 Prozent.

Zudem gaben 49 Prozent der Krankenpfleger und 42 Prozent der Altenpfleger an, dass sie häufig oder sehr häufig Abstriche bei der Qualität ihrer Arbeit machen müssten, um die Arbeitsmenge zu bewältigen. Der Durchschnittswert aller Berufsgruppe liege hier bei 22 Prozent. Und nur 33 Prozent der Pflegebeschäftigten gehen der Umfrage zufolge davon aus, unter ihren derzeitigen Arbeitsbedingungen bis zur Rente durchhalten zu können. Der Anteil bei allen anderen Berufsgruppen liegt mit 48 Prozent mehr als doppelt so hoch.

Pflegebevollmächtigter will Verbesserung der Arbeitsbedingungen aus Steuern finanziert haben

Der Pflegebevollmächtigte Westerfellhaus, will die versprochene Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht allein aus Beiträgen finanzieren. Er fände es „keine schlechte Idee“, für die Umsetzung seiner Vorschläge Steuermittel einzusetzen, sagte er dieser Zeitung. Momentan sprudelten die Steuereinnahmen, so der Staatssekretär im Gesundheitsministerium. Gleichzeitig wüssten  alle, „dass wir bei der Pflege vor einer Herkulesaufgabe stehen“.

Westerfellhaus hatte vorgeschlagen, der Personalnot in der Pflege unter anderem mit steuerfreien Geldprämien zu begegnen. Für Berufsrückkehrer soll es demnach einmalig bis zu 5000 Euro geben. Und bereits Berufstätige sollten ihre Arbeitszeit von 100 auf 80 Prozent reduzieren dürfen – bis zu drei Jahre lang und bei vollem Lohnausgleich. Über die Pläne von Westerfellhaus beraten Gesundheits-, Sozial- und Familienministerium in einer sogenannten „Konzertierten Aktion Pflege“. Unabhängig davon  hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits angekündigt, die Pflegebeiträge um 0,5 Prozentpunkte anheben zu müssen (mit epd)

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