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Harald Braun, Ständiger Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen.

© imago/Xinhua

Bei den Vereinten Nationen in New York: Ein Schüler Genschers

Einst diente er dem Langzeit-Außenminister als Büroleiter. Heute ist Harald Braun Botschafter bei den Vereinten Nationen.

Die Homepage deutscher Auslandsvertretungen ist wie die Einladung, ein Haus zu betreten. Weltoffenheit muss der Text zum Ausdruck bringen, aber auch Bescheidenheit. Und Stolz, genau an diesem Ort so etwas wie die Visitenkarte der Bundesrepublik zu sein. Eine Botschaft hat immer eine dienende Funktion. Aber sie ist niemals Diener. Im Grußwort von Botschafter Harald Braun auf der Homepage der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York liest man nach dem Willkommensgruß: "Die Vereinten Nationen und ihre Unterorganisationen sind zentrale Säulen der deutschen Außenpolitik. Ob Klimawandel, grenzüberschreitende Krisen, internationaler Terrorismus oder die ungleiche Ressourcenverteilung in vielen Teilen der Welt - die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bedürfen gemeinschaftlicher Antworten der internationalen Gemeinschaft. Als einzige internationale Organisation mit globaler Mitgliedschaft verfügen die Vereinten Nationen über eine einzigartige Legitimität bei der Suche nach Lösungen."

Darf man sagen, dies sei die wichtigste Auslandsvertretung Deutschlands? Ein Diplomat würde so etwas niemals aussprechen. Braun zu fragen, ob er so etwas denkt, wäre verlorene Zeit. Der Mann ist so sehr Diplomat, dass er allenfalls eine Antwort lächeln würde.

Der 65-Jährige ist in New York am Ende einer Laufbahn im Auswärtigen Amt angekommen, die ihn unter anderem nach Beirut, London, Washington und Paris geführt hat. Wenn zwischen den Außenposten Aufgaben in der Heimat lagen, dann waren das Positionen wie Botschafter zur besonderen Verwendung in der Abteilung Globale Fragen, Leiter der Gruppe Außen- und Sicherheitspolitik im Bundeskanzleramt, Leiter der Zentralabteilung des Auswärtigen Amtes, Staatssekretär unter Frank-Walter Steinmeier. Und er war zuvor, ab 1992, Büroleiter Hans-Dietrich Genschers. Die Weltsicht des Langzeit-Außenministers hat ihn geprägt, seinen Blick für globale Zusammenhänge geweitet. Deshalb ist der New Yorker Posten so etwas wie ein Angekommensein.

Mit der Stadt am Hudson River verbindet Braun aber auch die eigene Lebensgeschichte. "In New York schließt sich auch ein privater Lebenskreis, weil meine Frau und ich uns während des Studiums in New York kennenlernten und wir dort 1980 auch geheiratet haben." Die drei Kinder gingen in den USA zur Schule.

The lower Manhattan skyline is seen in the morning light on September 4, 2018 in the East River in New York. (Photo by Don EMMERT / AFP)
The lower Manhattan skyline is seen in the morning light on September 4, 2018 in the East River in New York. (Photo by Don EMMERT / AFP)

© AFP

Brauns Weg in die Außenpolitik und ins Auswärtige Amt begann nicht mit dem lange unabdingbaren Jurastudium. Seine Weltläufigkeit und rhetorische Leichtigkeit sind geerdet. In Sindelfingen 1952 geboren, nach Abitur und Wehrdienst kaufmännische Lehre bei IBM, dann Studium der Volkswirtschaft, Geschichte und Literaturwissenschaft in Tübingen und New York, Promotion.

Es gab eine Zwischenphase in der Diplomatenkarriere, als er sich für drei Jahre beurlauben ließ. Ein Headhunter lockte ihn zu Siemens, als Leiter des Zentralbereichs Konzernpolitik und Außenbeziehungen. Die Mischung aus Politik, Diplomatie und Weltwirtschaft gefiel ihm. Dass der liberale Außenminister Klaus Kinkel mit der Devise "Wir müssen die Wirtschaft verstehen" den Austausch zwischen Ökonomie und Außenpolitik förderte, dass seitdem deutsche Botschafter in wirtschaftlichen Zusammenhängen denken dürfen, ja, sollen, findet Braun richtig. Auch in New York jetzt spielt das eine Rolle.

Eine Organisation für die Welt - mit Licht und Schatten

Aber natürlich ist es eine ganz besondere Botschaft. "Die deutsche Vertretung bei den Vereinten Nationen, das ist kein normales Botschaftsgebäude, aber natürlich stehen oft Menschen mit Wünschen und Anliegen vor der Tür. Da im gleichen Gebäude auch das Generalkonsulat untergebracht ist, können wir meistens helfen", schildert er die Alltagssituationen. Auch der DAAD, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, einige Universitäten haben Verbindungsbüros im "German House" . Bezogen wurde es 1999, die Bundesrepublik ist Eigentümerin des Anwesens an der First Avenue.

Und der offizielle Wohnsitz des Botschafters? "Die Botschafter-Residenz an der 74. Straße wurde 1991 gekauft, ein Townhouse aus dem Jahre 1927, das von dem deutschstämmigen Architekten Edward Neckarsulmer für einen amerikanischen Textilunternehmer gebaut worden war. Die Unternehmerfamilie wurde später durch die Gründung von Victoria’s Secret sehr wohlhabend, das Haus wurde ihnen zu klein und günstig verkauft." Jetzt lebt Braun mit seiner Frau darin und nutzt es auch für Abendeinladungen und informelle Gesprächskontakte. "Bei 193 Mitgliedstaaten summiert sich das, der Alltag des Botschafters wird vom Konferenzkalender der Vereinten Nationen und den damit regelmäßig hochrangigen Besuchen bestimmt."

Braun ist aktuell einer der Vizepräsidenten der 71. Generalversammlung, Präsident ist der Delegierte der Republik Fidschi. Wenn im November die Weltklimakonferenz in Bonn tagt, ist eigentlich der Inselstaat im Südpazifik der Gastgeber. Aber da eine solche Weltversammlung auf den Pazifikinseln undurchführbar ist, springt die Bundesrepublik ein. Deutschland strebt für die Zweijahresperiode 2019/20 erneut eine Bewerbung als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat an, ist offizieller Kandidat, da können solche Zeichen der Solidarität hilfreich sein.

Derzeit ist die Bundesrepublik nicht Mitglied des Sicherheitsrats, aber Braun und seine Mannschaft nehmen aktiv teil. Die deutsche Außenpolitik hat das langfristige Ziel eines ständigen Sitzes - nach einer Reform der Vereinten Nationen - nicht aus dem Auge verloren. Deshalb ist es wichtig, in den Sitzungen präsent zu sein - Harald Braun hat deutsche Positionen zu Themen wie Afghanistan, Mali, Kindersoldaten, Frauen und Sicherheit, Südsudan und Syrien vertreten. Es war ein besonderer Moment, als er im September 2016 als Sitzungsleiter der Generalversammlung Frank-Walter Steinmeier auf Deutsch aufforderte: "Herr Minister, Sie haben das Wort." Braun macht sich über Stärken und Schwächen der Vereinten Nationen keine Illusionen: "Im Bereich der Friedenssicherung wird der Sicherheitsrat leider häufig seiner Aufgabe nicht mehr gerecht ... Deshalb gibt es zum Beispiel Stimmen, die fordern, bei eigener Betroffenheit müssten die Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates auf ihr Vetorecht verzichten." Aber wahr ist eben auch: "Die UN sind eine Weltorganisation mit viel Licht und viel Schatten - hätten wir sie nicht, müssten wir sie sofort erfinden. Wer sonst kümmert sich weltweit um mehr als 50 Millionen Flüchtlinge? Ohne die UN würden Millionen Kinder nicht geimpft und Hungernde nicht gefüttert."

Brauns eingangs zitiertes Grußwort auf der Homepage der Botschaft geht übrigens so weiter: "Deutschland setzt sich für starke, zukunftsgewandte Vereinte Nationen ein. Deutsche Soldaten, Polizisten und zivile Experten unterstützen die Vereinten Nationen in Friedensmissionen weltweit. Unser Land zählt zu den größten und verlässlichsten Unterstützern der Organisation. Unsere Stimme in Zukunftsfragen wird gehört ..."

Für Harald Braun findet das Thema Verantwortung Fortsetzung in Deutschland. Am 1. Juli übernimmt er ehrenhalber das Amt des Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung "Erinnerung-Verantwortung-Zukunft", das sich um Programme in den Ländern kümmern wird, aus denen die Zwangsarbeiter der NS- Ära kamen. An der HU wird er sich in ein Forschungsprojekt zur Weiterentwicklung des Völkerrechts einbringen. Manche Themen erledigen sich mit der Pensionierung nicht.

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