zum Hauptinhalt
Polizisten und Rettungskräfte am Breitscheidplatz, nachdem der Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen über den Platz gerast war.

© Michael Kappeler/dpa

Behördenfehler im Fall Anis Amri: Sie geben nur das zu, was ihnen nachgewiesen wird

Erst beim NSU, nun im Fall Amri: Sicherheitsbehörden sorgen dafür, dass ihnen misstraut wird. Nötig ist nun eine neue Fehlerkultur. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alexander Fröhlich

Der schwerste islamistische Anschlag in Deutschland jährt sich in wenigen Tagen zum dritten Mal. Anis Amri tötete auf dem Breitscheidplatz in Berlin zwölf Menschen und verletzte Dutzende.

Die Aufklärung, welche Behörden vor der Tat an welcher Stelle versagt haben, dauert an. Noch ist das Gesamtbild vom Umgang mit dem Fall des Islamisten nur schemenhaft erkennbar, vieles liegt im Verborgenen.

Die beteiligten Beamten der Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen wollen sich vom Bund die Verantwortung nicht allein zuschieben lassen. Und so rücken die Bundesbehörden seit einiger Zeit stärker in den Fokus.

Es ist an der Zeit, gerade jetzt, da die Hinterbliebenen, die Überlebenden, wir alle zum Gedenken eingeladen sind, reinen Tisch zu machen. Durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und das Bundeskriminalamt. Letzteres soll Warnhinweise aus Nordrhein-Westfalen zu Amris Gefährlichkeit erst kleingeredet haben.

Dieser Verdacht erhärtet sich. Und dann enthielt das BKA dem Landeskriminalamt Berlin Informationen des Geheimdienstes aus Marokko vor, die das im Herbst 2016 abgeflaute Interesse der Berliner Ermittler hätten wieder aufleben lassen können.

Viele Warnungen aus dem Ausland

Nicht alles wird öffentlich herausgekehrt werden können, nicht jeder Fehler, nicht jede Panne. Manches, Strukturen, Abläufe, Kontakte, berührt die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik immanent. Und allen sollte klar sein, dass es sie nicht gibt – die absolute Sicherheit.

Niemand kann die wachsende Zahl an Gefährdern und Gewalttätern vollständig überwachen. Das zeigt sich auch daran, wie abhängig deutsche Behörden von Informationen befreundeter Geheimdienste sind.

Viele Terrorwarnungen kommen aus dem Ausland. Deren Gefährlichkeit einzuschätzen liegt im menschlichen Ermessen der deutschen Beamten. Es gehört schließlich auch zur Wahrheit, dass die Verantwortlichen in vielen Fällen eingeschritten sind und viel Personal im Verdachtsfall eingesetzt haben, sich der Terrorverdacht dann aber in Luft aufgelöst hat.

Fall Amri – es braucht einen Mentalitätswandel bei den Behörden

Nötig ist ein Mentalitätswandel in den deutschen Behörden. Denn bei der Einschätzung und Analyse von Informationen unterlaufen Fehler. Auch jenen Beamten, die Leib und Leben der Bundesbürger vor Terroristen schützen. Zu tun haben sie genug.

Bislang sorgen die Behörden, gerade im Bund, vor allem dafür, dass ihnen misstraut wird – von Opfern, von Parlamentariern. Weil sie nur das zugeben, was ihnen nachgewiesen wird. So war es beim terroristischen Nazi-Trio des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), so ist es im Fall Anis Amri.

Fehlerkultur fehlt

Ein Anfang wäre mit einer neuen Fehlerkultur gemacht – bei Ermittlern, Vorgesetzten, Behördenleitungen, aber auch bei Bund und Ländern. Das Sicherheitsversprechen des Staates an seine Bürger ist durch den Terror fragil geworden.

Die Politik sollte ihnen nichts vormachen, und sie sollten sich nichts vormachen lassen. Wer einzelne Beamte wegen Fehlern abstraft und Köpfe rollen lassen will, vergibt die Chance, dass Behörden und Beamte aus ihren Fehlern lernen, schlauer und besser werden. Statt Angst vor Kritik, Konsequenzen und Verantwortung braucht es Mut. Alles für unsere Sicherheit in dieser unsicheren Zeit zu tun, Schwächen zuzugeben und anzuerkennen. Alles andere ist eine Illusion.

Zur Startseite